Vireno.

 

Du köntest mir fürwahr nicht besser Zeitung bringen

Als daß Lysander nah' / jhr Himmel lasts gelingen

Daß ich jhn heute noch in meinen Armen seh:[45]

VIRENO.

Ich wüntsche daß es bald vnd glücklich auch gescheh.

OLYMPIA.

Ich weiß kein grösser Glück in dieser Welt zu hoffen /

Als seine Gegenwart. Mein Hertze steht ihm offen

Nicht nur sein eigen Hauß.

VIRENO.

Es ist mein höchste Lust:

Daß die so laue Lieb hab endlich deine Brust

Mit wahrer Flamm entsteckt / was hat er nicht gelidten:

Als du vor jener Zeit durchauß nicht zu erbitten.

Wie ging er dir so steiff / so unverdrossen nach /

Vnd duldet allen Hohn; das rauschen stiller Bach

Vnd sein liebreiches Wort war eins in deinen Ohren /

Du hättest nur vor jhn / holdselig seyn / verloren:

Nun hat die Liebe dir / die du bißher bekriegt

Doch durch Lysanders Trew zum letzten obgesiegt.

OLYMPIA.

Mein Bruder ich gesteh' es hat mir nie behaget /

Was er bey stiller Nacht durch meine Magd gewaget /

Daß ein beschlossen Hauß er durch sein Geld erbrach

Vnd als Verräther drang in keusche Schlafgemach.

Was kam es mich zu stehn! was Eltern vnd Verwandten;

Ich ward der Zungen Spiel: Vnd die mein Hertz erkanten

Die zogen doch mein Ehr' in Argwon vnd Verdacht!

VIRENO.

Wahr ists! er hats mit vns mehr denn zu grob gemacht!

OLYMPIA.

Ach keiner lasse sich so weit den Wahn bethören

Vnd such' ein rein Gemüt durch Tücke zu entehren!

Wer List / Betrug vnd Macht zu Heuraths-Stifftern braucht;

Fängt gar zu übel an. Weil noch die Fackel raucht

Die man der Braut ansteckt: Raucht schon Haß / Eifer / Rache /

Vnd ewig-heisser Grimm / vnd macht die Sinnen wache

Durch rasend' Vngeduld. Die sich verkauffen läst

Vnd ruhig sich verspielt / muß warlich nicht zu fest

Auff jhrer Ehre stehn. Er dachte mich zu fangen:

Vnd hatte leider sich zum ärgsten hintergangen.[46]

Ich ward zuletzt auß Noth jhm auff sein Wort versagt:

Ich / der Cardenio, nicht sein Betrug behagt.

Hilff Gott! wie schlug mein Hertz: Wenn ich jhn must' anschauen

Denn wolte mir vor jhm biß auff das brechen grauen!

Sein Wort war mir im Ohr ein harter Donnerschlag

Ich wüntschte meinen Tod vor seinem Heuraths-Tag.

Er sah' (ob wol zu spät.) wie hoch er sich vergessen:

Vnd hub sein Vnglück an mit meinem auszumessen /

Jedoch entschloß er sich zur Busse seine Schuld;

Olympens Vbermut zu lindern durch Geduld.

Vnd diese brach mein Hertz; auch fiel ich in Gedancken

Cardenio wär hin! so trat ich in die Schrancken

Zwar noch nicht grosser Gunst / die täglich stärcker blüht /

Indem Lysander mir zu fugen sich bemüht /

Vnd wieder Liebe spürt. Wir wurden drauff verbunden

Durch Pristerlichen Spruch. Ich habe diß befunden

Daß Lieb unendlich sich in keuscher Eh vermehr;

Vnd wenn sie richtig / nie nach frembdem ruffen hör.

VIRENO.

Doch als Cardenio auffs new' allhier ankommen;

Vnd du sein alte Trew vnd Vnschuld recht vernommen /

Ward nicht dein Geist bestürtzt.

OLYMPIA.

Bestürtzt; doch nicht bewegt!

Ich habe Stand / Geschlecht vnd Zusag überlegt:

Ich schloß für Gottes Rath die stoltzen Knie zu neigen:

Der mir Lysandern ließ zum Eh'-Geferten zeigen.

Vnd ob Cardenio sich vnaußsprechlich müht /

Doch war sein Fleiß vmbsonst / wie man vor Augen siht.

VIRENO.

So ist Cardenio denn gantz auß deinem Hertzen!

OLYMPIA.

Lysander hat mein Hertz: Diß red ich / (vnd mit Schmertzen;)

Cardenio hat frey was höher mich geschätzt:[47]

Ja vor mich Ehr vnd Ruhm vnd Leben auffgesetzt /

Sein Geist war meine Seel: Ich wüntscht ohn jhn zu sterben:

Ich wüntscht jhn nur allein vor alles Gut zu erben!

Was aber! ich verspür es sey deß Himmels Schluß

Gar anders auffgesetzt / verzeih es mir / ich muß

Entdecken was ich glaub'. Vnendlich hohe Sinnen

Begehren offt allhier den Vorsatz zu gewinnen

Den jhr Verlangen sucht. Sie wagen Schweiß vnd Fleiß /

Es fällt jhn alles zu / doch wenn der letzte Preiß

Ihn gleichsam in der Faust; so muß es gleichwol müssen /

Vnd als in grosser Hitz ein kaltes Eiß zuflissen.

Warumb? Deß Höchsten Aug' in seinem Himmel siht

Wie hart ein sterblich Mensch vmb seinen Fall bemüht;

Wie theuer es sein' Angst / ja sein Verterben kauffe;

Wie blind es in den Pful deß tiefsten Abgrunds lauffe;

Vnd hält mitleidend vns in diesem Wahnwitz an /

Nimmt was vns schaden mag. Gibt was vns nützen kan.

Was hier vnd dar zu sehn; blickt auch in Heuraths-Sachen!

Zwey Seelen können ja hier ein Verbündnüß machen;

Gott bindet oder trennt! was dem zu wider geht

Geht auffs verterben auß / was durch jhn kommt / besteht.

Wenn mit Cardenio mir nützlich stets zu leben;

Er hatte warlich mir Lysandern nicht gegeben.

Ist jener vielleicht mehr mit Gaben außgeziert;

Ich bin mit dem vergnügt was einig mir gebührt.

Wehlt mich Cardenio? Gott hat vor mich gewehlet:

Ich traure daß vmb mich Cardenio sich quälet:

Mich wundert daß nunmehr sein scharffer Geist nicht seh'

Daß auff deß Herren Welt / nichts ohngefehr gescheh' /

Daß der Olympien zur Eh' ihm abgeschlagen;

Vielleicht was höhers jhm entschlossen anzutragen.

