Denn, wenn Dich bess're Gründe überzeugen, daß ein Werk, das Du die Macht zu thun hast, Dich späterhin gereuen werde, so laß es liegen und beginn' es nicht. Recht haben die, so Jedermann verbieten, eine Sache zu unternehmen, wenn es in Zweifel steht, ob ausführbar dieselbe ist, ob nicht. Und wenn Ihr Euren Rath alsdann geprüft habt, wie ich vorhin gezeigt, und wohl wißt, daß Ihr im Stande seid, das Unternehmen durchzuführen, dann nehmt es ernstlich, bis das Ziel erreicht ist.
Nun ist es Grund und Zeit, daß ich Euch zeige, wann und weßwegen Ihr ohne Tadel Euern Entschluß verändern könnt. Gewiß, man darf die Absicht und den Rath dann ändern, sobald der Grund dazu hinwegfällt und sobald ein neuer Grund dafür sich weist. Denn das Gesetz besagt: Für Sachen, welche neu entstanden sind, geziemt sich neuer Rath. Es sagt auch Seneka: Wenn Dein Entschluß zu Deiner Feinde Ohren kommt, so ändre Deinen Rath. Und Deine Ansicht magst Du dann auch wechseln, wenn Du gefunden hast, daß – sei's durch Irrthum oder andre Gründe – Schaden und Harm Dir daraus kommen kann. Auch in dem Falle, daß Dein Beschluß und seine Gründe nicht ehrenwerther Art sind, ändre Deinen Rath; denn die Gesetze sagen: Im Fall ein Vorhaben ehrlos, desgleichen unausführbar sei, daß es gehalten und vollbracht nicht könne werden, so habe es auch keinen Werth. Und dies nimm für die allgemeine Regel: Jeder Beschluß, der also stark befestigt worden ist, daß er aus keinem Grund – was auch geschehen möge; – sich wieder ändern läßt, solch ein Beschluß – ich sage es – ist schlecht.«
Als dieser Melibeus nun die Lehren von seiner Frau Prudentia vernommen hatte, gab er in dieser Weise Antwort: »Frau!« – hub er an – »Ihr habt mich bis zu dieser Zeit im Allgemeinen wohl und passend unterrichtet, wie bei der Wahl und bei dem Ausschluß meiner Räthe ich handeln soll; nun aber möcht' ich gern, daß Ihr geneigtet, mir insbesondre noch zu sagen, was Euch bedünkt und was Ihr von den Räthen haltet, die wir in unsrer gegenwärt'gen Lage wählten«. »Mein Herr!« – sprach sie – »ich bitte Euch in aller Demuth, daß Ihr nicht hartnäckig Euch gegen meine Gründe auflehnt und Euch nicht mißvergnügt im Herzen macht, selbst wenn ich sagte, was Euch nicht gefiele. Gott weiß, nach meiner Absicht sprech' ich nur zu Eurem Besten, zu Eurer Ehre, Eurem Nutzen und daher hoffe ich auch fest, daß Eure Güte in Geduld es aufzunehmen wissen werde. Und darin traut mir« – sprach sie – »daß in diesem Falle Ihr den gepflognen Rath nicht eigentlich Berathung nennen könnt, vielmehr nur einen Vorschlag und Beschluß der Thorheit, wobei in mancher Weise Ihr geirrt habt. Zunächst und fernerhin habt Ihr geirrt in der Berufung Eurer Rathgeber, da Ihr zuerst nur wenig Leute zu Euerer Berathung hättet wählen sollen, um späterhin, im Fall es nöthig war, an mehrere die Sache kund zu thun. Doch sicher ist, Ihr rieft in Euren Rath urplötzlich eine Menge Volks, sehr lästig und verdrießlich anzuhören. Daher habt Ihr geirrt; denn da, wo Ihr zu Eurem Rath nur Eure treuen, alten, weisen Freunde laden solltet, habt Ihr fremdes, junges Volk herbeigerufen, nebst falschen Schmeichlern, ausgesöhnten Feinden und Leuten, die Euch Ehrfurcht zollen, doch nicht lieben. Und auch darin habt Ihr geirrt, daß Ihr zu der Berathung Zorn, Neid und Uebereilung mitgebracht habt, die alle dreie einem nützlichen und ehrenhaften Rath zuwiderlaufen, und weder Ihr noch Eure Räthe habt, wie Ihr solltet, diese dreie ausgerottet und zerstört. Und dann habt Ihr geirrt, daß Euren Räthen Ihr Eure Lust und Neigung offenbart habt, gleich Krieg zu führen und Euch gleich zu rächen; und da aus Euren Worten sie erspäht, auf welche Seite ihr Euch neigtet, so riethen sie Euch mehr nach Eurer Neigung und weniger zu Eurem Nutzen. Ihr irrtet auch, dieweil es scheint, daß Euch genügend war, Euch nur von diesen Räthen Rath zu holen und das mit wenig Vorsicht; wogegen in so ernster, schwerer Frage wohl mehre Rathgeber und weitre Ueberlegung nöthig waren, um Euer Unternehmen auszuführen.
