Doch keine Erfindung erfüllte ihren Zweck. Wenn er, zur Entlastung seines Rückens, den Tischdeckel in einem scharfen Winkel bis fast an sein Kinn brachte und darauf schrieb wie jemand, der das steile Dach eines holländischen Hauses als Pult benutzt, dann erklärte er, daß dadurch der Blutkreislauf in den Armen behindert werde. Wenn er nun den Tisch bis zu seinem Rockbund niederließ und sich beim Schreiben darüberbeugte, dann bekam er starke Rückenschmerzen. Kurzum, es verhielt sich in Wahrheit so, daß Nippers nicht wußte, was er wollte. Oder wenn er etwas wollte, so war es dies, den Tisch eines Schreibers ganz und gar los zu sein. Zu den Bekundungen seines krankhaften Ehrgeizes gehörte seine Vorliebe, Besuch von gewissen, zweifelhaft aussehenden Gesellen in schäbigen Röcken zu empfangen, die er seine Klienten nannte. Tatsächlich wußte ich, daß er sich zeitweise nicht nur als Stadtbezirkspolitiker hervortat, sondern gelegentlich auch in den Justices’ Courts ein kleines Geschäft tätigte und auf den Stufen der Tombs nicht unbekannt war. Ich habe jedoch guten Grund zu der Annahme, daß eine Person, die ihn in meiner Kanzlei aufsuchte und von der er mit wichtiger Miene behauptete, daß es sich um seinen Klienten handle, lediglich ein Schuldeneintreiber und die angebliche Besitzurkunde eine Rechnung war. Aber trotz all seiner Fehler und der Ärgernisse, die er mir bereitete, war mir Nippers, genauso wie sein Landsmann Turkey, auch sehr nützlich; er schrieb eine saubere, flinke Handschrift, und wenn es ihm beliebte, ließ er es nicht an vornehmem Betragen fehlen. Hinzu kam, daß er sich stets auf vornehme Weise kleidete und so, nebenher, meiner Kanzlei Ehre machte. Was dagegen Turkey betraf, so hatte ich große Mühe, zu verhindern, daß er mir zur Schande gereichte. Seine Kleidung hatte gewöhnlich ein speckiges Aussehen und den Geruch von Speisehäusern an sich. Im Sommer trug er seine Hosen sehr locker und schlottrig. Seine Röcke waren widerwärtig; sein Hut war nicht zum Anfassen. Aber während mir der Hut gleichgültig war, da ihn angeborene Höflichkeit und seine Ehrerbietigkeit als Engländer in abhängiger Stellung stets bewogen, ihn abzunehmen, sowie er das Zimmer betrat, war es mit seinem Rock doch eine andere Sache. Ich redete ihm wegen seiner Röcke vernünftig zu, aber ohne Erfolg. Es verhielt sich vermutlich in Wahrheit so, daß ein Mann mit einem so geringen Einkommen es sich nicht leisten konnte, gleichzeitig mit einer solch prächtigen Gesichtsfarbe und einem prächtigen Rock zu prunken. Wie Nippers einmal bemerkte, ging Turkeys Geld hauptsächlich für rote Tinte drauf. Eines Wintertags schenkte ich Turkey einen höchst respektabel aussehenden Rock aus meinem Besitz, einen wattierten grauen Rock, der sehr angenehm wärmte und sich vom Knie bis zum Hals gerade aufwärts zuknöpfen ließ. Ich dachte, Turkey würde diese Gunst zu schätzen wissen und seine nachmittägliche Tollkühnheit und Ungebärdigkeit mäßigen. Aber nein. Ich glaube wahrlich, es hatte einen schädlichen Einfluß auf ihn, daß er sich in einen so daunenweichen und wolldeckenartigen Rock knöpfen konnte – nach derselben Regel, daß zuviel Hafer den Pferden schlecht bekommt. Und genauso, wie man von einem unbändigen, störrischen Pferd sagt, daß es der Hafer sticht, konnte man von Turkey sagen, daß ihn der Rock stach. Er machte ihn unverschämt. Turkey war ein Mensch, dem Wohlstand schadete.
Obschon ich gegenüber Turkeys ungezügelten Gewohnheiten meine stillen Vermutungen hegte, war ich, was Nippers betraf, doch völlig überzeugt, daß er wenigstens, was immer für Fehler er sonst haben mochte, ein enthaltsamer junger Mann war. Jedoch schien die Natur selbst sein Weinhändler gewesen zu sein und ihn bei der Geburt mit einem derartig reizbaren Branntweincharakter ausgestattet zu haben, daß jede spätere Zecherei sich erübrigte. Wenn ich bedenke, wie Nippers, inmitten der Stille meiner Kanzlei, manchmal ungeduldig von seinem Stuhl aufstand, sich über seinen Tisch beugte, die Arme weit ausbreitete, das ganze Pult packte und es, unter grimmiger, mahlender Bewegung auf dem Fußboden, verrückte und stieß, als wäre der Tisch ein verstocktes, selbständig handelndes Wesen, das es darauf absah, ihm Schwierigkeiten und Verdruß zu bereiten, dann erkenne ich klar, daß für Nippers Brandy mit Wasser ganz und gar überflüssig war.
Es war mein Glück, daß sich wegen der besonderen Ursache, der Verdauungsstörung, die Gereiztheit und die daher rührende Nervosität von Nippers hauptsächlich vormittags bemerkbar machten, wohingegen er nachmittags verhältnismäßig milde war. Da Turkeys Anfälle immer erst gegen zwölf Uhr begannen, hatte ich daher nie mit ihren Verschrobenheiten gleichzeitig zu tun. Ihre Launen lösten einander ab wie Wachposten. Wenn Nippers’ Laune Dienst hatte, hatte Turkeys dienstfrei – und umgekehrt.
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