Ich klage daß er sich nicht besser nem' in acht:[48]

Vnd daß er seinen Ruhm auß Wehmut durchgebracht.

Sein Zagen! (wie ich weiß) bringt jhn auff solche Sachen

Die Ehre / Stand / Verstand vnd Lob zu nichte machen!

Der kürtzt sein Leben ab vor dem gesetzten Ziel

Der schwartze Molchen-Gifft vor Artzney brauchen wil.

VIRENO.

Man sagt; er rüste sich auß dieser Stadt zu scheiden /

OLYMPIA.

Er wil Gelegenheit / vielleicht / zum bösen meyden.

VIRENO.

Wer weiß wohin sein Sinn jhn etwa wieder führt.

OLYMPIA.

Wer weiß ob nicht den Sinn die erste Tugend rührt.

VIRENO.

Lysander wird gewiß den grimm'sten Feind verlieren.

OLYMPIA.

Mehr ich / die dadurch frey von seinem steten spüren.

VIRENO.

Der Keuschheit wird vmbsonst gespüret vnd gestellt.

OLYMPIA.

Die leicht doch in den Mund deß blinden Pövels fällt.

VIRENO.

Deß Pövels toller Mund wird nicht was keusch entehren;

OLYMPIA.

Man soll den Pövel nichts von keuschen Reden hören.

VIRENO.

Sein Hinzug führt mit ihm sein Lieb' vnd Leben hin.

OLYMPIA.

Ich schätzt es / wenn er schon verreiset / für Gewinn.

VIRENO.

In zwey drey Tagen wirst du deß Gewins genissen;

OLYMPIA.

Man kan ein grosses offt im Augenblicke missen.

VIRENO.

Was missen? Wenn der Feind das Lager schon verläst?

OLYMPIA.

Wenn der Cornet erblast; entsteckt er Gifft vnd Pest.[49]

Mein Bruder laß so viel dich meine Furcht bewegen

Gib etwas auff jhn acht / sein Haß kan leicht sich regen /

Indem Lysander sich gleich jetzt anheim begiebt

Vnd er von hinnen wil.

VIRENO.

Wol! wie es dir beliebt!

 

Olympe.

 

Cardenio von hier?

Der mit Lysanders Blut vor mir zu prangen draute?

Lysander kommt zu mir?

Den wider meinen Wuntsch der Himmel mir vertraute!

Cardenio zeuch hin!

Vergiß Olympiens, vergiß der heissen Rache!

Nim mit dir zum Gewin:

Du habest schlimmer Glück / doch wolgerechter Sache.

Cardenio zeuch fort;

Du mussest anderswo weit angenehmer leben;

Nur gönne mir den Port

Den nach dem rauen Sturm die Liebe mir gegeben.

Dein Hinzug rette mich /

Auß der so schweren Furcht in die du mich gestecket!

Dein Hinzug saubre dich

Von überhäuffter Schuld damit du dich beflecket.

Dein könt ich doch nicht seyn!

Weil das Verhängnüß mich Lysandern zu erkennet;

Dem laß mich nur allein:

Vnd glaube daß vns Gott / doch nicht vmbsonst getrennet.

Lysander komm. Ich lebe nur in dir!

Komm vnd verkürtze mein so schmertzliches Verlangen;

Lysander komm vnd lebe stets in mir

Die du von Furcht befreyt wirst recht erfreu't vmbfangen.

 

[50] Cardenio.

Der Schaw-Platz ist Cardenii Gemach.

Cardenio zündet ein Feuer an / vnd verbrennet etliche Briefe vnd Liebes-Geschencke.

 

Ich bin nicht ferner dein! die Ketten sind gebrochen!

Dein Zorn / mein Eifer hat mich von dir loß gesprochen!

Die Flamme zehr es auff was ich je von dir trug /

Als ich vor dich mich selbst blind in die Schantze schlug!

Brennt hitzige Papir! voll Seelen / Sinnen / Hertzen /

Voll Seuffzer / Küsse / Gunst; jhr Zunder meiner Schmertzen!

Die offt wir beyderseits mit Threnen gantz durchnetzt

Als vns der blinde Wahn zu hoffen hat verletzt!

Brenn' eitel Pergament mit falschem Blut beschrieben!

Die liebt weit ander jetzt die mich wolt ewig lieben!

Weg du beperltes Haar! du Strick der mich gefast

Den die geflochten hat die mit gehäuffter Last /

Mein dienend Hertz geprest! wie fest jhr Haar gewunden:

So fest war ich vorhin / doch nun nicht mehr / gebunden!

Weg vor mein höchster Schatz / nun ein zurissen Band

Weg du nicht reines Gold! du Ring von meiner Hand!

Dein Bildniß ist noch hier! ach soll es denn verbrennen!

Wie anders! werd ich dich denn ewig nicht erkennen?

Was hilffts? Ach must du denn / du gar zu wahrer Schein

Von meiner Seelen Sonn' vergehn vnd Aschen seyn!

Nein! daß zum minsten noch mir diß zum Denckmal bleibe!

Daß höchste Grausamkeit wohn in dem schönsten Leibe!

Was thu' ich? Steht sie mir nicht täglich im Gesicht

Weil etwas in mir lebt? Diß Bild erstürbet nicht

Das sie mir in die Seel' auff ewig eingedrücket

Als meine Freyheit ward schnell durch jhr Garn berücket.

Könt jhr Gedächtnüß nur so leicht seyn außgethan[51]

Als diß Gemälde brennt: Ich schifft in festem Kahn

Weg alles was mich hilt! wie schnell ist es verschwunden!

Was hatt mich Thörichten? Was hilt mich doch gebunden?

Die leichte Handvoll Asch! der Rauch! der schwartze Dunst!

Vnd nur mein eigen Wahn vnd jetzt verfluchte Brunst!

 

Reyen.

Die Zeit / der Mensch / die Vier Theil deß Jahres / in Gestalt der Vier Zeiten Menschlichen Alters / welche schweigend eingeführet werden.

 

ZEIT.

Mensch / diß ist deß Himmels Schluß /

Dem was sterblich folgen muß /

Daß du sonder Mitgefertin nicht dein Leben sollst vollbringen

Viere wird man dir vorstellen: Möchte dir die Wahl gelingen.

Wer sich hier nicht nimmt in acht

Wer sein Glück einmal versiht

Ist vmb das was er verlacht

Für vnd für vmbsonst bemüht.

 

Der Frühling wird von der Zeit auffgeführet.

 

MENSCH.

Du wunder-schönes Bild / du Himmel-hohe Zir!

Kommst du auff Erden mich zu grüssen?

Ach! möcht ich stets mich vmb dich wissen!

Die Schönheit selbst ist blöd vnd vngestalt vor dir.

