Ihre Stadt-Jungfraw.
Tyche. Eine Zauberin.
Cleon. Sacristain oder Kirchen-Bewahrer.
Diener deß Cardenio.
Storax.
Dorus. Lysanders Diener.
Ein Geist in Gestalt Marcellens.
Ein Geist in Gestalt Olympiens.
Die Reyen sind der Bononiensischen Jugend / wie auch der Jahr-Zeiten der Zeit vnd deß Menschen.[13]
Die Erste Abhandelung.
Cardenio. Pamphilius.
Der Schaw-Platz bildet Cardenii Gemach ab.
PAMPHILIUS.
So ist der Vorsatz denn durch keine Macht zu wenden?
CARDENIO.
Man halte mich nicht mehr in den verfluchten Enden:
Da ich in schnöder Lust / in toller Eitelkeit /
Und grimmer Angst verthan die beste Lebens-Zeit.
Wol dem / der nicht wie ich den Fuß hieher gesetzet;
Dem kein verfälschter Wahn den blinden Geist verletzet
Dem vor die Weißheit nie ein thöricht Weib beliebt.
Der nie den hohen Sinn durch herbe Lust betrübt
Wer war ich als an mir / sich mein Geschlecht erquickte:
Als mich ein Feind voll Neid nicht ohne Furcht anblickte:
Als die gelehrte Stadt mich mit Entsetzung hört!
Und meine Feder gleich der blossen Klingen ehrt.
Wer bin ich! leider nun! ein Schimpff der alten Ahnen!
Ein Spott deß nechsten Bluts: Was sind die Sieges-Fahnen[15]
Die ich allhier erjagt: Als jmmer neue Schmach:
Ein niemal friedlich Hertz vnd täglich wachsend ach!
Viel besser wenn ich mich in glantzen Stahl beschlossen
Und vor das Vaterland das frische Blut vergossen;
Viel besser wenn ich mich durch Thetis Schaum gewagt /
Und auff der wüsten See ein wüster Land erjagt.
Ich hatte mit mehr Ruhm die Faust an Pflug geschlagen:
Und dieses Feld gebaut das mich vmbsonst getragen
Ja vor der frembden Thür ein schimmlend Brot begehrt
Als hier mit Zeit vnd Gut die einig' Ehr verzehrt.
Ade den Stadt die ich mir zum Verterb geschauet:
Und du dem ich mich selbst bey manchem Fall vertrauet /
Nihm noch mein letztes an: Die Rechnung ist gemacht!
Die Segel sind gespannt: Ich scheide / gute Nacht!
PAMPHILIUS.
Du scheidest zwar von hier doch nicht auß meinem Hertzen!
Dem nichts dich rauben wird / doch laß mir deiner Schmertzen
Nicht falsches Denckmal zu! vnd gönne mir zu letzt /
Die Nachricht / wie du hier die Jugend auffgesetzt.
CARDENIO.
Die Nachricht wie ich hier in Wahnwitz mich verwirret:
Wie fern ich von dem Pfad der Tugend außgeirret?
Wol! wol! geschieht es zwar nicht sonder meine Pein!
So müß es dennoch dir ein Warnungs-Spiegel seyn!
Ich zehlte (wo mir recht) die zweymal eilfften ähren!
Als mich der Eltern Rath nach embsigem begehren /
An diesen Ort verschickt: Durch vnerschöpfften Fleiß
Zu kauffen Wissenschafft vnd nicht geschminckten Preiß
Durch auß gegründter Lehr! Ach freylich wol gemeynet!
Doch / wie wenn vns zu Nacht ein falsches Irrlicht scheinet:
Man offt den Weg verläst vnd in die Täuffen fällt /
In welchen man versinckt. So ists mit mir bestellt.[16]
Zwar erstlich! wust ich nichts als von berühmten Sachen
Die Menschen / trotz der Grufft / vnsterblich können machen;
Dafern Diane kam; gieng Phoebus über mir /
Sie funden bey mir nichts denn köstliche Papier!
Ich lehrt vnd ward gelehrt; vnd klüger vor den Jahren /
Manch greisser Bart erstarrt ob meinen gelben Haren /
Auch muntert ich den Leib zu allen Künsten auff /
Sprang auff ein hurtig Pferd / begab mich in den Lauff.
Begrieff das Lauten-Spiel / gewohnte frisch zu singen:
Bewegte mich im Tantz / verstand die Art zu ringen!
Und wo ich von mir selbst die Warheit melden kan /
Der Degen stand mir gleich der leichten Feder an.
PAMPHILIUS.
Ich hab es mehr denn offt gesehn vnd rühmen hören!
CARDENIO.
Ach leider! diesen Ruhm den ließ ich mich bethören.
Du triffst den rechten Zweck! der Dünckel nam mich ein!
Ich glaubt es könte mir kaum einer gleiche seyn /
Diß war die erste Bahn die mich von gutem führte:
Das war die erste Gifft die meine Sinnen rührte.
Kam jemand mir die quer vnd gab sich etwa bloß /
So war die Faust bereit / so gieng die Klinge loß.
Hiedurch ward allgemach mein jrrend Ehre kräncker /
Man hieß mich hier vnd dar den vnverzagten Zäncker:
Ich selbst nam in der Brunst mein Laster nicht in acht
Biß mich mein eigen Sinn auff neue Sprünge bracht /
Biß hieher war ich frey vnd hatte nichts geliebet:
Doch daß mir diese Pein die Sinnen nie betrübet /
Kam nicht von Tugend her: Weil mich der Wahn verkehrt
Ich schätzt auß Ubermut / nicht eine / meiner werth
Biß ich das Wunder-Bild Olympien beschauet:
Die mich vor dem ergetzt / ob der mir jetzund grauet:
Die als ein Wirbelwind mich hin vnd her gerückt /
Und mein zerscheitert Schiff in langem Sturm zustückt.
Ich sah sie vnd entbrand! sie fühlte neue Flammen![17]
Kurtz: Ihr vnd mein Gemüt die stimmten wol zusammen:
Mein Wahn / mein eigen Sinn / verlor sich allgemach.
Und meine Wilder-Art gab jhren Sitten nach.
PAMPHILIUS.
Die Liebe wenn sie wil verrichtet Wunder-Sachen:
Und kan die wilden zahm /die feigen kühne machen /
Sie meistert vnsern Geist / vnd mustert den Verstand
Sie schärfft den blöden Sinn / vnd stärckt die schwache Hand.
CARDENIO.
Wir waren gleich am Stand / wir waren eins von Sinnen:
PAMPHILIUS.
Kein ander Heurath-Gut hab ich je schätzen können.
CARDENIO.
Ihr tapfferes Geschlecht gab meinem nichts bevor /
So daß ich sie zur Braut / nach jhrem Wuntsch / erkor.
Ich ließ / als sie es stimmt / der schönsten Vater grüssen:
Und jhn von dieser Lieb' vnd treuem Anschlag wissen.
Er / wie mir kurtz hernach durch einen Freund entdeckt /
Ward von der Heurath durch mein Rasen abgeschreckt.
Ich sprach er / kenn' jhn wol: Sein Stamm ist sonder Tadel.
Die hohe Wissenschafft vergrössert seinen Adel.
Die Tugend / der Verstand steht seiner Jugend an!
Er ist ein solcher Mensch als jemand wüntschen kan:
Doch die zu freye Faust vertunckelt alle Sachen:
Die jhn in jeder Aug vnd Ohren herrlich machen /
Verzagten bin ich feind / vnd weiß der Ehre Ziel.
Jedoch Cardenio thut leider was zu viel!
Wolt' ich Olympien jhm gleich von Hertzen geben!
