Ob dieses durch die emsige Wirksamkeit des verstorbenen Webers geschehen ist oder ob Ritter Spontini, nach dem Ausspruch seiner Anhänger, wie mit dem Schlag einer Zauberrute alle diese Herrlichkeit ins Leben hervorgerufen habe, wage ich sehr zu bezweifeln. Ich wage sogar zu glauben, daß die Leitung des großen Ritters auf einige Teile der Oper höchst nachteilig gewirkt habe. Aber ich behaupte durchaus, daß seit der völligen Trennung der Oper von dem Schauspiel und Spontinis unumschränkter Beherrschung derselben diese täglich mehr und mehr Schaden erleiden muß, durch die natürliche Vorliebe des großen Ritters für seine eignen großen Produkte und die Produkte verwandter oder befreundeter Genies und durch seine ebenso natürliche Abneigung gegen die Musik solcher Komponisten, deren Geist den seinigen nicht anspricht oder dem seinigen nicht huldigt oder gar – horribile dictu – mit dem seinigen wetteifert.
Ich bin zu sehr Laie im Gebiete der Tonkunst, als daß ich mein eignes Urteil über den Wert der Spontinischen Kompositionen aussprechen dürfte, und alles, was ich hier sage, sind bloß fremde Stimmen, die im Gewoge des Tagesgesprächs besonders hörbar sind.
»Spontini ist der größte aller lebenden Komponisten. Er ist ein musikalischer Michelangelo. Er hat in der Musik neue Bahnen gebrochen. Er hat ausgeführt, was Gluck nur geahnet. Er ist ein großer Mann, er ist ein Genie, er ist ein Gott!« So spricht die spontinische Partei, und die Wände der Paläste schallen wider von dem unmäßigen Lobe. – Sie müssen nämlich wissen, es ist die Noblesse, die besonders von Spontinis Musik angesprochen wird und demselben ausgezeichnete Zeichen ihrer Gunst angedeihen läßt. An diese edlen Gönner lehnt sich die wirkliche spontinische Partei, die natürlicherweise aus einer Menge Menschen besteht, die dem vornehmen und legitimen Geschmacke blindlings huldigt, aus einer Menge Enthusiasten für das Ausländische, aus einigen Komponisten, die ihre Musik gern auf die Bühne brächten, und endlich aus einer Handvoll wirklicher Verehrer.
Woraus ein Teil der Gegenpartei besteht, ist wohl leicht zu erraten. Viele sind auch dem guten Ritter gram, weil er ein Welscher ist. Andre, weil sie ihn beneiden. Wieder andre, weil seine Musik nicht deutsch ist. Aber endlich der größte Teil sieht in seiner Musik nur Pauken- und Trompetenspektakel, schallenden Bombast und gespreizte Unnatur. Hierzu kam noch der Unwille vieler – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Jetzt, mein Lieber, können Sie sich den Lärm erklären, der diesen Sommer ganz Berlin erfüllte, als Spontinis »Olympia« auf unsrer Bühne zuerst erschien. Haben Sie die Musik dieser Oper nicht in Hamm hören können? An Pauken und Posaunen war kein Mangel, so daß ein Witzling den Vorschlag machte, im Neuen Schauspielhause die Haltbarkeit der Mauern durch die Musik dieser Oper zu probieren. Ein anderer Witzling kam eben aus der brausenden »Olympia«, hörte auf der Straße den Zapfenstreich trommeln und rief, Atem schöpfend: »Endlich hört man doch sanfte Musik!« Ganz Berlin witzelte über die vielen Posaunen und über den großen Elefanten in den Prachtaufzügen dieser Oper. Die Tauben aber waren ganz entzückt von so vieler Herrlichkeit und versicherten, daß sie diese schöne dicke Musik mit den Händen fühlen konnten. Die Enthusiasten aber riefen: »Hosianna! Spontini ist selbst ein musikalischer Elefant! Er ist ein Posaunenengel!«
Kurz darauf kam Karl Maria v. Weber nach Berlin, sein »Freischütz« wurde im Neuen Theater aufgeführt und entzückte das Publikum. Jetzt hatte die antispontinische Partei einen festen Punkt, und am Abend der ersten Vorstellung seiner Oper wurde Weber aufs herrlichste gefeiert. In einem recht schönen Gedichte, das den Doktor Förster zum Verfasser hatte, hieß es vom »Freischützen«, »er jage nach edlerm Wilde als nach Elefanten«. Weber ließ sich über diesen Ausdruck den andern Tag im »Intelligenzblatte« sehr kläglich vernehmen und kajolierte Spontini und blamierte den armen Förster, der es doch so gut gemeint hatte. Weber hegte damals die Hoffnung, hier bei der Oper angestellt zu werden, und würde sich nicht so unmäßig bescheiden gebärdet haben, wenn ihm schon damals alle Hoffnung des Hierbleibens abgeschnitten gewesen wäre. Weber verließ uns nach der dritten Vorstellung seiner Oper, reiste nach Dresden zurück, erhielt dort einen glänzenden Ruf nach Kassel, wies ihn zurück, dirigierte wieder vor wie nach die Dresdner Oper, wird dort einem guten General ohne Soldaten verglichen und ist jetzt nach Wien gereist, wo eine neue komische Oper von ihm gegeben werden soll. – Über den Wert des Textes und der Musik des »Freischützen« verweise ich Sie auf die große Rezension desselben vom Professor Gubitz im »Gesellschafter«. Dieser geistreiche und scharfsinnige Kritiker hat das Verdienst, daß er der erste war, der die romantischen Schönheiten dieser Oper ausführlich entwickelte und ihre großen Triumphe am bestimmtesten voraussagte.
Webers Äußere ist nicht sehr ansprechend. Kleine Statur, ein schlechtes Untergestell und ein langes Gesicht ohne sonderlich angenehme Züge. Aber auf diesem Gesichte liegt ganz verbreitet der sinnige Ernst, die bestimmte Sicherheit und das ruhige Wollen, das uns so bedeutsam anzieht in den Gesichtern altdeutscher Meister. Wie kontrastiert dagegen das Äußere Spontinis! Die hohe Gestalt, das tiefliegende dunkle Flammenauge, die pechschwarzen Locken, von welchen die gefurchte Stirne zur Hälfte bedeckt wird, der halb wehmütige, halb stolze Zug um die Lippen, die brütende Wildheit dieses gelblichen Gesichtes, worin alle Leidenschaften getobt haben und noch toben, der ganze Kopf, der einem Kalabresen zu gehören scheint und der dennoch schön und edel genannt werden muß: – alles läßt uns gleich den Mann erkennen, aus dessen Geiste die »Vestalin«, »Cortez« und »Olympia« hervorgingen.
Von den hiesigen Komponisten erwähne ich gleich nach Spontini unsern Bernhard Klein, der sich schon längst durch einige schöne Kompositionen rühmlichst bekannt gemacht hat und dessen große Oper »Dido« vom ganzen Publikum mit Sehnsucht erwartet wird. Diese Oper soll, nach dem Ausspruche aller Kenner, denen der Komponist einiges daraus mitteilte, die wunderbarsten Schönheiten enthalten und ein geniales deutsches Nationalwerk sein.
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