Was sind die Liljen noth? Worzu der Rosen Pracht?

Dein Rosen-frisches Angesichte

Macht aller Blumen Schmuck zu nichte /

So gläntzt das Morgen-roth / wenn es den Tag anlacht.[52]

Ihr zarten Glieder jhr / jhr Gold-geferbten Haar

Seyd starck mein Hertze zu bestricken.

Das über euch / als im entzücken

Nicht fühlt worinn es schweb' in Lust ob in Gefahr

Wie hurtig ist der Gang! wie artig steht das Kleid

Doch kan der Himmel höher Gaben;

Den übrigen verliehen haben.

Das erst' ist nicht das best / stracks schlissen schafft offt Leid.

REYEN.

Wer sich hier nicht nimmt in acht / etc.

 

Die Zeit führet den Frühling ab / vnd den Sommer ein.

 

MENSCH.

Ich dacht es wol vorhin! die sich jetzt zu mir macht

Gibt kaum der ersten nach.

Wie schmückt der ihren Krantz der schwartzen Haare Tracht!

Die Perlen tausendfach

Als Sternen vnsre Nacht entzünden

Wenn nun Diane soll verschwinden.

 

Ob schon der Sonnen Glantz die lichten Wangen färbt

Spielt doch der Glieder Schne

Der auß der Mutter Leib / von Schmincke nichts geerbt /

Als wenn von Taurus Höh'

Die überdeckte Klippen malen

Mit Wider-Glantz der Wolcken pralen.

 

Die Sichel in der Faust / der Arm schier gantz entblöst /

Gibt warlich zu verstehn /

Daß sie nicht ruhen kan vnd Faulheit von sich stöst.

Zwar / last sie auch hingehn!

Schön ist sie. Doch mir was zu strenge

Ich leide Mangel bey der Menge.

REYEN.

Wer sich hier / etc.

 

[53] Die Zeit führet den Herbst ein.

 

MENSCH.

Noch ist biß hieher nichts verloren /

Trit nicht deß Reichthums Göttin auff?

So prächtig als zu jhrem Lauff

Dafern Matuta new-geboren

Die Stralen-volle Sonn erwacht

Vnd die erquickte Welt anlacht.

 

Hier pralt was Osten je gewehret;

Was Peru auß der Klippen Nacht

Hat in den lieben Tag gebracht /

Vnd Amfitrit' jemals bescheret /

Deß Hauptes welcken Blatter-Krantz

Ersetzt der Diamante Glantz.

 

Mein Aug erstarrt ob diesem Lichte:

Wie treffen mit dem Widerschein

Der schütternden Rubinen ein

Die in dem Schoß gehäuften Früchte?

Von jhrem Haupt / biß auff den Fuß /

Ist nichts denn Pracht vnd Vberfluß.

 

Doch sind die Wangen fast erblichen:

Der vorhin weissen Glieder Schne

Wird gelblicht / der Corallen Höh'

Ist von den Lippen schier gewichen.

Sie ists nicht die mein Hertz ergetzt!

Das Beste kommt wol auff die letzt.

REYEN.

Wer sich hier / etc.

 

[54] Die Zeit führet den Winter ein.

 

MENSCH.

Weh mir! was seh ich hier! ist diß mein gantz verlangen

O häßlich Frauen-Bild! was ist die Fackel noth!

Bist du mir in mein Grab zu leuchten vorgegangen!

O lebend Sichen-Hauß / O Muster von dem Tod.

Weh mir! was find ich hier! ist diß mein langes wehlen?

Wie schlägt mein hoffen auß! O möcht' ich nun zurück

Soll' ich mich für vnd für mit diesem Scheusal quälen

O allzu späte Rew' / O höchst-verschertztes Glück.

 

Zeit.

 

Die ists / die du haben must /

Weil der andern dreyen keine

Würdig deiner wilden Lust /

Zage / schrey / lach / oder weine /

Da die frische Jugend nicht /

Nicht der vollen Jahre Blum /

Nicht ein blödes Angesicht /

Tüchtig dir zum Eigenthum

So nim / wofern du nicht wilst gantz verloren seyn /

Was noch das Alter läst / statt aller Gütter ein.

 

Reyen.

 

Kein höher Schatz ist in der grossen Welt

Als nur die Zeit / wer die nach Würden hält

Wer die recht braucht / trotzt Tod vnd Noth / vnd Neid

Vnd baut jhm selbst den Thron der Ewigkeit.[55]

 

Die Vierdte Abhandelung.

Cardenio. Ein Gespenst in Gestalt Olympiens.

Der Schaw-Platz ist vmb Lysanders Hauß.

 

Die vorhin mehr denn angenehme Zeit

Der stillen Nacht entsteckt der hellen Lichter Reyen!

Vnd meine nimmer todte Traurigkeit

Erwacht / vnd reitzt mich an mich endlich zu befreyen.

Ihr Fackeln die jhr in den Wolcken brennt!

Die jhr vor diesem mir zu meiner Lust geschienen!

Als ich in toller Liebe mich verkennt /

Seyd nun bereit zur Rache mir zu dienen!

Wo jrr ich hin! wie vorhin mich die Lust

Durch Finsternüß hieß als zur Wache gehen /

So zwingt der Durst der heiß entbrandten Brust /

Lysander, mich nach deinem Blutt' zu stehen.

Wo bleibt mein Feind so spät? Die Häuser sind geschlossen.

Die Gassen sonder Volck / die Sternen fortgeschossen:

Diane bringt hervor ihr abgenommen Licht

Vnd schielt den Erdkreiß an mit halbem Angesicht.

Man hört von weitem nur die wachen-Hunde heulen /

Vnd einsames Geschrey der vngeparten Eulen!

Die Fenster stehn entseelt von jhrer Kertzen Schein

Der Schlaff spricht allen zu vnd wigt die Augen ein /

Nur meine Rache nicht! was seh' ich? Ists zu glauben!

Wie? Oder mag ein Traum mich der Vernunfft berauben?

Daß man Olympens Thür bey hoher Mitternacht /

Eh' jemand klopfft so frey vnd sonder Sorg' auffmacht

Wie? Ein verschleirtes Bild vnd zwar so gantz alleine

Nicht Diener! Fackel! Weib! vnd gleichwol nach dem Scheine

Nicht so geringer Art. Ich muß mich vnterstehn

Zu forschen wer sie sey vnd auff sie zu zu gehn.

Holdseligste / wie ists schaut man so schöne Sonnen

Bey trüber Mitternacht? Diane gibts gewonnen[56]

Vnd deckt mit einer Wolck jhr schamroth Angesicht /

Die Sternen sind erblast ob jhrer Augen Licht.

OLYMPIA.

Mein Herr verzeih' / ich weiß wie wahr so thanes Schertzen /

CARDENIO.