Bald wagt er sich zu frech vnd bringt sich vmb sein Leben!
So ist sie sonder Eh: Vielleicht auch sonder Ehr:
Rennt er den ander tod; so schmertzt es noch vielmehr.
Fast jhn der Richter nicht: So muß er flüchtig bleiben /
Und wir die Zeit in Angst vnd Bitterkeit vertreiben![18]
Drumb besser was zu früh als gar zu spät beklagt
Man meld' jhm daß ich schon Olympien versagt.
PAMPHILIUS.
O mehr den herber Schluß.
CARDENIO.
Schluß der mit tausend Threnen
Schluß der mit tausend Angst vnd vnerschöpfftem sehnen
Und beiderseits betraurt: Ward ich hierdurch verführt:
So ward Olympie wol lebendig gerührt!
Wie (schry sie) bin ich denn / auch eh' ichs weiß versprochen!
Kan diß ein Vater-Hertz! ist alle Trew gebrochen /
Gilt keine Liebe mehr! schlägt er sein werthes Kind /
Und dessen Wolfahrt denn so unbedacht in Wind?
Wer ists denn der mich kriegt: Werd ich auch lieben können:
Den der vmb meine Gunst kein Wort mir dörffen gönnen!
Bin ich so vnversehns vnd als im Traum versagt:
Nicht als ein freyes Kind / als ein erkauffte Magd?
Diß sprach sie vnd noch mehr; sie bat voll heisser Schmertzen:
Setzt mich Cardenio, setzt mich nicht auß dem Hertzen:
Wer weiß wo Zeit vnd Freund vnd Gott ein Mittel findt
Das mich mir wieder gibt vnd gantz mit euch verbindt
Wir schwuren denn auffs new' einander keusche Treue:
In äusserster geheim! ich gieng mit etwas scheue
Vor jhrem Fenster vmb / vnd nicht als wenn die Nacht
Der Himmel-Fackeln Heer in ihre Reyen bracht!
Ein unbefleckt Gespräch war diß was vns ergetzte:
Schaw aber wie auch hier mein Unglück mich verletzte:
Der Jungfraw Bruder gab auff mein besuchen acht
Und zog die reine Lieb' in schändlichen Verdacht.
Diane sah' herab mit gantzem Angesichte /
Als er mich überfiel; die Nacht ist was zu lichte /
Rieff er / Cardenio zu deiner Missethat.
Ist mir der Weg nicht frey? Dir steht die weite Stadt
Gantz offen: Meyde nur die meiner Eltern Gassen:[19]
Und solt ich mir von dir die Bahn verbitten lassen?
Er auff das Wort gefecht griff mich mit Eisen an!
Ich wich gleich einem der den Arm nicht regen kan /
Der Schwester Liebe stieß mich jeden Trit zurücke:
Er schriebs der Zagheit zu / vnd schertzte mit dem Glücke /
Wol! fleucht der alle trotzt! diß Wort war mir zu schwer /
Ich trat jhm auff den Leib vnd stieß die leichte Wehr /
Recht vnter seine Brust. Er sanck' / ich must entweichen
In dem sein weinend Hauß jhn / gleich entseelten Leichen /
Auß seinem Blut auffhub / vnd Artzt vnd Balsam sucht
In dem Olympie dem rauen Unfall flucht /
PAMPHILIUS.
Diß Schwerdt hat wie ich meyn' der Liebe Band zerhauen.
CARDENIO.
Wir Menschen jrren stets. Wo wir vns sicher trauen /
Sinckt vnser Schiff in Grund. Wenn mans verloren hält /
Hat das Verhängnüß offt das beste Glück bestellt.
Denn als Viren ermahnt: Den Stoß an mir zu rechen
Begunt er; er wolt ehr selbst seiner Zeit abbrechen;
Als dem zu wider seyn / der / was er frech begehrt
Ihm langsam / vnd getrotzt / hätt' ohne List gewehrt.
Was sag ich! er war kaum zu ersten Kräfften kommen
Die Feindschafft / wie mans nennt ward freundlich vnternommen /
Er ändert allen Haß in vnverfälschte Gunst
Und wüntscht Olympien werth meiner keuschen Brunst.
PAMPHILIUS.
So bricht die Sonn hervor nach rauen Donnerschlägen
Und dem mit Himmel-Feur vnd Schloß-vermischten Regen.
CARDENIO.
Sie brach vns freylich vor / doch wie sie schöner steht[20]
Im fall der Tag verkürtzt vnd sie zu rasten geht
Und schwartzen Nächten rufft. So lieff die schönste Wonne
In höchste Trübsal auß. Sie meine Seelen Sonne
Hatt' ander Hertzen auch in heissen Brand gesetzt /
Die sich unwissend' jhr an jhrem Glantz verletzt /
Doch keiner war so kühn sein Angst jhr zu entdecken:
Und jeder fand vor sich was mächtig jhn zu schrecken:
Lysander nam allein ein seltsam Mittel vor /
Und kauffte durch viel Gold der Kammer-Jungfer Ohr /
Die (O Verräther Stück) jhn in das Ruhe-Zimmer
Der keuschen Seele führt: Und (was vnendlich schlimmer)
Sich gantz vnwissend hilt. Wie nun die Nacht anbrach
Und mein' Olympie besucht jhr Schlaf-Gemach
Und der versteckte sich sie anzusprechen wittert
Und jhr zu Fusse fällt; erstarrt sie vnd erzittert
Und als das Schrecken jhr den Athem wieder gibt /
Rennt sie hell schreiend fort; Lysander laufft betrübt
Ob diesem Mißschlag durch: Wird heimlich ausgelassen
Durch die mit schuldig war. Er hatte schon die Gassen /
Als das entweckte Hauß sich ob der That bewegt
Und mit Gericht vnd Licht durch alle Kammern regt.
Olympe die nicht recht bey Nacht den Feind erkennet:
Hat als sie ward befragt auß Argwohn mich genennet /
Die Meynung ward verstärckt / weil man mich zimlich nah
Und bey noch offner Thür die Straß abwandeln sah.
Man hilt mich eilend fest / mir ward die That verwiesen.
Viren der anderwerts so trefflich mich gepriesen;
Zog diesen Schimpff zu Mut / vnd eiferte behertzt
Das ich sein Hauß vnd Stamm vnd Schwester so geschertzt /
Ich wand mein Unschuld vor / die man nicht hören wolte.
Weil der Beweiß zu viel nach jhrer Meynung golte.
Biß daß nach hartem Sturm die Sorgen-volle Nacht /
In Kummer / Unlust / Angst vnd Schwermut durchgebracht.[21]
Und der betrübte Tag vns all' auffs neue quälte /
Mich der Olympens Ehr vor gantz verloren zehlte:
Die Eltern die im Zorn sich über mich erhitzt:
Und den Verräther selbst den sein Gewissen ritzt
Olympiens Geschlecht trat bey dem Fall zusammen:
Die meisten suchten mich auß Eifer zu verdammen:
Die minder Anzahl doch gestützt durch mehr Verstand
Schlug besser Mittel vor vnd schloß daß meine Schand
Dem Ruhm Olympiens zu nahe lauffen könte:
Nichts besser denn: Als daß man mir die Jungfraw gönte
Und dämpffte den zu weit auß brechenden Verdacht.
Der Meynung fiel man bey: Es ward an mich gebracht.
PAMPHILIUS.
Diß gieng nach deinem Wuntsch.
CARDENIO.