Ihr irrtet auch, denn Ihr habt Euren Rath nicht in der Art und in der vorbesagten Weise geprüft, wie es für diese Sache sich gebührt. Ihr irrtet auch, dieweil Ihr zwischen Euren Räthen nicht einen Unterschied gemacht habt; das heißt: nicht zwischen treuen Freunden und Euren Räthen voll Verstellungskunst. Ihr kanntet nicht die Meinung Eurer treuen Freunde, welche alt und weise sind; in einen Mischmasch warft Ihr alle Worte und schenktet Euer Herz der Mehrzahl und der stärkeren Partei, und stimmtet dieser zu. Und sintemal Ihr wißt, daß man beständig eine größre Zahl von Thoren als von Weisen findet und daß man bei Berathungen mit Schaaren und mit Massen Volks weit eher auf die Zahl als auf die Weisheit der Personen achtet, so seht Ihr wohl, daß stets die Thoren in solchen Rathsversammlungen die Oberhand behalten.«
Und Melibeus antwortete und sprach: »Wohl will ich eingestehn, daß ich geirrt. Doch da Du vorhin mir erzählt hast, daß der nicht tadelnswerth ist, welcher den Entschluß aus guten Gründen in gewissen Fällen wechselt, bin ich bereit, nach Deinem Rathe auch meinen abzuändern. Das Sprüchwort sagt: zu sündigen ist menschlich; doch lange in der Sünde zu beharren, ist wohl ein Werk des Teufels sicherlich.«
Auf dieses Wort entgegnete die Frau Prudentia und sprach: »Nun untersuchet Euren Rath genau, und laßt uns sehn, wer am vernünftigsten gesprochen hat und wer die beste Lehre uns gegeben? Und insoweit die Prüfung nöthig ist, laßt mit den Aerzten und Doctoren uns beginnen, die in der Angelegenheit zuerst gesprochen haben. Ich sage, daß die Aerzte und Doctoren Euch so verständig Rath ertheilten, wie sie sollten; auch haben sie in ihrer Rede weislich gesagt, daß es zu ihrem Berufe gehöre, Jedem Ehre und Nutzen zu schaffen, Niemanden zu kränken und nach ihrer Kunst sich zu befleißen, diejenigen zu heilen, so in ihrer Obhut stehn. Und, Herr, wie sie Dir weislich und verständig Antwort gaben, so sage ich nicht minder, daß sie auch hoch und königlich für ihre edle Rede belohnt werden sollten, auch aus dem Grunde, daß sie um so mehr Aufmerksamkeit und Thätigkeit zur Heilung Eurer lieben Tochter aufwenden mögen. Denn obschon sie Eure Freunde sind, solltet Ihr es nicht leiden, daß sie Euch umsonst dienen, sondern Ihr solltet sie um so mehr belohnen und ihnen Eure Großmuth zeigen. Und was die Meinung anbelangt, die von den Aerzten in diesem Fall geäußert wurde; nämlich, daß man in Krankheitsfällen den Gegensatz durch Gegensatz verbannt, so möchte ich gern wissen, wie Ihr den Text versteht und was Ihr von ihm denkt.«
»Nun,« – sagte Melibeus – »ich habe es in dieser Art verstanden, daß grade wie sie mir ein Leides zugefügt, ich sie mit einem andern treffen sollte, und wie sie sich an mir gerächt und mich beleidigt haben, so soll auch ich mich rächen und ihnen Schaden thun; dann heile ich ein Leiden durch das andre.«
»Schau! schau!« – rief Frau Prudentia – »wie leicht ist Jedermann bereit, nach eigner Lust und Neigung zu verfahren.
Gewiß in dieser Art darf nicht der Aerzte Wort verstanden werden. Denn Schlechtigkeit ist nicht der Gegensatz von Schlechtigkeit, Gewalt nicht von Gewalt und Unrecht nicht von Unrecht; sie sind vielmehr nur Aehnlichkeiten; deßhalb wird eine Gewaltthat nicht durch eine andere verbannt, ein Unrecht durch ein zweites Unrecht nicht, denn jedes dieses verschlimmert und vermehrt das andere nur. Nein, sicherlich, der Aerzte Wort muß dieser Art verstanden werden: das Gute und das Ueble sind zwei Gegensätze, der Krieg und Frieden sind es, Rache ist's und Dulden, Eintracht und Zwietracht, sowie vieles Andre. Und diesen stimmt St.
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