Wie? Glaubt sie / daß mein Wort nicht komm' auß wahrem Hertzen!

OLYMPIA.

Mein Herr siht Sonnen hier vnd gleichwol seh' ich Nacht /

CARDENIO.

Die Sonne siht sich nicht die alle sehend macht.

OLYMPIA.

Mein trüber Schein bezeugt wie nah' ich Sonnen gleiche!

CARDENIO.

Vnd jhr Verstand thut dar daß jhr die Sonne weiche.

OLYMPIA.

Genung mein Herr ich geh!

CARDENIO.

Wohin so spät? allein?

OLYMPIA.

Die Tugend mit sich führt wird nicht alleine seyn.

CARDENIO.

Welch Vnfall zwinget sie bey Nacht sich so zu wagen?

OLYMPIA.

Kein Vnfall / Gunst vielmehr: Solt ich die Warheit sagen.

CARDENIO.

In Warheit grosse Gunst / wol dem / dem sie geschieht /

OLYMPIA.

Mir vnd Olympien! die mit mir aufgeblüht:

CARDENIO.

Mich daucht ich sahe sie auß jhrem Hause treten.

OLYMPIA.

Sie hat den Abend mich zur Malzeit eingebeten.

CARDENIO.

Vnd schlägt jhr Herberg' ab in dem so weiten Hauß?

OLYMPIA.

Mein Herr / wenn lieber kommt / denn hat wer lieb' war auß:

CARDENIO.

Wen mag bey tiffer Nacht Olympe noch erbeiten?

OLYMPIA.

Ihr Eh-Schatz wird gewiß vor Morgen noch einreiten.[57]

CARDENIO.

Wie daß Olympe sie nicht heim begleiten ließ?

OLYMPIA.

Mein Herr ich bin bekand vnd meines Wegs gewiß.

CARDENIO.

Vnd gleichwol hab ich nicht die Ehre sie zu kennen!

OLYMPIA.

Vielleicht doch wol gehört offt meinen Namen nennen.

CARDENIO.

Sie gönne mir / daß ich sie den begleiten mag!

OLYMPIA.

Gar wol: Doch mir ist Nacht so sicher als der Tag.

CARDENIO.

Ich wolte diese Nacht dem Tage weit vorziehen

Wenn sie O schönstes Licht / nicht wolte von mir fliehen!

Wo lencken wir vns hin! nun sich die Gasse theilt

Mein Engel! wie so still! hab etwan ich gefeilt

Daß sie den süssen Mund durchauß vor mir wil schlissen!

Sie melde nur die Schuld ich wil den Frevel büssen

Sie sprech' ein Vrtheil auß; was mag der Vrsprung seyn!

Ist meine Gegenwart die Vrsach jhrer Pein?

Sie melde was sie kränckt / ich wil / wo es zu glauben /

Mich dieser süssen Lust nur jhr zur Lust berauben!

Holdseligste! kein Wort! sie räche sich an mir

Hier ist der scharffe Stahl! die blosse Brust ist hier.

Dafern ich was verwirckt das ihr so sehr entgegen!

Druckt sie ein ander Schmertz? Kan etwa mein Vermögen

Zu jhren Diensten seyn! kein Vnheil ist zu groß:

Sie gebe sich / vnd nur mit einem Seuffzer bloß!

Begleit ich sie zu fern? Sie wil kein Wort verlieren!

Ich kan nur mehr denn wol / O grause Schönste! spüren /

Daß ich / in dem ich jhr wil dienen / sie beschwer.

Ich geh denn / sie verzeih! mich trägt mein Weg die quer.

Auch fordert mich von hier ein nöthiger Geschäffte!

OLYMPIA.

Brich Jammer-schwangres Hertz! brecht jhr erstarrten Kräffte.

Brich meiner Lippen Schloß! wie? oder ists ein Wahn!

Hab ich in solcher Angst die beste Zeit verthan?[58]

Ich / die du falscher Mensch nicht wilst / nicht kanst mehr kennen!

Soll ich Cardenio dir meinen Nahmen nennen!

Erzitter vnd erschrick! Olympen hast du hir!

Die bey geheimer Nacht nur winselt über dir /

Weil sie den Tag nicht darff! hab ich mich raw gestellet

So offt du vnbedacht dich zu mir hast gesellet!

Hieß ich dich hitzig gehn; diß fordert Ehr vnd Glimpff

Jagt dich ein ernstes Wort vnd ein falsch-zornig Schimpff?

Heist diß beständig seyn! auff ewig sich verschweren!

Bist du so meiner Gunst / so indenck meiner Zehren?

So indenck meiner Glut! daß auch der Namen nicht

Dir in die Sinnen kommt: Ob schon dir im Gesicht'

Olympe lebend steht! ob die vor süssen Worte!

Schon streichen in dein Ohr! ob sie schon auß dem Orte

Hervor trit / den du mehr; mehr denn zu viel besucht!

Vnd fragst du wer sie sey! vnd machst dich auff die Flucht.

Indem sie vmb dich zagt! fragst du wohin ich eile?

Bey vngeheurer Nacht! warumb ich nicht verweile

In dem verhasten Bett'? Es ist nicht fern von hier

Ein Garten: Angenehm nicht wegen seiner Zier

Vnd Blumen-reicher Pracht vnd wolgesetzten Heyne.

Ach nein / ich liebe mehr alldar die rauen Steine:

Die man an dessen Seit auß tieffen Hölen bricht!

In welchen Echo sitzt vnd jeder Wort nachspricht /

Daß ich vor weinen offt verschluck vnd in mich fresse /

Ich / die / Cardenio, dein ewig nicht vergesse /

Dein! / dem Olympe Tod! mit welcher in dir starb /

Was vnvergleichlich Ehr' vnd Ansehn dir erwarb.

Dein / den die tolle Brunst verknüpfft hat mit Celinden:

Dem Fräulin sonder Zucht / dem Zunder ärgster Sünden!

Dem Vrsprung deiner Noth! der Quälle meiner Pein /

Vnd die Cardenio, dein Vntergang wird seyn![59]

CARDENIO.

O Schönste! daß sie mich erstarrend vor jhr schauet /

Mich / welchem vor sich selbst vnd seiner Vnthat grauet /

Daß ich so lang' erstumm't; entsteht auß meiner Rew

Die keine Worte findt / Krafft welcher jhre Trew;

Die übertreue Trew / von mir recht außzustreichen!

Olympe! welche Glut wird jhrer Flamme gleichen!

Sie führe mich von hier! die dunckel Einsamkeit

Vorhin durch jhr Gewein / bethrenet vnd beschreyt /

Soll numehr Zeuge seyn (ich haß! ich flieh Celinden!)

