Wir konnten ihn bisher noch nicht identifizieren. Ich habe seine Fingerabdrücke nehmen lassen, und einer der führenden Männer aus dem Chinesenviertel hat ihn sich angesehen. Ohne Erfolg.« Mitternacht war längst vorüber, als Wade in den »Mekka«-Club kam. Und diesmal war er nicht allein. Golly Oaks saß in Hemdsärmeln im Speiseraum und rauchte eine kurze, verrußte Tonpfeife. »Mutter Oaks schläft wohl schon?« fragte Wade. »Sie war heute abend nicht zu Hause.«

»Das weiß ich selbst«, entgegnete Wade schroff. »Deshalb möchte ich ja mit ihr reden.«

Golly Oaks stieg mühsam von dem Tisch herunter, auf dem er gesessen hatte, warf den beiden Kriminalbeamten in Wades Begleitung einen gehässigen Blick zu und verschwand. Als er zurückkam, winkte er Wade, ihm zu folgen, und führte ihn in Mutter Oaks' Zimmer. Mit zusammengepreßten Lippen und finsterer Miene blickte sie dem Inspektor entgegen.

»Was bedeutet das?« fragte sie in scharfem Ton. »Im Augenblick«, antwortete Wade, »bedeutet es Mord, und das ist ziemlich schlimm.« »Mord?« wiederholte sie ungläubig.

»Ein Chinese wurde heute nacht von einem oder zwei Männern ermordet, die sich vor dem Mord in einem kleinen Haus in der Langras Road aufhielten, zu dem sie offenbar Schlüssel hatten. Es war genau das Haus, in dem Sie kurz vorher mit Lila gewesen waren.«

Sie verstellte sich nicht, ihre Bestürzung war echt. Aber sie erschrak auch nicht so sehr, daß sie sich verriet. Sie hatte sofort eine Erklärung bei der Hand.

»Stimmt, ich war heute abend in dem Haus in der Langras Road«, sagte sie. »Es gehört meiner Schwägerin, und wir versuchen schon seit Jahren, einen Mieter dafür zu finden.« »Sie waren mit Lila dort?«

»Habe ich etwas anderes behauptet?« fragte sie mürrisch zurück. »Sie hat sich umgezogen, weil sie sich mit — mit ihrem Vater traf. Sie wollen bestimmt wissen, wer Lilas Vater ist, Sie Bulle, aber da muß ich Sie enttäuschen, von mir erfahren Sie es nicht.«

Inspektor Wade kniff die Augen zusammen. »Immer schön höflich bleiben, Mrs. Oaks, dann kommen wir viel besser miteinander aus. Doch wenn Sie unbedingt mit dem Mord in Verbindung gebracht werden wollen, können Sie sich ruhig ein paar Frechheiten mir gegenüber erlauben. Wenn ich die Informationen, die ich brauche, hier nicht bekomme, nehme ich Sie mit aufs Revier. Ist das klar?«

Er sah den Zorn in ihren Augen, aber ihre Stimme klang völlig zerknirscht. »Entschuldigen Sie, Mr. Wade, begreiflicherweise bin ich ein bißchen aufgeregt. Wo wurde der Mann ermordet? Im Haus?«

»Wußten Sie, daß es von Chinesen benutzt wurde?« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Ich wußte nicht, daß es außer mir überhaupt noch jemand benutzte. Ich mache alle paar Monate dort sauber — zusammen mit Lila.« »Wer ist Lilas Vater?«

Doch hier blieb sie ihm die Antwort schuldig. »Ich werde mich hüten, einen Skandal vom Zaun zu brechen — das müssen Sie doch verstehen. Der Gentleman hat Familie.« »Weiß Lila Bescheid?«

Mutter Oaks zögerte. »Nein.