Es war Frühling. Frühling war es! –
Der Eichmeister Eibenschütz aber ging trostlos nach Hause. Was bedeutete ihm schon der Frühling? Was bedeutete ihm schon der Frühling? – Drei Tage später kam seine Frau nieder. In der Küche. Es war eine leichte Geburt. Kaum war die Hebamme gerufen worden, und schon war er da, der Sohn des Josef Nowak. Der Eichmeister Eibenschütz dachte, daß nur Bastarde so schnell und leicht zur Welt kommen.
Die Nacht, in der ihm der Sohn des Josef Nowak geboren wurde, verbrachte der Eichmeister in der Schenke Jadlowkers. An diesem Abend erschien auch wieder an seinem Tisch die Frau Jadlowkers. Wie beim erstenmal sagte Euphemia: »Sie trinken nichts?« – »Wenn Sie wollen, daß ich trinke, so trinke ich«, antwortete er. Sie schnalzte mit den Fingern, und der Diener Onufrij kam und schüttete das Glas des Eichmeisters voll.
Auch sie verlangte nach einem Glas. Man brachte es ihr. Sie trank den Neunziggrädigen in einem Zug aus.
Sie näherte ihr Angesicht dem Eichmeister, und ihm war es, als seien ihre Ohren mit den großen, leise klirrenden Ohrringen ihm beinahe näher als ihre hellen Augen. Er sah sehr wohl ihr schneeweißes Gesicht, aber wacher noch als sein Auge war sein Ohr. Er vernahm ganz deutlich das ganz leise Klingeln, das von dem sachten Anschlag der goldenen Münze an den Ohrring her kam, sobald die Frau eine Bewegung machte. Er dachte dabei, daß ihre Finger hart und stark und braun waren, seltsamerweise wußte er nicht mehr, weshalb er an ihre Finger denken mußte, dieweil er ihre Ohren ansah und das Klingeln der kleinen Goldmünzen vernahm.
Für die Dauer eines Augenblicks setzte sich auch Leibusch Jadlowker an den Tisch. Aber es dauerte nicht länger, als eben ein Schmetterling auf einer Blume sitzt. Im nächsten Moment war er weg. Euphemia beugte sich zu Eibenschütz hinüber und flüsterte: »Ich liebe ihn nicht! Ich hasse ihn!« – Hierauf lehnte sie sich zurück und nippte an ihrem Glase. Und an ihren Ohrläppchen klingelte es süß und sachte.
Eibenschütz konnte es nicht mehr aushalten. Er winkte dem Schankdiener Onufrij und zahlte und bestieg seinen Schlitten und fuhr nach Hause.
Er erinnerte sich nicht mehr, ob er der Frau Euphemia gute Nacht gesagt hatte oder nicht. Es erschien ihm plötzlich sehr wichtig.
Der Schnee war noch sehr hart, und der kleine Schlitten flog dahin wie mitten im Winter.
Aber von oben her wehte es schon milde und fast schon österlich herunter, und blickte man zum Himmel empor, so sah man, daß die Sterne nicht mehr so kalt und strenge dastanden. Es war, als hätten sie sich der Erde ein wenig mehr genähert. Auch ein sehr gütiger, kaum spürbarer Wind gab sich zu erkennen.
Es gab schon eine ganz gewisse herbe Süße in der Luft. Der Schimmel raste dahin wie noch nie, und dabei hatte Eibenschütz kaum die Zügel gestrafft. Der Schimmel warf von Zeit zu Zeit den Kopf hoch, wie um zu sehen, ob die Sterne schon der Erde näher gekommen wären. Auch er fühlte, daß der Frühling nahe war.
Besonders aber fühlte es der Eichmeister Anselm Eibenschütz. Während er seinem tristen Heim entgegenglitt, durch den glatten Schnee, unter dem milden Himmel, dachte er daran, daß ihn zu Hause ein Bastard erwartete. Auch darüber war er im Grunde sehr froh. Denn noch stärker dachte er an das Wort, daß ihm Euphemia gesagt hatte: »Ich liebe ihn nicht. Ich hasse ihn!«
Er hörte das Klingeln ihrer Ohrringe!
XV
Zu Hause schrie der Säugling.
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