Daß sie Olympe nur / nur mächtig mich zu binden!

Ich wandel als entzuckt! mir ist ich weiß nicht wie:

Sie zeige mir den Ort in dem ich auff dem Knie

(Ihr O mein Licht) gesteh / mein überhäufft Verbrechen!

Sie selbst / Olympe sie / sie mag ein Vrtheil sprechen

Das strengste das sie weiß / sie glaube daß ich frey

Vnd hurtig vnd behertzt es auß zu führen sey.

 

Lysander, zwey Diener / vnd die wahre Olympia.

 

Entzäumt die Ross' vnd helfft sie vnterdessen führen /

Für vnsern Hinterhof / biß auff mein Wort die Thüren

Entschlossen / Storax folg vnd komm.

STORAX.

Mein Herr ein Wort!

Wir reisen durch die Nacht! vnd könten an dem Ort /

Da wir den Abend spät zum füttern abgestiegen /

Wol biß auff morgen früh' ohn Eckel sicher liegen!

Was ists drey Stunden eh'r in seiner Wohnung seyn!

Was diese Nacht versäumt bracht vns die Früe-Stund ein.

LYSANDER.

Wer in drey Stunden kan sein eigen Hauß erreichen /

Vnd lieber anderswo sich auffhalt; gibt ein Zeichen

Daß er kein rechter Wirth / kein lieber Ehmann sey.

STORAX.

Jetzt wandeln wir zu Fuß da vns das reiten frey![60]

LYSANDER.

Was nützt die Nachbarschafft mit dem Geraß erschrecken

Vnd durch ein wiegrend Roß bey stiller Ruh' entdecken

Daß ich von Hofe komm'?

STORAX.

Es liegt mir dar nicht an /

Nur daß ein Vnglück vns so überfallen kan /

Das zu vermeiden stund / der Mann hat nicht gelogen:

Der vorgab daß die Nacht nicht jeden gleich gewogen.

LYSANDER.

Wer kan dir Schaden thun vor deines Herren Thür?

STORAX.

Wie / wenn man schadete dem Herren neben mir?

LYSANDER.

Erschreckter! fürchst du dich den Degen zu entblössen?

STORAX.

Zwey Klingen thun nicht viel / bey zehn / bey zwantzig Stössen:

LYSANDER.

Ist die genaue Wach nicht hier / nicht dar bestellt?

STORAX.

Sie wacht dem nur zu träg / der auff den Sand gefällt.

LYSANDER.

Das Schwerdt der Oberkeit kan diese Schwerdter dämpffen.[61]

STORAX.

Es wär' jetzt fern von hier / dafern wir solten kämpffen.

Mein Herr / die grosse Stadt beherbergt manchen Geist /

Der sich auß Vbermut / auß Zanck / auß Argwon schmeist:

Der den verdeckten Haß durch Meuchelmord außführet /

Denckt ob jhr aller Freund. Was diesen Himmel zieret /

Vnd durch das dunckel gläntzt; siht manche Thaten an:

Die auch im Mittag nicht die Sonn' entdecken kan!

LYSANDER.

Genung von dem! wir sind / (der Höchste sey gepreiset.)

Auff eigner Schwell' ey klopff! klopff an!

KNECHT.

Er ist verreiset!

STORAX.

Wer ist verreist?

KNECHT.

Mein Herr.

STORAX.

Thue auff / er ist schon hier.

KNECHT.

Wir gingen über Feld.

STORAX.

Wie Dorus? Traumet dir?

LYSANDER.

Klopfft an / er ist voll Schlafs.

KNECHT.

Wer da?

STORAX.

Der Herr ist kommen!

DORUS.

O wol! mein Herr! ich hatt' es vor nicht recht vernommen!

LYSANDER.

Nun munter! öffne bald! wie ists mit dir bewand.

DORUS.

Mein Herr / die Schlüssel sind in vnser Frauen Hand.

Ich geh' vnd zeig es an!

LYSANDER.

O angenehm erwecken!

Wird jhr ein süsser Traum mein Ankunfft auch entdecken?

Mein einig Eigenthum / dein treues Hertze macht /

Daß ich der Fürsten Gunst vnd Hofes Zier veracht.

 

Olympe durch die Fenster. Lysander. Storax.

 

Wer dar! mein Hertz!

LYSANDER.

Mein Licht!

OLYMPIA.

O Tausendmal willkommen!

Mein Trost / jetzt schließ ich auff.

LYSANDER.

Ist dir die Furcht benommen![62]

Nun wir versichert sind.

STORAX.

Wir stehn noch vor der Thür.

Man fällt im Augenblick offt zwischen dar vnd hier /

LYSANDER.

Du Blöder! du wirst nicht so leicht dein Leben wagen.

STORAX.

Leicht wagen / aber Herr euch auch die Warheit sagen /

Vnd diß auß treuem Geist / mir ist die Seele feil

Mein Herr vor seinen Leib vnd seines Hauses Heil.

 

Olympia. Lysander.

 

OLYMPIA.

Willkommen süsses Hertz! O hochgewünschte Stunden!

LYSANDER.

O liebreich Angesicht! O höchst gewünscht gefunden.

Leid ist mir / daß ich sie gestört in jhrer Ruh.

OLYMPIA.

Mir lieb! mir setzte Furcht vnd grauses Schrecken zu /

In einem herben Traum! wie wol bin ich erwachet /

Sein Ankunfft hat mich Angst- vnd Sorgen-frey gemachet.

Mein Hertz folg ins Gemach!

LYSANDER.

Stracks! Wo mag Dorus seyn?

Laß durch den Hinterhof die Ross' vnd Diener ein.

Du Storax schleuß das Thor! gib acht auff alle Sachen /

Die mit von Hofe bracht.

STORAX.

Ich werd es richtig machen.

Mein Herr sey vnbesorgt.

OLYMPIA.

Last vns nicht länger stehn!

Es ist die tieffste Nacht.

LYSANDER.

Wolan mein Licht / wir gehn.

 

[63] Cardenio. Das Gespenst in Gestalt Olympiens.

Der Schaw-Platz verwandelt sich in einen Lust-Garten.

 

Mein Trost! wir gehn so fern! vnd wechseln keine Worte!

Treugt mich das Auge nicht / so sind wir an dem Orte

Den sie bey stiller Nacht zu trauren jhr erwehlt!

Mein Engel! dessen Grimm mein reuend Hertze quält;

Ist jhr gerechter Zorn denn nicht zu überbitten!

Ich hab / es ist nicht ohn / weit ausser Pflicht geschritten!

Mehr auß verzweiffeln / denn aus Abgunst gegen jhr!

Sie Göttin! sie verzeih! die Seel' erstirbt in mir!