Es gieng hier gantz verkehret
Auß Eifer hasst ich jetzt / was Lieb vnd Trew begehret
Ich sagt es klar herauß: Ich hätte sie geehrt
Als ihre Keuschheit nicht durch solchen Fall versehrt
Ich hätte sie geliebt: Als ich jhr nur behaget
Jetzt nun sie frembde selbst ins Schlaf-Gemach vertaget
Acht' ich mich was zu hoch vor eines andern Rest
Ich stellte Zeugen auff / die Sonnen-klar bevest;
Daß ich vmb selbte Stund' als mir Viren begegnet /
Geschieden vom Panquet vnd nüchtern sie gesegnet:
Daß weil bey ihnen Tag vnd Abend ich verzehrt;
Nicht möglich / daß durch List ich heimlich eingekehrt /
In ein verwahrtes Hauß das allerseits beschlossen:
Wenn schon bey später Nacht die Riegel vorgeschossen!
Sie zeugten! ich verfuhr. Der Vater ward bestürtzt
Und hätt auß Hertzeleid schier seine Zeit verkürtzt;
Als auch Olympie die er auff schärff'st ausfragte
Ihm vmb die Füsse fiel vnd naß von Threnen klagte:
Sie hätt in Furcht vnd Eil sich nicht recht vmbgeschaut
Und auß Vermuttung nur die That mir zugetraut.
PAMPHILIUS.
O wahres Ebenbild durch auß vermischter Dinge![22]
Wie ein erhitztes Roß durch vngewohnte Sprünge /
Den Ritter mit sich reist: Und führt nicht wie er wil;
So zeucht der Himmel vns von dem auff jenes Ziel.
CARDENIO.
Als nun durch diesen Sturm das Wasser recht getrübet:
Gibt sich Lysander an; streicht auß wie er geliebet
Entdeckt auch seine Schuld vnd bittet die zur Eh /
Die durch sein freveln ist gestürtzt in höchstes Weh.
Nichts daß mehr vnwerth sey / als Jungfern die die Zungen
Deß vnbedachten Volcks begeyvert vnd beschwungen:
Der Vater schlägt sie zu: Sie die in Haß entbrand
Gibt bloß / nur mir zu Trotz / Lysandern jhre Hand /
Lysandern auff den sie auß heisser Rach erzittert;
Und mir zu Trotz! weil sie mein Abschlag höchst erbittert.
PAMPHILIUS.
Und so vertäufft sie sich in ungeheure Noth.
CARDENIO.
Und mich noch zehnfach mehr in den gewissen Tod.
Gedencke wie die Seel' in Reu' vnd Angst gebrennet /
Als ich jhr Unschuld vnd Lysanders Trug erkennet:
Wie ich den Eifer-Sinn / wie ich den Tag verflucht /
Da ich so frech verschmäht was ich so steiff gesucht.
Ich fand Gelegenheit / doch nur zu meinen Schmertzen:
Da ich Olympien auß hochbetrübtem Hertzen
Tieff vmb Verzeihung bat / vnd / ob sie vnbewegt
Mir lange wider-stund; in neue Bande legt.
Wir trugen beyderseits Mitleiden mit einander:
Und liebten mehr als vor. Wir schrieben dem Lysander
Und dem Verhängnüß zu was sie vnd mich getrennt:
Und wuntschten seiner Lieb ein so erschrecklich End
Als falsch der Anfang war! schaw wie das Glücke spiele
In dem ich in dem Wahn gantz new Erquickung fühle
Und lesch' in höchster Gunst Lysanders Hoffnung auß:
Schreibt mir mein Vater zu vnd fordert mich nach Hauß /
Theils weil sein alter Leib durch Seuchen hart beschweret[23]
Theils weil sein Beystand jhn ans Königs Hof begehret:
Wie rett' ich beyde nun! Er wil getröstet seyn:
Hier wüntscht Olympe sich entbrochen jhrer Pein.
Er bittet: Sie noch mehr! doch auff sein fünfftes Schreiben:
Schwer ich Olympien unendlich trew zu bleiben /
Und eh der zweytte Mond im Himmel kan vergehn /
Schwer ich vor jhrem Aug' ohn alles falsch zu stehn.
Ich schwere durch Papier sie wöchentlich zu ehren:
Und sie von meiner Reiß vnd Wiederkunfft zu lehren.
Und mache mich von hier! ach! was ein Mensch gedacht;
Steht; was er jmmer thut doch nicht in seiner Macht!
Ich komme glücklich fort / deß Vatern Seuche schwindet
In dem er mich gesund in seinen Armen findet:
Der Hof steht seiner Bitt auff mein ersuchen zu:
Ich setz in kurtzer Zeit mein gantzes Hauß in Ruh
Hier kehr ich alles vmb. Ich schick vnzehlich Schreiben;
Die leider auff der Post gehemmt vnd liegen bleiben
Olympie die gantz nichts von mir wissen kan /
Klagt meinen Wanckelmut vnd duppelt Untrew an.
Mich / der kein Antwort könt' auff alle Brief empfangen /
Legt Kummer / vnd Verdacht vnd Feber-Hitz gefangen.
Doch richt ich mich zuletzt von meinem Siechbett' auff
Und mache / noch nicht recht erquickt / mich auff den Lauff.
Ach leider! viel zu spät. Alsbald ich an war kommen
Und nach Olympien vnd meinem Heil vernommen:
Erfahr ich! daß nunmehr Lysander sie ersetzt:
Ja daß jhr Heuraths-Tag bestimmt vnd angesetzt.
Ich hilts vor Phantasey. Biß mir ein Freund erzehlet:
Es hab Olympie sich lange Zeit gequälet /
Ob meinem aussen seyn / daß keinerley Bericht /
Kein Schreiben je ersetzt: Lysanders Angesicht
Wär jhr zwar wie vorhin unangenehm gewesen /
Lysander hätte selbst auß jhrer Stirn gelesen
Sein Ungunst / jhren Haß: Auch hätt er sich betrübt
Daß er auß Unvernunfft so freventlich geliebt /[24]
Und vnbedacht gesucht was er erbitten sollen:
Doch hab er sich selbselbst auffs höchste zwingen wollen
Zu der verlobten Dienst: Die letzlich jhn beklagt /
Daß er sein Glück vmb sie / die jhm doch feind / gewagt
Sie hätte die Geduld Lysanders müssen loben
Und allgemach mich gantz auß jhrem Sinn verschoben:
Lysander hätte diß genommen stracks in acht
Und jhr mitleidend seyn zu höchster Liebe bracht /
Sie wären denn nun zwey / doch zwey mit einem Hertzen:
Und feilte wenig Zeit zu jhren Hochzeit-Kertzen:
Ich nam die raue Post mit solchem Schrecken an /
Als kein verdampter Mensch sein Urtheil hören kan.
Noch unterließ ich nichts (wie kurtz die Zeit!) zu wagen
Ich sucht jhr meine Trew durch Schrifften vorzutragen.
Sie nam kein Schreiben mehr / vnd schickt auff letzte mir /
Stat Antwort / ein verwahrt doch ledig Blat Papir.
Ich ließ mich / als ein Weib / durch meine Freund anlegen:
Und trat jhr ins Gesicht auff offentlichen Wegen /
Und zog mein Unschuld an / sie wegerte Gehör
Und nams als stünd ich ihr nach jhrer reinen Ehr.
Der Himmel / sprach sie / hat mir eine Seel gegeben!
Ich bin Lysanders Braut / Cardenio mag leben!
Der Himmel hat von ihm mich gäntzlich abgeschreckt:
Der mir sein falsches Hertz zum zweytenmal entdeckt -
Mit diesem ging sie durch: Und ließ mich sonder Sinnen:
Wie wenn in Sterbens-Angst die Geister vns zerrinnen.
Mein Feber grieff mich an vnd hilt mich im Gemach
Biß daß jhr Heurath-Fest (O trüber Tag) anbrach!
