»Ich weiß nichts von einem Ring. Sie hat mir nicht gesagt...« Er riß sich zusammen und fuhr fort: »Mehr kann ich Ihnen über die Frau nicht sagen. Sie wohnt irgendwo in Camberwell — dort habe ich sie jedenfalls abgesetzt. Morgen ist ihr Termin beim Polizeigericht. Wenn sie nicht kommt, kostet es mich einen Zehner.«

Wade lächelte in die Dunkelheit hinein. »Angenommen, Sie haben sie irgendwohin gebracht, wo wir sie nicht finden und nicht vernehmen können?« Lord Siniford geriet in Erregung. »Sie sind verdammt unverschämt!« sagte er laut. »Ich wollte einfach an einer alten Dienerin unserer Familie christliche Nächstenliebe üben, verdammt noch mal! Könnte ein Gentleman weniger tun? Und Sie haben die Stirn zu behaupten, ich hätte einer gewöhnlichen — Diebin geholfen, die Ringe stiehlt. Das ist abscheulich! Gleich morgen früh gehe ich zum Polizeidirektor.« »Warum nicht noch heute abend?« fragte Wade. »Ich gebe Ihnen seine Telefonnummer.« Aus Siniford war nichts herauszubekommen. Wade konnte nur warten, bis Anna Smith am nächsten Morgen vor dem Polizeigericht in der Marlborough Street erschien, wo ihr Fall verhandelt werden sollte. Er war pünktlich im Gerichtssaal. Doch als Anna Smith aufgerufen wurde, erhob sich ein Rechtsanwalt, den Lord Siniford anscheinend noch im letzten Augenblick hinzugezogen hatte, und erklärte, die Beschuldigte sei unauffindbar. »Er hat sie irgendwohin aufs Land gebracht«, sagte Wade zu einem Kollegen. »Kennen Sie Siniford?« Der Bezirksinspektor schüttelte den Kopf. »Nein, ich weiß nur, daß er einer von den Nichtsnutzen ist, die das West End unsicher machen.« »Hat er ein Haus auf dem Land?«

»Nein, das hat er nicht.« Der Inspektor lächelte. »Aber ich muß Ihnen was erzählen. Früher hatte er eine Menge Scherereien, weil er auf dem Land ein Haus nach dem anderen mietete und verschwand, ohne die Miete zu bezahlen. Möglicherweise hat er eine Villa am Fluß, das war schon früher sein liebstes Revier. Ich weiß, daß er manchmal zwei, drei Häuser im Jahr mietete und jeden Vermieter um sein Geld prellte. Seitdem er zu Geld gekommen ist, hat er dieses Spiel wahrscheinlich aufgegeben, aber vielleicht gilt seine stille Liebe noch immer dem Fluß. Ich werde mich erkundigen.« Doch die Nachforschungen blieben ergebnislos. Nicht nur Anna Smith fehlte beim Gerichtstermin, auch Captain Aikness war nicht erschienen. Wade hätte ihn gern gesehen, um sich vielleicht ein Urteil darüber bilden zu können, warum die alte Frau sich auf ihn gestürzt hatte. Hier begann sein Zuständigkeitsbereich, denn die »Seal of Troy« lag in seinem Revier vor Anker. Er hatte sie ein paarmal gesehen, als er mit der Polizeibarkasse flußauf und flußab gefahren war, ein 5000-Tonnen-Trampschiff, das sich von den übrigen seiner Art nur dadurch unterschied, daß es zwei Schornsteine hatte. Es lag in der Mitte des Flusses und nahm eine Ladung Maschinen an Bord. Zwei schwer beladene Leichter waren längsseits gegangen, und Wade hatte zugesehen, wie die riesigen Frachtkisten in die Laderäume der »Seal of Troy« gehievt wurden. Um drei Uhr nachmittags legte die Polizeibarkasse neben dem Fallreep des Schiffes an, und Wade kletterte an Bord. Ein dunkelhäutiger Schiffsoffizier, vermutlich ein Südamerikaner, nahm ihn in Empfang.