Wofern sie Schönste nicht hier wil den Haß ablegen /

Den meine Schuld entsteckt; sie lasse sich bewegen

Der heissen Threnen Fluß! der sanffte Westen-Wind /

Der durch die Sträucher rauscht beseuffzet vnd empfindt

Die vnaußsprechlich' Angst die meine Seele drücket /

Diane die bestürtzt vnd tunckel vns anblicket /

Bejammert meine Noth vnd bittet / wie es scheint /

Vor diesen / der für ihr auff seinen Knien weint:

Sie gönne mir doch nur jhr lieblich Angesichte /

Das Mond vnd Sternen trotzt! vnd mach in mir zu nichte

Durch einen süssen Kuß wo etwas allhier lebt

Das nicht Olympen lieb! die Nacht so vmb vns schwebt

Sey jhr statt einer Wolck der zart-gewirckten Seiden!

Mein Engel! ja sie wird von jhrem Diener leiden!

Daß er / dafern jhr Haß beständig zürnen wil /

Doch nur die Hüll abzieh' / vnd recht das blitzen fühl

So auß den Augen stralt

 

[64] Der Schaw-Platz verändert sich plötzlich in eine abscheuliche Einöde / Olympie selbst in ein Todten-Gerippe welches mit Pfeil vnd Bogen auff den Cardenio zielet.

 

CARDENIO.

O Himmel ich verschwinde!

OLYMPIA.

Schaw an so blitzt mein Stral / dein Lohn / die Frucht der Sünde.

 

Tyche. Celinde. Cleon.

Der Schaw-Platz stellet einen Kirchhof mit einer Kirchen vor.

 

TYCHE.

Der Mond ist zimlich hoch / der kalte Wandel-Stern

Läst sich Nord-Ostlich sehn / das Licht ist gleich so fern

Als vns der Abend steht; die muntern Geister lehren

Ein jhn verknüpffte Seel / in dem sie schnarchen hören

Die jrrdisch sind gesinnt; biß sich der Vogel regt /

Der vnserm Thun ein Ziel durch seine Stimme legt.

Nunmehr ist keine Zeit / O Schönste zu verlieren /

Wo wir entschlossen sind das Werck recht außzuführen:

Sie suche denn das Pfand der vnerschöpfften Lust

Der jmmer-festen Trew in jhres Liebsten Brust /

Indem ich seine Seel in jenem Thal erweiche /

Daß sie vns willig sey zum darlehn jhrer Leiche!

Sie stell' jhr Sorgen ein: Vnd zage ferner nicht.

Vor alles Schrecken dien' jhr diß geweyhte Licht.

CELINDE.

Ach soll ich dieser That allein mich vnterfangen.

TYCHE.

Vmb immer-feste Lust vnd Ruhe zu erlangen!

CELINDE.

Allein / in diesem Ort:

TYCHE.

Steht Cleon nicht bey jhr!

CLEON.

Steht jhr ein Vnglück vor so widerfahr es mir!

CELINDE.

Allein den heil'gen Ort die Stunde zu betreten /

CLEON.

Diß thu ich für vnd für; es sey daß ich zu beten

Gesetzte Zeichen geb' / es sey daß man bedacht

Zu fordern diß vnd das / worzu die stille Nacht

Viel angenehmer scheint;

CELINDE.

Diß Stück ist nie gewaget![65]

TYCHE.

Von dieser mehr denn offt / die sie vmb Rath gefraget.

CELINDE.

Die leider mehr denn ich auff solchen Fall behertzt.

TYCHE.

Der Anfang fürchtet offt wormit das Ende schertzt.

CLEON.

Was fürchten wir vns doch! es ist ein eitel schwätzen;

Wormit man Einfalt sucht in Traum vnd Wahn zu setzen /

Meynt man daß sich ein Geist vmb Bein vnd Grab beweg /

Daß hier sich ein Gespenst / dort ein Gesichte reg /

Vnd Eifer vmb sein Asch'? Eröffnet nicht die Grüffte

Aegypten sonder Schew vnd bringt in freye Lüffte

Sein balsamirtes Fleisch das über See verschickt

Ein abgekräncktes Hertz im Sichbett' offt erquickt?

Entgliedern nicht die Aertzt' ohn Einred vnd Bedencken

Viel Körper die man wolt in jhre Ruh' einsencken /

Vmb andern dar zu thun woher die Seuch entsteh'?

Wo greifft die Kunst nicht hin! hat man der Menschen Weh /

Nicht offt durch Menschen-Blut / Fleisch / Glieder vnd Gebeine

Vnd feistes Marck gestillt? Durch todter Nieren Steine

Bricht der / der in vns wächst! man gibt nichts neues an!

Doch sucht man hier bey Nacht / in dem der Tag nicht kan

Bedecken derer Neid / die sich auff vns entzünden /

Weil wir zu aller Noth weit schneller Mittel finden

Als jhre Kunst vermag / die so manch weites Land

Vor mehr denn Menschlich hält / Haß rührt auß Vnverstand.

CELINDE.

Man kan ja jedes Bild mit schöner Farb anstreichen.

TYCHE.

Ich geh' / jhr: Fördert euch; last nicht die Zeit hin schleichen /

Die keinmal wieder kommt.

CELINDE.

Es sey gewagt.

CLEON.

Die Thür /[66]

Ist offen; was wir thun bleibt zwischen jhr vnd mir!

Sie folg' ich wil die Grufft deß Ritters leicht entschlissen!

CELINDE.

Wohin verfällt ein Weib die so viel leiden müssen.

 

Cardenio.

 

Ach! tödtlich Anblick! ach! abscheulichstes Gesicht!

Ach grausamstes Gespenst! vmbringt mich noch das Licht?

Wie! oder ist der Geist bereits der Last entbunden

Vnd hat die Frucht der Schuld / der Sünden Sold gefunden?

Wo bin ich! faul ich schon in einer finstern Grufft?

Trägt mich die Erden noch? Zieh' ich noch frische Lufft

In die erschreckte Brust! ich schaw den Himmel zittern;

Ich schaw der Sternen Heer Blut-rothe Stralen schittern!

Wo bin ich! ists ein Traum / heischt mich der Richter vor?

Klingt seine Rechts-Posaun durch mein erschälltes Ohr?

Wie! oder geh ich wol durch dunckel grause Wege

So einsam / so allein / durch vngebähnte Stege /

Wo deß Gewissens Wurm stets die Verbrecher nagt:

Wo ein verdammter Geist der von sich selbst verklagt /

Vnd durch sich überzeugt in ewig-neuem Schrecken

Sucht seine Missethat vergebens zu verstecken?

Ach Gott! der Götter Gott! geh ich noch in der Zeit?

Beschleust mich schon das Ziel der langen Ewigkeit?