Da hab ich mich erkühnt mit dreymal drey Gesellen /
Bey jhrem Lust-Panquet ein tantzen anzustellen
Wir traten in den Saal in schwartzer Trauer-Pracht
Verhüllt vnd gantz vermummt: Ich sprang in solcher Tracht[25]
Wie der verliebte Printz: Der den Verstand verloren /
Als seine Lust vor jhn den Medor auserkoren.
Lysander der vns nicht in dieser Wolck erkant /
Danckt vns mit höchster Ehr. Olympie entbrant'
Vor Ungeduld vnd Scham: Und ließ sich doch nicht mercken /
Umb meine Hoffnung nicht durch jhr Gesicht zu stärcken /
Celinde hat allein ich weiß nicht was erblickt
Dadurch sie mich entdeckt / sie schaute mich entzückt
Mit heissen Seuffzen an / die fruchtlos abgegangen /
Weil mich Olympie noch gar zu fest gefangen.
PAMPHILIUS.
Olympie die schon Lysanders eigen war?
CARDENIO.
Die Liebe wächst in Noth vnd stärckt sich durch Gefahr.
Und wüntscht / durch was nicht ist / vnd vnerhörte Sachen
Und nie gebahnte Weg' jhr Anschläg auszumachen.
Lysanders Hochzeit-Feur war schon in Asch verkehrt /
Doch meine Flamme nicht die heimlich mich verzehrt
Ich dacht auff neue Stück: Und als er einst verreiset;
Hatt ein erkauffte Magd mich in sein Hauß geweiset /
Ich kam denn als ein Weib die Frücht vnd äpffel trägt
Als sich Olympie zur Mittags-Ruh gelegt /
Es war gleich eins bey jhr / erblicken vnd erkennen:
Ich sah' jhr Angesicht vor Zorn vnd zittern brennen.
Und eh' ich reden könt' ach! sprach sie! ach zu viel!
Zu viel Cardenio! ein Ende mit dem Spiel!
Ich bin von Edlem Stamm; bin unbefleckt geboren:
Und wie du weist / zur Eh' vnd keuschen Ehr erkoren.
Die drey verbitten mir dich ferner anzusehn!
Cardenio von hier! ist nicht zu viel geschehn /
Daß du mein Hochzeit-Fest mit dem verstellten rasen
Ohn alle Schew entweyht: Und Funcken auffgeblasen /
Die / wenn mein sitsam seyn / mit schweigen nicht bedeckt /[26]
Ein vnaußleschlich Feur in Hauß vnd Hauß entsteckt.
Cardenio von hier: Wo nicht so magst du wissen:
Daß man dir auff mein Wort wird beyde Lichter schlissen /
Von hier vnd glaube diß / daß die dich ehrlich libt /
Die jetzt dich tödten kan / vnd dir das Leben gibt /
Wie? Sprach ich / laß ich mir mein rasen hier verweisen
Da man vmb Langmut mich / wo noch Vernunfft / soll preisen!
Laß ich Olympien in dieses Raubers Hand /
Der sie durch List erhält / der nie was Lieb' erkant.
Hat meine lange Trew so rau' ade verdienet:
Ich raß Olympie! Ich habe mich erkühnet
Zu einem Trauer-Spiel! ich komm in dein Gesicht /
(Ade Olympie) von dieser Stund' an nicht /
Als mit Lysanders Blut vnd meinem Blut gezihret;
So sprach ich vnd lieff stracks wo mich mein Grimm hin führet /
Schloß auch denselben Tag zu enden meine Noth.
Zu dämpffen meine Lieb' ins Feindes Blut vnd Tod.
PAMPHILIUS.
Doch ward der raue Schluß nicht schleunig fortgesetzet.
CARDENIO.
Weil das Verhängnüß mich mit neuer Glut verletzet /
Ich hatt auß jener Hof kaum heimwärts mich gekehrt
Als von Celinden mir ein Schreiben ward gewehrt.
Die bat / daß ich bey jhr wolt eine Nymfe schauen /
Die mir ein wichtig Stück gesonnen zu vertrauen.
Ich / als ich jhrem Brief in etwas nachgedacht
Begab mich bey jhr Hauß nicht viel vor Mitternacht /
Ich hört vmb jhre Thür Viol' vnd Lauten klingen
Doch mehr zu Schimpff' als Ehr' ich hört ein Liedlein singen
Von ihrem Wanckelmut / das ging mir bitter ein /
Ich fiel den Hauffen an / schlug mit dem Eisen drein.
Sie setzten sich zu Wehr: Und musten doch erliegen:[27]
Man sah Pandor vnd Hut / vnd Kling' vnd Harffe fliegen
Biß ich / vnd unverletzt / die Thür allein einnam
Da mir Celinde selbst erschreckt entgegen kam.
Sie danckte / daß ich sie bey dieser Zeit ersuchte:
Daß ich die Schaar verjagt: Die jhrer Tugend fluchte
Und jhren Ruhm verletzt (wo diß ein Schmach-Lied kan:)
Und bot zur Danckbarkeit sich mir zu eigen an.
Wir traten ins Gemach / da keine sonst zu finden:
Celind' vmbfing mich vnd vertraute mir Celinden:
Entdeckt jhr heisse Lieb' vnd wüntscht sie möchte mein:
Vor viel Olympien vnd strenge Buhlen seyn.
Ich schied' eh Titan kam die Sternen zu verschlissen:
Als ich den Tag hernach sie wolt' auffs new begrüssen;
Kam sie mir schöner vor vnd freyer denn vorhin:
Und fing halb seuffzend an. Cardenio ich bin /
Ich bin / Cardenio, die nur durch ihn kan leben:
Und die sich selbst vor jhn wolt' in die Flammen geben:
Doch wil er meiner Lieb ohn Leiden theilhafft seyn:
So lern' er wer ich sey / vnd geh den Rathschlag ein.
Ich / die von altem Stamm' vnd edlen Blut geboren:
Hab Eltern in dem Glantz der ersten Zeit verloren
Bin durch nicht treue Freund' vmb meiner Mutter Pracht;
Und vmb deß Vatern Gut durch Anverwandte bracht.
Krieg / Mangel / Haß vnd Noth hat mich so weit gerissen:
Daß ich der Keuschheit Blum zu letzt auffsetzen müssen /
Zwar einem / der durch Gold vnd Ansehn mich besprang
Doch durch nicht minder Lieb in dieses Hertze drang!
Und einig mich berührt: Auch wär' ich jhm vermählet
Wenn er nicht zimlich jung den Ritter-Stand erwehlet
Der ihm die Eh verbeut. Er hält mich noch allhier
Mit höchsten Kosten auff / vnd schicket für vnd für /[28]
Was zu ersinnen ist. Sein übergroß Vermögen
Kehrt in die Zimmer ein! wo nun jhm nicht entgegen
Cardenio daß ich dem zu Gebote steh /
Der vns so prächtig nährt / so leb ich sonder Weh
Zwar von Marcellus Gut / doch lieb ich jhn alleine
Cardenio mein Licht: Den ich auff ewig meyne!
Sie schloß mit einem Kuß! vnd ich gab alles nach
So schwimmt der Ulmen-Baum wenn jhn die strenge Bach
Auß seinem Grunde reist. So fiel ich mit Celinden
Durch reitzen schnöder Lust in vor verhaste Sünden
Ich der ein keusches Bild so Eifer voll geliebt
Ward durch befleckte Gunst in heisser Brunst betrübt /
PAMPHILIUS.
Ich zitter! ists Marcell der vnlängst vmb ist kommen:
CARDENIO.
