Dann kam er an die Küchentür, die von innen abgesperrt und verriegelt war. Mit dem Küchenfenster hatte er mehr Glück, es war nicht ganz abgeschlossen. Als er es öffnete, knarrte es so laut, daß es bestimmt im ganzen Haus zu hören war. Aber als er das Bein über den Fenstersims schwang und in den dunklen Raum einstieg, blieb alles still. Wade lief die teppichbelegte Treppe hinauf und kam in einen Flur mit drei Türen. Die erste führte ins Bad, das erst kürzlich benutzt worden war, denn als er die Tür öffnete, wehte ihm der Duft eines zarten Parfüms entgegen. Feuchte Handtücher hingen über eine Stuhllehne. Der große Spiegel glänzte, und auf dem kleinen Tischchen davor hatte jemand eine Puderquaste aus Waschleder und einen orangefarbenen Lippenstift liegenlassen. Er fand eine halbvolle Tüte mit Badesalz, die Seife war ein sündteures Fabrikat und kaum benutzt. Hier also hatte Aschenputtel sich verwandelt.

Wade ging ins Vorderzimmer. Es war geradezu peinlich sauber, und auf dem Bett ausgebreitet lag das Kleid, das Lila getragen hatte. Davor standen die silbernen Schuhe.

Er entdeckte keine Strümpfe, die hatte sie wahrscheinlich anbehalten.

Sorgfältig durchsuchte er das Zimmer. Die Fenster waren mit dickem Filz abgedichtet, so daß nicht einmal ein Lichtschimmer nach draußen dringen konnte. Elektrischen Strom gab es nicht im Haus, die Lichtquelle war eine große Paraffinlampe, die auf dem Tisch stand. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, zündete Wade sie an, um besser sehen zu können. Nahe beim Bett befand sich ein großer Einbauschrank. Wade versuchte, ihn zu öffnen, aber er hatte ein Patentschloß und war offensichtlich sehr stabil. Ein Tisch, zwei Sessel, einer davon sehr bequem, ein hoher Wandspiegel — das war das gesamte Mobiliar. Langsam und nachdenklich stieg der Inspektor die Treppe wieder hinunter. Dieses Haus gab ihm Rätsel auf. Ließen Brown oder Mutter Oaks oder wer auch immer die Villa das ganze Jahr leerstehen, damit Lila sich hier umziehen konnte? Und wenn das zutraf... Er war eben auf der letzten Stufe angelangt, als er hörte, daß jemand einen Schlüssel in das Schloß der Haustür schob. Rasch lief er in die Küche und versteckte sich. Die Haustür ging auf, ein Mann flüsterte etwas, dann fiel die Tür zu. Schritte kamen näher. Aus einem ihm selbst unerklärlichen Grund fröstelte Wade. Er war zwar nicht nervös, aber was er hier erlebte, war doch unheimlich -unheimlicher noch als Lilas seltsamer Ausflug in die große Welt.

Einer der Männer blieb vor dem Hinterzimmer stehen und ging hinein. Kurz darauf sah Wade unter dem Türspalt einen Lichtschimmer. Im ganzen Haus roch es eigenartig nach Moschus, und noch bevor er die hohen, singenden Stimmen hörte, wußte er, daß die Männer Chinesen waren. Während Wade noch lauschte, näherten sich auf dem gefliesten Gartenweg rasche Schritte, und er hatte gerade noch Zeit, wieder in die Küche zurückzuweichen, als ein dritter Mann das Haus betrat.