«Sie will furchtbar gut sein – wie bei allem, was sie tut. Aber sie tanzt, als handelte es sich dabei um irgendetwas zwischen einem Kirchenbesuch und dem Training einer Pfadfindergruppe. Mutter ist zu… zu anständig zum Tanzen.»

«Tja, das hier ist etwas anderes», murmelte Heuston.

Die Tanzfläche hatte sich wie durch Zauberhand rings um ein hochgewachsenes, schlankes Paar geleert: Lita Wyant und Tommy Ardwin. Der Innenarchitekt, groß und geschmeidig, hatte die typische Silhouette eines Tänzers, war aber auch nicht mehr als eine Silhouette, ein Schatten an der Wand. Alles Licht und alle Musik im Raum waren in das fast durchsichtige Geschöpf in seinen Armen geflossen. Ardwin wirkte auf Nona wie jemand, der in einen Frühlingswald gegangen und mit einem langen Zweig voll silberner Blüten in der Hand zurückgekehrt war.

«Meine Güte! Quelle plastique!32», flötete die Marchesa über Nonas Schulter.

Die beiden hatten das Parkett für sich allein, alle anderen hatten aufgehört zu tanzen. Aber Lita und ihr Partner schienen sich dessen nicht bewusst zu sein. Sie war einzig dazu da, strahlenden Glanz zu verbreiten, und er nur dazu, sich ihr anzupassen. Ihr Gesicht war eine zarte, stille Blume auf einem schwankenden Stiel, aller Ausdruck lag in ihrem Körper, in diesem langen Legato, gleich wogendem, von einem Windhauch bewegtem Gras oder kleinen, ans Ufer schlagenden Wellen.

«Schau dir Jim an», sagte Heuston lachend. Von einer der Türen aus sog Jim Wyant das Bild gierig in sich auf. «Wahrhaftig», schienen seine Augen triumphierend auszudrücken, «das entschädigt für das ‹Cubist Cabaret› und all ihre anderen verrückten Launen.»

Lita schwebte an ihm vorbei, schenkte ihm ein Lächeln und glitt weiter auf den schimmernden Wellen ihrer Schönheit.

Plötzlich brach die Musik ab. Nona blickte durch den Saal und sah, wie sich Mrs Manford vom Musikerpodest entfernte. Der Dirigent hatte sich herabgebeugt, um mit ihr zu sprechen.

Es entstand eine kurze Pause, dann stimmte das Orchester einen Foxtrott an, und die Tanzfläche füllte sich wieder. Mrs Manford rauschte mit einem starren Lächeln vorbei – «das Lächeln, das sie immer zusammen mit ihrem Diadem aufsetzt», dachte Nona. Ja, vielleicht war es tatsächlich ungehörig von Lita, beim Ball ihrer Schwiegermutter die Tanzfläche für sich allein zu beanspruchen, aber war es der Fehler des armen Mädchens, dass alle anderen aufhörten, um ihr zuzuschauen, wenn sie doch so gut tanzte?

Ardwin trat zu Nona.

«O nein», protestierte Heuston flüsternd. «Ich wollte…»

«Aggie winkt dir.» Der Arm des Mädchens lag bereits auf Ardwins Schultern. Während sie sich immer weiter in den Saal hinein drehten, sagte Nona: «Sie haben Litas Tanzen wunderbar zur Geltung gebracht.»

Mit seiner hohen, selbstsicheren Stimme erwiderte er: «Oh, man muss ihr nur ihren Willen lassen und darf sich nicht einmischen. Jeder von uns beiden hat seine eigene Art, sich auszudrücken, es wäre dumm, da etwas zu vermengen. Wenn ich sie nur so weit brächte, ein einziges Mal für Serge Klawhammer zu tanzen; der sucht den ganzen Erdball nach einer Frau ab, die in Hollywood die neue Herodias33 spielen kann. Die Leute haben den Odaliskenstil34 satt, und mit meiner Hilfe könnte Lita etwas Neues entwickeln. Sie hat so gut wie zugesagt, heute nach dem Mitternachtsimbiss zu mir zu kommen und mit Klawhammer zu sprechen. Nur sechs oder sieben von den Eingeweihten – sind Sie dabei? Er saust schon morgen nach Hollywood zurück.»

«Will Lita wirklich kommen?»

«Nun, sie sagte erst Ja, dann Nein und schließlich wieder Ja.»

«Also gut.» Nona konnte Ardwin nicht ausstehen, seine Glätte, Geschmeidigkeit und Selbstsicherheit, den Kreis, in dem er das Sagen hatte, die Moden, die er diktierte, die Grundsätze, die er vertrat; sie hasste all das so inbrünstig und bedingungslos, dass sie glaubte, nun endlich des Rätsels Lösung gefunden zu haben. Das war es, natürlich! Ardwin und sein Kreis versuchten Lita zu überreden, zum Film zu gehen; das erklärte ihre Ruhelosigkeit und Reizbarkeit, die wachsende Abscheu gegen ihr eintöniges Leben. Nona atmete erleichtert auf. Wenn es nur das war!

Als der Tanz vorüber war, befreite sie sich und schlüpfte auf der Suche nach Jim durch das Gedränge. Sollte sie ihn bitten, sie zu Ardwin zu begleiten? Nein, sie würde einfach erklären, sie und Lita machten noch eine letzte Spritztour ins Atelier des Innenarchitekten, wo mehr Platz und weniger Tumult sei als bei Pauline. Jim würde lachen und einverstanden sein, vorausgesetzt, sie und Lita blieben zusammen. Unnötig, Klawhammer und seine idiotische «Herodias» zu erwähnen.

«Jim? Aber, Liebes, Jim ist schon lange heimgegangen. Ich werfe es dem armen Jungen nicht vor», seufzte Mrs Manford, der ihre Tochter aufgelauert hatte, «er muss ja so früh schon wieder im Büro sein, und es ist bestimmt furchtbar langweilig, die ganze Nacht herumzustehen und nicht zu tanzen. Aber, Liebchen, jetzt hilf du mir bitte, deinen Vater zu finden.