Ja freylich; hör jetzt an wie jhm der Geist benommen;
Hör jetzt den frembden Fall / den ausser mir kein Man /
Umbständlich (wer er auch /) vor Augen stellen kan.
Wir zwey / Celind vnd ich / entbrant in gleichen Flammen:
Verfügten vns zwar offt doch sehr verdeckt zusammen
Und wären Zweiffels ohn noch lange nicht erwischt /
Wenn nicht mein Unverstand Marcellus Geist erfrischt /
Mich daucht es nicht genung daß mich Celind' erwehlet
Wenn ich nicht dieses Glück den Wäldern hätt' erzehlet /
Und in Gedichte bracht die sie mit Anmut sang
Wenn die geschickte Faust auff jhrer Laut' vmbsprang /
Hier rührt sein Unfall her / denn als er einmal kommen
Und in Celindens Hand ein lang Papier vernommen /
Beschwärtzt durch meine Brunst / erstarrt er vnd begehrt /
Zu wissen / welcher ihr so heissen Brief gewehrt /
Sie gibt zwar lachend vor doch zitternd im Gewissen:
Sie hätt' es Sylvien nechst auß der Faust gerissen /
Er zweiffelt vnd verbarg den Eifer der jhn nagt /[29]
Und noch dieselbte Stund auß jhrer Wohnung jagt.
Kaum war Marcellus fort als ich bey jhr erschienen:
Er wolte sich der Zeit zu seiner Spur bedienen
Vnd wie ich noch nicht recht beschritten jhr Gemach /
Kommt er von Zorn erhitzt mir auff der Ferschen nach.
Hilff Gott! wie haben wir vns alle drey befunden /
Die Zungen waren vns vor Grimm vnd Furcht gebunden.
Er fiel Celinden an / die Alabaster bleich /
Vnd plötzlich ward gefärbt durch seinen Backenstreich.
Eh' jhr noch warmes Blut vom Antlitz abgeflossen:
Kam seines durch mein Schwerdt auß seiner Brust geschossen /
Er taumelt vnd verging ich rieff Celind' auff / auff.
Hier ist nicht lange Frist: Wer leben wil der lauff:
Er / als wir in der Eil den besten Schmuck einpackten:
Vnd Gold / Geschmeid / vnd Stein in seidne Tücher stackten:
Erhub / wie schwach er war / sein sterbend Angesicht.
Vnd rieff mit schwacher Stimm: Ich bitt entweichet nicht
Cardenio ich wil dir meinen Tod verzeihen:
Wo du mir wilt dein Ohr vnd Faust vnd Beystand leihen /
Ich red ohn alle List: Komm fahre mich von hier
Ich schwere bey dem Thron deß Richters über mir
Daß ich auffs minste nicht durch Rache dich wil kräncken.
Ich suche nur mein End vnd Elend zu bedencken /
Ich bitte: Daß ich mich versöhnen kan mit Gott
Daß ich mein Hauß befrey von dem so herben Spott:
Als ob ich meinen Stand so schlecht in acht genommen
Daß ich sey durch ein Weib in diesem Ort vmbkommen:
Auch werdet jhr dadurch erlöst von Furcht vnd Flucht /
Wenn niemand meinen Tod von euren Händen sucht.
Siht jemand meine Wund' im Weg' vnd Hause bluten
Dem wil ich weil ich kan einpflantzen diß vermuten[30]
Ich sey durch frembde Feind vmbringet bey der Nacht /
Vnd durch dich auß der Noth zu meiner Wohnung bracht.
Ich bitte schlag nicht ab mein äusserstes begehren /
Komm führe mich von hier vnd von Celindes Zehren /
Vnd ließ auß meinem Blut wie groß jhr Vndanck sey:
Wie leicht jhr Wanckelmut! wie: Aber ich verzeih!
So viel / vnd lehnte sich an meine rechte Seiten.
PAMPHILIUS.
Vnd hast du dich erkühnt nach Hauß jhn zu begleiten.
CARDENIO.
Ich thats / als der mir selbst vnd meinem Leben gram!
Doch hilt er redlich Wort; als er ins Zimmer kam:
Vnd durch der Diener Fleiß entkleidet vnd geleget;
Hat sein der Artzt vmbsonst / wie weiß er auch / gepfleget:
Er schlug die Mittel auß: Vnd sucht in heisser Rew
Deß höchsten Königs Gunst vnd vnerschöpffte Trew.
Vnd gab den zweyten Tag den Geist in meinen Armen!
Nachdem er kurtz zuvor gerühmet mein erbarmen /
In aller Gegenwart; vnd so das Werck beschönt /
Daß anderwerts mich / jhn vnd sein Geschlecht verhönt.
PAMPHILIUS.
Ist diß Marcellus Fall! O heisser Durst der Ehren!
Den nicht die Rach-Lust kan vnd nicht der Tod versehren!
Der vor deß Feindes Angst / deß Himmels Ruh begehrt!
O Seele beßren Glücks vnd andren Abschieds werth.
CARDENIO.
Man glaub': Ich hab jhn offt geehrt mit meinen Threnen
Mit innerlicher Rew' vnd Kummer-vollem Sehnen!
Sein sterbendes Geberd' ermuntert mich die Nacht /
Vnd nimmt Celinden mir vnd alles auß der acht.
Ach wo verfiel ich hin: Wer bin ich vor gewesen!
Wer jetzt! wo werd' ich doch! wenn werd ich doch genesen!
Was stehst Olympie! was stehst du strenge mich![31]
Was hab ich auff gesetzt? Doch hat ein ander dich!
Auff! last vns denn von hier; du über-trew Gemüte!
Verzeihe daß ich noch mißbrauche deiner Güte
Verrichte was ich bat' vnd sey nach Mitternacht /
Wo meine Wohnung ist zu suchen mich bedacht.
Cardenio, Diener.
Geh werther Freund / geh hin / was ich dir noch verborgen;
Mein letztes Abscheid'-Stück entdecke dir der Morgen.
Die Reiß ist zwar bestimmt. Doch eh' ich komm ins Feld
Muß durch gerechten Zorn Lysander auß der Welt /
Ist diß mein Diener? Recht! wie? Hast du was vernommen?
DIENER.
Lysander wird gewiß noch diese Nacht ankommen:
Er ist nicht fern von hier / ich hab jhn selbst gesehn
Vnd rennt alsbald voran!
CARDENIO.
So ists vmb ihn geschehn.
Ich wil das falsche Blut vor morgen noch vergissen /
Vnd durch gewüntschte Rach ein langes Leid beschlissen
Der ist Olympie nicht deiner Liebe werth:
Der dich dem Rauber läst / dem du durch List beschert.
Reyen.
Der hohe Geist der in der Sterbligkeit /
Vnsterblich herrscht: Der seines Fleisches Kleid
Als eine Last / (so bald die Stunde schlägt
Die scheiden heist) gantz vnversehrt ablegt;
Der hohe Geist würd' alles was die Welt /
Was Lufft vnd See in jhren Schrancken hält /
Was künfftig noch / vnd was vorlängst geschehn;
Mit lachen nur vnd Miß-Preiß übersehn /[32]
Dem Vogel Trotz! der in die Lufft sich schwingt
Ob schon der Schall der harten Donner klingt /
Vnd ob der Sonn' auff die er einig harrt /
Mit steiffem Aug sich wundert vnd erstarrt.
Der hohe Geist würd über alles gehn /
Vnd bey dem Thron der höchsten Weißheit stehn;
Wenn beyde Flügel jhm nicht fest gehemmt /
Vnd Füß vnd Leib mit schwerer Last beklemmt.
