Er denkt über sie nach. Die Anwesenden stehen alle wie unter dem Einflusse eines Märchens.
SCHEIK tief Atem holend.
Unglaublich fast!
IMAM.
Erstaunlich!
BABEL.
Wunderbar!
SCHEIK zur Phantasie.
Wer bist du, Weib?
PHANTASIE.
Ich bin die Phantasie.
SCHEIK.
Das hörte ich bereits. Wie ist dein Name?
PHANTASIE.
Abu Kital.
SCHEIK.
So heiße doch nur ich!
PHANTASIE.
Die Phantasie führt stets den Namen dessen,
Dem sie gehorcht. Drum heiße ich wie du.
SCHEIK.
So bist du mein? Bist meine Phantasie?
PHANTASIE.
Für heut will ich es sein, weil es sich fügt.
SCHEIK.
So höre mich, was ich von dir verlange – – –!
PHANTASIE.
Ich weiß es schon.
SCHEIK.
Von wem? Vom Hakawati?
PHANTASIE.
Von mir. Denn, bin ich deine Phantasie,
So weiß ich Alles, ehe du es weißt.
Tritt zu dem Scheik der Todeskarawane, der noch immer neben Schefaka steht.
Ich weiß, daß du den »König« reiten sollst.
Bist du bereit?
SCHEIK DER TODESKARAWANE beugt unwillkürlich ein Knie.
Wenn du befiehlst!
PHANTASIE.
Es sei!
Wendet sich von ihm ab, zum Scheik.
SCHEIK DER TODESKARAWANE zu Schefaka, die sich von der Phantasie so ergriffen fühlt, daß sie fast kein Auge von ihr wendet.
Ich sah sie schon, doch wo, kann ich nicht sagen!
PHANTASIE zum Scheik.
Und ich, ich soll den Feind zum Zorne reizen,
Indem ich ihn durch seine Schatten kränke.
SCHEIK.
Ob du das können wirst?
PHANTASIE.
Erprobe es!
SCHEIK.
Sei nicht zu kühn! Ich fordre viel von dir!
Du mußt die Schatten dieser meiner Feinde
So täuschend und so überzeugend treffen,
Daß Keiner sagen kann, er sei es nicht.
Gib eine Probe – – – heut – – – mit unsern Schatten!
Deutet auf die am Boden liegenden Requisiten und dann hinaus, wo die Schattenspieler sind.
Die Kunst liegt hier, und draußen sind die Künstler!
PHANTASIE abwehrend.
Vor dieser Kunst bewahre mich, o Scheik!
Du sollst die meine sehen, keine andre.
Nach dem Zelte deutend.
Gib mir das Zelt, so kann ich gleich beginnen!
SCHEFAKA antwortet an Stelle des Scheikes, schnell und freudig.
Wie gern, wie gern! Komm, schnell! Ich zeig es dir!
Sie gehen miteinander zum Zelte, an der Bibel vorüber, welche von ihrem Platze aufsteht und sich ihnen anschließt. Sie verschwinden in der Frauenabteilung, deren Vorhang hinter ihnen niederfällt. Später treten die Phantasie und Schefaka aus der Männerabteilung heraus. die Bibel bleibt in der Frauenabteilung zurück und wird erst
beim Schattenspiele wiedergesehen. Die Dämmerung beginnt hereinzubrechen.
SCHEIK zu den Andern.
Die hab ich mir ganz anders vorgestellt!
BABEL.
Ich auch!
IMAM.
Ich auch!
KADI.
Ich auch!
HAKAWATI.
Der Schwarze kommt!
Zwanzigster Auftritt
Die Vorigen. Der Neger.
VORBETER.
Bei Tell el Kreni, bei Imam Reschid
Und bei Delab ziehn Truppen sich zusammen.
SCHEIK sehr erfreut.
Das sind die Ukala, die Hukama
Und die Schuttar, schon sieben nun von acht!
VORBETER.
Wann bete ich den Sonnenuntergang?
IMAM.
Sofort!
SCHEIK.
Doch nur das Umeha. Nichts weiter!
Vorbeter ab.
Einundzwanzigster Auftritt
Die Vorigen ohne den Vorbeter.
Die Dämmerung ist inzwischen eingetreten, und Schefaka hat das Feuer höher geschürt, damit man sehen könne. Das ist die Zeit des Moghreb, des Gebetes kurz nach Sonnenuntergang. Der Scheik der Todeskarawane hält sich abgesondert und beschäftigt sich sehr angelegentlich, aber keineswegs in auffälliger Weise, mit der Oertlichkeit. Es scheint, als ob er auf die Andern gar nicht achte. Der Hakawati sitzt still an seinem Platze. Die Andern stehen im Vordergrunde und beobachten, was hinten geschieht. Dort kommt die Phantasie mit Schefaka wieder aus dem Zelte, vor dessen Männerabteilung der helle Vorhang herabgelassen wird,
weil auf ihm, von innen erleuchtet, sich die Schatten bilden sollen. Die Phantasie klatscht in die Hände, worauf die Schattenspieler erscheinen. Sie bleiben im Hintergrunde und werden von ihr instruiert. Einige von ihnen tragen die Requisiten fort, weil sie nicht gebraucht werden. Einige verkleiden sich. Man sieht, daß sie die Gestalten des Scheik, des Imam, des Kadi und auch Babels nachahmen. Inzwischen wird im Vordergrunde
weitergesprochen.
SCHEIK.
Nun haben nur noch die Schukuk zu kommen,
Dann sind wir aller unsrer Freunde sicher.
Die Todeskarawane – – –
BABEL einfallend.
Die wird wirken!
IMAM.
Ihr Scheik gefällt mir!
KADI.
Hat es innerlich!
SCHEIK.
Und diese Phantasie – – –
IMAM fällt ein.
Die paßt!
KADI.
Die paßt!
SCHEIK.
Beweise erst, Beweise!
BABEL.
Wird sie geben!
SCHEIK.
Ich bin gespannt!
IMAM.
Ich auch!
KADI.
Ich auch!
BABEL.
Sie kommt!
Man hört die Gebetsbretter läuten. Die Phantasie kommt nach vorn. Schefaka trennt sich von ihr, um vorzubereiten.
PHANTASIE zum Scheik.
Du wolltest eure Schatten von mir sehen,
Auf die betreffenden Spieler zurückdeutend.
Sie kleiden sich jetzt an. Doch warne ich.
Ich lasse sie auch sprechen. Darf ich das?
BABEL.
Gewiß!
IMAM.
Gewiß!
KADI.
Gewiß!
SCHEIK.
Das wird ja lustig!
Ich sehe schon daß du mich treffen wirst!
Er schaut nach dem Hintergrunde, wo sein Ebenbild soeben vollendet wird. Auch die Porträts der Andern sind fertig und verschwinden in der Männerabteilung des Zeltes.
BABEL über sein Konterfei lachend.
Mich auch!
IMAM ebenso.
Mich auch!
KADI ebenso.
Mich auch!
SCHEIK.
Doch bitte ich,
Daß sich zum Scherz auch etwas Ernst geselle!
PHANTASIE.
An Ernst soll es nicht fehlen – – – sicher nicht!
SCHEIK.
Und wann beginnst du?
PHANTASIE.
Gleich nach dem Gebete.
Kehrt nach dem Hintergrunde zurück.
SCHEIK.
So laßt uns Plätze schaffen!
IMAM.
Plätze!
KADI.
Plätze!
Zweiundzwanzigster Auftritt
Die Vorigen.
Es ist vollständig dunkel geworden. Die Szene wird nur von dem flackernden Herdfeuer Schefakas erleuchtet.
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