Ich fühle ja daß ich mit Gliedern noch vmbgeben!

Ists möglich: Daß ich kan nach solchem Anblick leben!

Doch ja! du grosser Gott du trägst mit mir Geduld

Vnd gönnst mir etwas Frist / die übermaste Schuld

In die ich mich verteufft dir weinend abzubitten:

Ich HErr / bin von der Bahn der Tugend abgeglitten:

Ich bins der in dem Koth der Laster sich gewühlt

Mehr viehisch als ein Vieh / der nimmermehr gefühlt

(Wie hart du angeklopfft) dein innerlich anschreyen /[67]

Der mehr denn lebend tod / (ob schon du wilst befreyen)

Doch an der Sünden Joch / die schwere Ketten zeucht!

Der vor dir (Heil der Welt) in sein Verterben fleucht /

Mein Vater! ich kehr' vmb! ich knie vor diese Thüren

Vor dein geweihtes Hauß. Was aber mag sich rühren?

Was poltern hör ich an! mir stehn die Haar empor!

Verfolgt mich diß Gespenst biß an die heilgen Thor!

Hat sich der gantze Styx die Nacht auff mich verbunden!

Hat sich Cocytus Heer in diese Stadt gefunden.

Mein Gott! ich muß von hier! halt inn! was gibst du an?

Halt inn Cardenio! ob auch ein Rauber kan

Sich an den sichern Ort bey stillem Dunckel wagen

Vnd an geweyhtes Gold die frechen Hände schlagen!

Was weiß ich; ob nicht Gott mich an den Tempel führ

Zu retten seine Kirch! wie fein: Daß ich verlier /

Gelegenheit das Schwerdt einmal vor Gott zu zucken:

Vnd Mördern auß der Faust den schweren Raub zu rucken /

Ist diß mein grosser Mut! ach nein. Die Kling ist frey

Der steh'/ auff den ichs wag / dem guten Vorsatz bey.

Die Thüre wie ich fühl gibt nach vnd ist entschlossen!

Diß zeigt nichts redlichs an! die Riegel weggeschossen!

Gewiß sind Rauber hier! wie komm' ich auff die Spur;

Dort hängt von oben ab an Gold gewürckter Schnur

Ein köstlich hell-Cristall in dem die Flamme lebet

Die durch ein Tacht ernährt auff reinem Oele schwebet /

In reiches Silberwerck / vor Anstoß / eingesenckt.

Wie daß die Rauber nicht den schönen Schmuck gekränckt /

Der sich doch selbst entdeckt? Was kan ich hierauß schlissen!

Es geh nun / wie es geh / so muß ichs dennoch wissen!

Warumb entzünd ich nicht die Kertze vom Altar

Bey dieser Ampel Glantz! vnd suche wo die Schar

Sich zu verbergen sucht! hier ist noch nichts entwendet;

Doch haben sie vielleicht das Stück nicht recht vollendet.[68]

Was aber find ich hier! wie? Ein entseelte Leich

Gelehnt an diese Maur! von Fäule blaw vnd bleich!

Verstelltes Todten-Bild! weit eingekrämpffte Lippen!

Was sind wir arme doch! so bald man an den Klippen

Deß Todes scheitern muß / verschwindet die Gestalt

Die vorhin frische Haut wird vor dem Alter alt /

Vnd Stanck / vnd Staub / vnd nichts! was aber hier zu sagen!

Ob nicht der Cörper wol auß seiner Grufft getragen

Indem man Särg erbricht! vnd mit erhitztem Mut

Durchstanckert Asch vnd Bein' vmb das verfluchte Gut.

Wer rennt der Thüren zu / so lang / so schwartz bekleidet?

Halt an! er ist dahin! der frembde Fall beneidet

Die nie erschreckte Faust! doch einer wird allein

Zu diesem Kirchen-Raub nicht außgerüstet seyn.

Vnd recht! dort stralt ein Licht auß dem entdeckten Grabe!

Wol daß ich in dem Nest das Wild ergriffen habe!

Was habt ihr Mörder vor.

CELINDE.

Weh! weh! mir! ich bin tod.

CARDENIO.

O Gott was find ich!

CELINDE.

Ach! ich sterb in höchster Noth.

CARDENIO.

Ist diß Celinde; wil mich ein Gespenst erschrecken!

CELINDE.

Wil mich Cardenio auß dieser Grufft erwecken!

CARDENIO.

Celinde schaw ich sie!

CELINDE.

Schickt ihn der Himmel mir!

CARDENIO.

Zu ihr in diese Grufft!

CELINDE.

Mein Herr ich sterb allhier!

CARDENIO.

Ists möglich daß ich sie Celind' allhier soll schauen!

CELINDE.

Er schau't mich hier verteufft in vnerhörtes Grauen.

CARDENIO.

Wer führt sie in ein Grab.

CELINDE.

Verzweiffeln Herr / vnd er!

CARDENIO.

O grauses Wunderwerck!

CELINDE.

Mir leider viel zu schwer.[69]

Wofern sein Haß auff mich noch wie vorhin erbittert;

So schaw er auff ein Hertz / das in der Angst erzittert

In die es sich gestürtzt / mein Herr / vmb jhn allein!

Vnd stosse seinen Stahl zu enden diese Pein

Durch die entblöste Brust: Dafern er mit mir armen

Mitleiden tragen mag / so woll' er sich erbarmen /

Vnd führe mich von hier!

CARDENIO.

Ists! oder ists ein Schein!

Soll sie Celinde denn in lauter Warheit seyn!

Nein; das Gespenst / das durch Olympen mich gefället;

Hat in Celinden sich den Augenblick verstellet /

Vnd läst wofern ich sie mit einer Hand berühr!

Ein schändlich Todten-Bild / gleich als vorhin / für mir.

CELINDE.

Er rette wo er kan! er rette mich Betrübte!

Er rette dieses Hertz / das jhn so hertzlich liebte.

CARDENIO.

Sie steige zu mir auff.

CELINDE.

Es hält mich etwas an!

Doch schaw ich nichts als jhn. Er reiche (wo er kan)

Mir den behertzten Arm! O Gott! last vns von hinnen!

CARDENIO.

Celinde möcht ein Mensch so frembden Fall ersinnen!

Wie kommt sie an den Ort bey vngeheurer Nacht?

CELINDE.

Mein Herr / er forsche nicht! wenn ich von hier gebracht

Wil ich mein Elend ihm ohn Vmbschweiff glatt außlegen

Mein Herr von hier!

CARDENIO.

Schaw ich den Todten sich bewegen?

Er eilt dem Grabe zu; die Glieder zittern mir!

Die Schenckel sind erstarrt:

CELINDE.

Mein Herr! mein Hertz von hier.

 

Das Gespenst deß Ritters.