Alsbald er auff den Kreiß der Dinge trat
Erschrack der Fürst der zu gebitten hat
Der Vntern-Welt / der wenn er vmb sich blickt /
Neid / Haß vnd Grimm in vnser Licht außschickt.
Er schüttelte dreymal sein Schlangen-Har
Die Höll erbeb't; was vmb vnd vmb jhn war
Versanck in Furcht / die Glut schloß einen Ring
Als er entsteckt von heissem Zorn anfing;
Auff! Götter auff! die mit mir von dem Thron
Hieher gebannt: Es steht nach jener Kron
Die ich besaß / ein hoch-glückselig Bild
Das leider mehr bey seinem Schöpffer gilt!
Man ging zu Rath: Es ward ein Schluß erkist
Zu dämpffen was deß Menschen himmlisch ist /
Mit Macht vnd Trug! bald drungen auß der Nacht
Geitz / Hochmut / Angst / Einbildung / Wahn vnd Pracht.
Doch allen flog erhitzte Brunst zuvor
Die voll von List den Nahmen jhr erkor
Von steter Lieb' vnd vnter jhrem Schein
Die Hertzen nam mit Gifft vnd Gallen ein.[33]
Ihr bot alsbald die Rach-Lust treue Hand
Die / leider! jetzt der allgemeine Tand
Auff dem Altar der tapffern Ehren ehrt /
Indem die Burg der Ehren wird zustört.
Die Rasereyen pochen was man schätzt /
Vnd heilges Recht auff festen Grund gesetzt;
Sie stecken Reich vnd Land mit Flammen an
Die auch kein Blut der Völcker dämpffen kan.
Sie färben See vnd Wellen Purpur-roth
Sie stürtzen Stül vnd Kronen in den Koth /
Vnd treten was auff Erden sterbens-frey
Vnd ewig / mit entweyhtem Fuß entzwey.
Sie reissen (ach!) deß Menschen reine Seel
Von jhrem Zweck in deß Verterbens Höl
Vnd ziehn / die den Gott gab den Himmel ein
Auß stiller Ruh / in jmmer-strenge Pein.[34]
Die Andere Abhandelung.
Der Schaw-Platz bildet einen Lust-Garten ab.
Celinde singend vnd spielend auff der Laute.
Fleuch bestürtzter Fürst der Sternen
Meiner Seelen Lust vnd Ruh!
Eilt von mir sich zu entfernen.
Himmel steht jhr dieses zu!
Vberfällt mich diese Pein!
So verkehrt sich mein entseelter Leib in Stein.[34]
Falscher! hat mein feurig lieben
Nie dein frostig Eiß erweicht
Hab ich diese Klipp erreicht
Auff der mein Hertz gantz zutrieben
Vnd durch dein verkehrt Gesicht
In verzweiffelns-Sturm auff tausend Stücken bricht.
Fleuch mein Geist! fleuch vnd verschwinde
Eh die raue Stund ankommt
Die mir Zeit vnd Leben nimmt
Daß ich mich nicht in mir finde!
Macht daß meine Seel entreist!
Was verzeuchst du mehr durch auß verwäister Geist.
Flisst jhr herben Threnen-Bäche /
Lescht der Augen Fackeln auß /
Deß gekränckten Leibes Hauß
Sinckt vnd stürtzt. Ich selbst zubreche /
Weil der Donner vmb mich kracht /
Vnd mich in dem nun / zur Handvoll Aschen macht /
Sie reist die Seiten von der Lauten / vnd wirfft sie von sich.
Fleuch Geist / fleuch. Kont ich mich der Vntrew je vermutten!
So hätt ich mir gewüntscht / durch schwitzen / tod zu blutten /
Durch Flammen zu vergehn! auff Felsen auß der Höh
Zusplittern Brust vnd Bein / in nie erdachtem Weh
Zu suchen meinen Tod: Es hätte mich der Degen
Der dich Marcell erstieß auch müssen niederlegen:
Marcell ach! der du mich nur gar zu trew geliebt /
Den mehr Celindens Angst / denn eigner Tod betrübt!
Komm blasser Geist komm vor / auß deiner Ruhe-Kammer /
Vnd schaw auff deine Rach' vnd meiner Seelen Jammer.[35]
In den ohn eine Schuld mich der Verräther setzt;
Der vmb Celinden dich voll Eifers hat verletzt.
Ha grimmer-grauser Mensch! zu meinem Ach geboren!
Durch den ich Freyheit / Lust / Trost / Ruh vnd mich verloren /
Vnd nur zu meiner Pein in diesem Leibe schmacht'
Denn / wenn ein Tod vor mich / ich Augenblicks bedacht
Zu reissen auß der Zeit! ich die bey frischen Jahren
Vnd Blüte der Gestalt / so hart beschimpfft erfahren;
Daß Liebe Drachen-Gifft vor Honig vns gewehr'
Vnd falschen Wanckelmut vor treue Gunst bescher'
Die Erden stinckt mich an! wie kan ich sonder Grauen
Das Auge dieser Welt / die lichte Sonn anschauen
Die vorhin meine Freud / jetzt meine Schmach bestralt
Vnd mein bestürtzt Gesicht mit scheuer Röthe mahlt.
Die bleiche Cynthia, vor Zeugin meiner Lüste:
Verweist mir jene Zeit in der man mich begrüste
In der Cardenio mir in die Armen fiel
Vnd diesen Geist erquickt durch süsse Seitenspiel /
Was Anmut gaben vor / die Sorgen-freyen Nächte /
Was schreck' vnd grauen jetzt? Bald klingt mir das gefechte
(Indem Marcell erblast) durch mein verletztes Ohr:
Bald kommt er mir durchnetzt von Blut vnd Threnen vor.
Rufft heischer vnd verweist daß ich nun selbst verlassen
Die ich vorhin verließ: Bald hör ich durch die Gassen
Ein kläglich Abend-Lied vnd wein' vmb daß man singt:
Vnd mein recht lebend Leid auff frembde Seiten bringt /
Biß ein Verstarren schleust die nassen Augenlieder:
Denn fällt mich Morpheus an: Vnd reist mich hin vnd wieder
Durch Hecken-volle Berg' / in ein Cypressen Thal:
Vnd vnbewohntes Feld / vnd mahlt die raue Qual
Verliebter Seelen ab! Medèen seh' ich rasen:[36]
Ich seh auff Didus Brust von Blut geschwellte Blasen
Die bleiche Phyllis hangt von jhrem Mandelbaum /
Alcione sucht Ruh auff toller Wellen Schaum.
Doch wenn ich dich mein Hertz / Cardenio, erblicket
Schiß ich noch schlummernd auff / bald wirst du mir entrücket
Vnd gehest fern von mir durch eine raue Bahn;
Ich folge! doch vmbsonst: Es ist vmb mich gethan.
Du schlägst mein Winseln auß: Doch / kanst du mehr nicht lieben;
Warumb denn muß dein Bild auch traumend mich betrüben!
Was red' ich vnd mit wem! wie wenn die heisse Macht
Der Seuchen vns besiegt / ein zagend Hertze schmacht /
In hart entbrandter Glut; vnd die geschwächten Sinnen
Empfinden nach vnd nach wie Krafft vnd Geist zerrinnen /
Indem die inn're Flamm nunmehr den Sitz anfällt
In welchem sich Vernunfft gleich als beschlossen hält /
Denn taumelt der Verstand / denn jrren die Gedancken /
Denn zehlt die schwartze Zung deß abgelebten Krancken
Viel vngestalte Wort in stetem schwermen her /
Die Augen blind von Harm / von stetem wachen schwer
Sehn was sie doch nicht sehn! die Ohren taub von sausen!