 

Deß Höchsten vnerforschliches Gerichte

Schreckt eure Schuld durch dieses Traur-Gesichte

Die jhr mehr tod denn ich! O selig ist der Geist

Dem eines Todten Grufft den Weg zum Leben weist.

 

[70] Reyen.

 

Dennoch kan die letzte Macht

Die vns sterben heisset /

Vnd ins Grabes lange Nacht /

Von der Erden reisset:

Dennoch kan sie über dich

Mensch nicht gantz gebitten /

Weil der Geist von jhrem Stich

Wird vmbsonst bestritten.

 

Zwar der Leichnam gehet ein

Hertz vnd Augen brechen

Wenn sich in der letzten Pein

Arm' vnd Glieder schwächen /

Das geliebte Fleisch verfällt

Wie bey heisser Sonnen

Sich ein Bild von Wachs verstellt /

Biß es gantz zerronnen.

 

Bringt Aspaltens Hartz hervor

Balsam / Nard' vnd Myrrhen.

Was Socotor' je erkor /

Was die / so stets jrren

Vmb Sarunbun lasen auff /

Bringet Specereyen /

Die Molucc je gab zu kauff /

Hier wird nichts gedeyen.

 

Was du an dir trägst ist Staub /

Es kam von der Erden.[71]

Vnd muß durch der Jahre Raub

Staub vnd Erden werden.

Was verwahrt die raue Grufft

Vnter jhrem Steine /

Der auch stumm / von sterben rufft /

Als verdorrt Gebeine?

 

Aber vnser bestes Theil

Weiß nichts von verwesen /

Es bleibt in den Schmertzen Heil /

Sterben heist's genesen /

Es ergetzt sich ob dem Licht /

Das es vor nicht kante

Als es in deß Leibes Pflicht

Zeit vnd Welt verbante.

 

Doch / dafern es nicht verkehrt

Mit deß Fleisches Wercken;

Die deß höchsten Richters Schwerdt

Heist zur Straff auffmercken.

O wie selig ist die Seel

Die von Leib vnd Sünden

Loß / nach jhres Kerckers Höl

Kan die Freyheit finden.

 

Sie weiß nichts von Ach vnd Leid

Das die Menschen quälet /

Weil sie in der Ewigkeit

Ihre Ruh' erwehlet /

Doch wird keine für vnd für

Dieser Lust genissen /

Die nicht einig lernt in dir

HErr den Lauff beschlissen.[72]

 

Die Fünffte Abhandelung.

Vireno. Lysander. Olympie.

 

So ists! er ließ mich hoch vnd überhoch belangen /

Ich wolte dieser Müh bey euch mich vnterfangen

Ja melden / als es mich daucht vnbequem vnd schwer

Daß sein vnd euer Heil hieran gelegen wär.

OLYMPIA.

Mein Hertz / es steht bey jhm! sein bitten abzuschlagen

Es steht jhm gleichsfalls frey ob er den Gang wil wagen /

Doch / bitt ich / nicht allein! mich lass' er vnbeschickt

Die nichts mit jhm zu thun. Die keusche Tugend blickt

Nie in ein frembdes Hauß! vnd mag ichs dürr außsagen:

Was hat Cardenio nach mir vnd jhm zu fragen!

Man weiß es leider wol / worein er mich geführt /

Lysander hat von jhm nie keine Gunst verspürt.

Warumb begehrt er denn von vns ersucht zu werden?

Ists solche Wichtigkeit! wir stehn auff einer Erden /

Der Weg in vnserm Hof ist jedem vnverschrenckt /

Er komm vnd find vns selbst / ist etwas das vns kränckt

Darvor er Mittel weiß / so wil es vns obliegen /

Zu forschen wo er sey / vnd sich vor jhm zu schmiegen /

Hier blickt das Gegentheil. Drumb wüntscht ich (möcht es seyn!)

Man stellt' auff meinen Rath / nur diß besuchen ein.

LYSANDER.

Wahr ists / Cardenio ist nie mein Freund gewesen!

Weil ich durch seine Pein in meiner Angst genesen.

Diß aber reitzt mich / daß ich jhm entgegen geh /

Vnd jetzt zu Willen sey! denn (wo ich recht versteh)

Muß freylich dieses Werck was wichtigs auff sich haben /

Daß er / der nie gewohnt / was sänffter her zu traben

So embsig nach vns hofft. Er sprech vns selber zu /

Diß wend sie ein / mein Hertz / wer weiß warumb ers thu.[73]

Daß er vns mehr bey sich / als sich bey vns wil wissen?

Vielleicht sucht er das Werck geheimer einzuschlissen /

Als vnser Hof verträgt / indem so mancher acht

Auff diß was seltsam gibt / ein munter Auge wacht

Vmb alle Heimligkeit auffs beste zu verdecken!

OLYMPIA.

Wer etwas guts beginnt / sucht nicht sich zu verstecken.

Ich kenne sein Gemüt / das Haß vnd Eifer treibt /

Wer diese Räth' anhört / vergist sein selbst vnd schreibt /

Mit lauter Menschen-Blut sein jmmer-new Verbrechen!

Wer weiß an wem er sich gesonnen sey zu rechen!

Indem er gleich von hier; wie du mir Zeitung bracht

Mein Bruder / reisen wil / vnd noch vor dieser Nacht.

VIRENO.

Niemand wird wer er sey / dir Schwester besser sagen /

Als der / der seine Wund / auff dieser Brust getragen /

Als er mich bey der Nacht genöthigt überfiel /

Diß glaube / daß ich jhn nicht viel außstreichen wil /

Noch weniger bedacht sein nicht gelobtes Leben /

Durch vngegründten Ruhm vor beyden zu erheben!

Er sey nun wer er sey; ich traw jhm gar nicht zu

Daß er was arges spinn; was weiß ich oder du /

Ob dieser Gang nicht kan zu aller Nutz gedeyen;

OLYMPIA.

Ob nicht zu aller Angst! es wolle der verleyen /

Der in die Seelen siht / daß mein Wahn eitel sey.

LYSANDER.

Mein Hertz / sie fürchte nicht / jhr Bruder steht mir bey!

VIRENO.

Traw Schwester / es ist hier was sonders angelegen /

Drumb halt vns nicht mehr auff / vnd laß dich selbst bewegen

Zu gehn wohin man dich so embsig hat ersucht!

OLYMPIA.

Ich Bruder bin bereit; wiewol es sonder Frucht![74]

Kein Vorwitz führt mich mit! wo hier Gefahr verborgen /

Entbrenne sie auff mich; wo wir vergebens sorgen;

So zeige meine Pflicht / daß die sich recht bedacht

Die weniger sich selbst / den Mann vnd Bruder acht.

 

Pamphilius. Virenus.