Die hören hier Trompet; hier Schwerdt vnd Drommel brausen /
So handelt mich die Noth! was Rath! komm Gifft vnd Stahl;
Vnd end' / (ich bin mein selbst nicht mehr) die lange Qual.
Cardenio ist taub! mich soll der Tod erhören
Den ich in meiner Faust
[37] Sie erwischt ein Messer.
Celinde. Sylvia. Tyche.
CELINDE.
Wolt jhr mein Elend mehren
Mit trösten sonder Trost vnd rathes-losem Rath.
TYCHE.
Holdseligste den Rath bewahrt vollbrachte That.
SYLVIA.
Wer vntersincken wil sucht Mittel sich zu retten!
CELINDE.
Wir suchten / wenn wir hier nur einig Mittel hätten.
SYLVIA.
Wo noch ein Mittel ist so schlägt es Tyche vor.
CELINDE.
Ihr Mittel klingt zu raw in meinem zarten Ohr.
TYCHE.
Sie wil denn daß ich sie von Liebe soll entbinden!
CELINDE.
Nein / in Cardenio soll sie die Lieb entzünden.
TYCHE.
Sie richtet jhren Wuntsch stets nach dem alten Ziel:
CELINDE.
Doch so daß sein Verstand den minsten Schaden fühl.
TYCHE.
Gemütter sind so leicht nicht vnverletzt zu zwingen!
CELINDE.
Man soll Cardenio mir vnverletzt zubringen.
TYCHE.
Diß thut kein Liebes-Tranck / er greifft die Sinnen an!
CELINDE.
Der liebt nicht / der mich nur auß rasen lieben kan!
TYCHE.
Genung vor mich / wenn ich der Liebe nur geniesse:
CELINDE.
Mir nicht! daß mich der Mund vnd nicht das Hertze grüsse.
TYCHE.
Ein solches Lieben rührt auß höherm Vrsprung her.
CELINDE.
Ein solch' ists die ich von Cardenio begehr.
TYCHE.
Hat er denn sie vorhin so inniglich geliebet.
CELINDE.
So / daß sein Abschied mich biß auff den Tod betrübet:
TYCHE.
Wie wenn als menschlich ist der Tod hätt' euch getrennt /[38]
CELINDE.
Denn wer auff seiner Asch mein glüend Hertz verbrennt.
TYCHE.
Sie bild jhr ein er sey auff ewig jhr gestorben!
CELINDE.
Wenn nicht ein ander jhn durch neue Gunst erworben!
TYCHE.
Sie schlage diesen Wahn gantz mit jhm auß der Acht!
CELINDE.
Mein liebend Eifer ists der ewig in mir wacht.
TYCHE.
Vmbsonst! wenn sie auff ihn kein Vortheil kan erlangen.
CELINDE.
O warumb bin ich nicht mit erster Zeit vergangen!
TYCHE.
Viel andre wüntschen nach dem lieblichen Gesicht.
CELINDE.
Dein ists Cardenio, vnd keines andern nicht.
TYCHE.
Die grosse Schönheit wird leicht andre Freund' erwerben!
CELINDE.
Cardenio mein Freund ich wil die deine sterben!
TYCHE.
Sein Vndanck hat ja nie so treue Gunst verdient.
CELINDE.
Ade! ich habe mich zu jedem Tod' erkühnt.
SYLVIA.
O Himmel! sie vergeht!
TYCHE.
Ey noch nicht Mut verloren.
Celind!
SYLVIA.
Es ist vmbsonst sie hört mit tauben Ohren.
TYCHE.
Celind!
CELINDE.
Wer hält mich hier / ey gönnt mir meine Ruh!
TYCHE.
Nein Schönst: Es ist noch Rath.
CELINDE.
Komm Tod! du Tröster / du!
TYCHE.
Mitleiden prest mir auß recht vnverfälschte Zehren.
CELINDE.
Ach leider! wil man mir den süssen Tod erwehren!
TYCHE.
Nur Mutt! mir fällt gleich jetzt ein sicher Mittel ein.
CELINDE.
O möcht auff dieser Welt es zu erlangen seyn.[39]
TYCHE.
Zwar scheints ein wenig schwer: Doch möcht es seyn zu finden!
CELINDE.
Man wird auff ewig mich durch diesen Dienst verbinden.
TYCHE.
Wo jemand der sie trew' vnd ohne Falsch geliebt
Vor kurtzer Zeit entseelt.
CELINDE.
Ich werd' auffs new betrübt /
Marcell durch deinen Tod.
TYCHE.
Vnd jrgends hie vergraben!
So must ich dessen Hertz zu diesem Vorsatz haben /
Daß ich zu rechter Zeit vorhin mit jhrem Blut /
Vmb etwas angefrischt wolt auff geweyhter Glut /
Verbrennen gantz zu Asch:
SYLVIA.
Ich zitter es zu hören!
TYCHE.
Der Aschen Krafft muß ich mit heil'gen Worten mehren.
So bald Cardenio darvon was beygebracht /
Es sey in frischem Wein / es sey in Taffel Tracht /
Es sey in Zuckerwerck vnd was nur zu erdencken /
Auff Blümlein die man pflegt zum riechen zu verschencken:
Wird er durch neue Flamm' entsteckt mehr denn vorhin
Die suchen die er fleucht: So wahr ich Tyche bin.
CELINDE.
Wenn nun der Artzt vmbsonst hat Fleiß vnd Zeit verschwendet:
Vnd was nicht helffen kan bey Krancken auffgewendet /
Schlägt er / damit kein Schimpff sein altes Lob verzehr:
So frembde Kräuter vor / die niemals über Meer
In diesen Port gebracht! hätt ich die Specereyen:
(So spricht er) wolt ich stracks der Schmertzen euch befreyen
Ja schafft den Siechen auch zuweilen etwas an
Das keinem möglich ist vnd niemand leisten kan.
So eben handelt ihr vnd rühmt von solchen Dingen
Die mir vnd keinem nicht sind möglich auffzubringen![40]
Vnd dardurch gebt jhr mir nichts anders zu verstehn
Als daß ich sonder Rath müß in der Qual vergehn.
TYCHE.
Warumb doch: Wenn Marcell so viel auff sie gehalten?
Muß nicht sein Cörper sonst in einer Grufft veralten!
Wie leicht ist Sarg vnd Brust eröffnet bey der Nacht!
Wie leicht ist / was so schwer vns denkt / zu wegen bracht.
CELINDE.
Die Augen starren mir: Ich schreck'! ich beb'! ich zitter!
Soll der bißher vmb mich so wol-verdiente Ritter:
Vmb dich Cardenio (wie vorhin Seel vnd Geist /)
Jetzt auch sein todtes Hertz hingeben! Parcen reist /
Reist meine Faden ab!
TYCHE.
Wen hat sie mehr geliebet?
CELINDE.
Den freylich / der mich jetzt so schändlich übergibet.
TYCHE.
Vnd wagt sich selbst vor jhn? Warumb nicht eine Leich?
CELINDE.
Diß Stück ist vnerhört / vnd keinem Zufall gleich.
TYCHE.
Es ist vorhin gethan vnd hochbewehrt befunden.
CELINDE.
Ists möglich: Daß ein Mensch so viel sich vnterwunden?
TYCHE.
Die Eisen-harte Noth die vnser Leben quält
Zwang Seelen / Himmel an: Wo man die Sternen zehlt;
Zwang Seelen in der Lufft: In Wäldern Rath zu suchen:
Der Abgrund ward durchforscht: mit Segnen vnd mit Fluchen
Riß man das ehrne Thor der tiefsten Höllen auff:
Durch frembder Worte Macht begab sich in den Lauff /
Ein fest gewurtzelt Stamm: Die Geister in den Lüfften
Entdeckten was vns noth. Die Leichen auß den Grüfften
Verkündigten den Schluß den die Verhängnüß schrieb
Nichts war / das durch die Kunst vnüberwunden blieb
Die manch' ein grosses stund: Kein Fleisch / kein Eingeweide[41]
Der Kälber war genung / kein Hirsch in wilder Heide
Von Hunden auff gejagt! kein vnberührter Stier:
Kein auffgewachsen Hengst! kein vnvernünfftig Thier.
Die Geister / die die Welt die noth Geheimnüß lehren;
Muß man mit reinem Blut erkiester Menschen ehren:
Die forderten von dem ein vngeboren Kind /
Von dem die Mutter selbst. Der müst als taub vnd blind
Auff einer Wegscheid ihm die keusche Tochter schlachten /
Die Jenen rühr' ich nicht die jhre Feind' vmbbrachten /
Vnd brauchten von dem Blut befleckt vnd law vnd naß
Den abgestreifften Kopff zu einem Weyrauch-Faß /
Bekleidet mit der Haut / mit einem Darm vmbwunden.
Man hat ein zartes Kind noch lebendig geschunden /
Vnd auff das weiche Fell mit Blut die Schrifft gesetzt:
Die den vnd jenen Geist bald zwinget bald ergetzt.
Man hat deß Knaben Haupt vmbdrehend abgerissen
Auß welchem nachmals sich die Geister hören lissen:
Man hieb mit Ertz von dem / von jenem Cörper ab /
Was zu dem Opffer dient / man stanckert in dem Grab
Nach einer schwangern Faust / man zog den dürren Leichen
Die feuchte Leinwand auß; wenn etwa zu erreichen
Ein dörrendes Geripp / ein halb-verbrandtes Aas;
Ein Leib von welchem schon die Schaar der Raben fraß:
Feirt vnser Hauffe nicht: Man liß sich nicht erschrecken
Deß Nachts von einem Pfal auff dem Gespiste stecken
Zu rauben Daum vnd Haar / biß Mut vnd Fleiß vollbracht
Wornach der scharffe Sinn der Sterblichen getracht.
Warumb? Vmb die Natur durch neue Macht zu binden!
Cometen in der Höh vnd blitzen zu entzünden:
Zu stopffen frische Quäll / vnd Wellen zu erhöhn /
Wenn schon die Winde nicht (die an dem Joch vns gehn)
Sich regen in der See! es muß auff vnser fragen[42]
Ein Vieh'/ ein Baum / ein Bild / ein Marmor Antwort sagen!
Es kommt auff vnser Wort ein Fürst auß seiner Ruh
Der Proserpinen zog vor tausend Jahren zu /
Noch jetzt: wil sie der Frucht / Holdseligste genissen
So muß sie / daß der Kärn / was harte / nicht verdrissen /
Sie wag' es: Wer verzagt! hat nichts zu wegen bracht:
Sie schaff jhr stete Lust durch Arbeit einer Nacht.
CELINDE.
Wenn man in solcher That mich vnversehns ergriffe?
TYCHE.
Sie ist die erste nicht/ die fuhr in solchem Schiffe.
Der Hof / die grosse Stadt / das gantze Land ist voll
Von Seelen / denen nur bey diesen Künsten wol.
Viel wären eh' ins Grab als Hochzeit-Bette kommen
Wenn sie bewahrten Rath nicht bald in acht genommen:
Viel wären sonder Freund / vnd (was viel werther /) Gold:
Viel pflügten sonder Nutz vnd dienten sonder Sold.
Viel wären diese nicht / vor die man sie muß ehren:
Halt inn! was schwerm ich viel? Man darff nicht alles hören
Was sich verrichten läst.
CELINDE.
Gesetzt ich stünd es zu!
Mich hindert Thor vnd Schloß / Marcell hat seine Ruh /
In der verwahrten Kirch!
TYCHE.
Ist die nicht zu entschlissen?
Hat der / der sie verwahrt / nun ein so zart Gewissen?
Nein warlich! Cleon ließ mich offt vmb Mitternacht /
Offt eh die Sonne fiel / offt eh Dian erwacht
Bald mit Geferten ein / bald einig / wenn von nöthen:
Durch ein getaufftes Bild deß Feindes Kind zu tödten /
Wenn wo in einer Grufft / wenn auff dem Fron-Altar
Von Wachs / Papier vnd Schrifft was zu verbergen war.
Vertraut sie auff mein Wort / ich weiß jhn zu bewegen?
CELINDE.
Ich könte Tychens Rath vnd gründlich widerlegen!
Doch leider meine Noth hat mich so weit gebracht![43]
Daß ich / was ich nicht wil / doch zu versuchen tracht!
Die Seele zittert mir! vnd findet sich bestritten:
Von Schrecken / Lieb / vnd Furcht! was hab ich nicht erlidten!
Ich wüntsche ja den Tod! kan was mehr schädlich seyn!
Als von Cardenio auff stets geschieden seyn.
So wenn der Arm entbrannt vnd die erhitzten schweren
Das lebend-faule Fleisch als rinnend Wachs auffzehren!
Vnd greiffen mehr vnd mehr die nahen Mausen an /
Daß ohn die Sege nichts den Cörper retten kan /
Denn halt man bey sich Rath ob besser zu verscheiden /
Ob leichter außzustehn das vngeheure schneiden
Vnd weil man in der Angst noch zweiffelt ob dem Schluß
Streckt man den Arm dahin! ich leider Tyche muß
Hinfolgen wo du gehst! versuch (ich wil es reichen)
Durch auffgezehltes Gold / den Cleon zu erweichen.
Durchforsche sein Gemüt!
TYCHE.
Sein Hertz ist mir bekand
Er setzt jhr Gut vnd Gott vor baares Gold zu Pfand.
Reyen.
Es ist nicht ohn / wer auff Morast sich wagt /
(Wie schön er überdeckt mit jmmer frischem Grase
Das vnter jhm doch reist gleich einem schwachen Glase)
Hat (doch zu spät) die kühne Lust beklagt.
Er sinckt / wenn ihn nicht Rettung stracks erhält
Bald über Knie vnd Brust / in die verklemmten Pfützen /
Die Stimme schleust der Koth / der Stirnen kaltes schwitzen
Verwischt der Schilff darunter er verfällt.
So eben gehts / wenn man die Sünd anlacht /
Vnd wil ohn eine Schew mit jhren Nattern spielen;[44]
So fühlt man / eh man recht kan jhre Bisse fühlen
Daß sich die Gifft schon durch die Adern macht.
Celinde, kaum durch geile Brunst erhitzt /
Verließ das erste Feur vnd brant in neuen Flammen
Indem Marcell den Fall auch sterbend wil verdammen
Vnd durch die Brust Blut auff die Glut außsprützt.
Der Mord ist nicht recht in die Grufft versteckt;
Sie raset sonder Zaum vnd wil durch Frevel finden
Was jhrer Schönheit macht ohnmächtig ist zu binden.
Was fängt sie an? Starrt Seelen vnd erschreckt!
Der tolle Dunst / das schwartze Zauber-Spiel /
Soll hier geschäfftig seyn / man wil das Grab entweyen
Man fällt die Glieder an / die Sarg vnd Grab befreyen
Was suchst du doch! hier suchst du viel zu viel!
Halt weil noch Zeit! verführter Geist halt an!
Ach nein! du sündigst vmb mehr Sünde zu begehen!
Soll denn der Laster Lohn in diesem Lohn bestehen;
Daß keines lang' vnfruchtbar bleiben kan.[45]
Die Dritte Abhandelung.
Der Schaw-Platz stellet Lysanders Hauß vor.
Olympia.
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