Daß das nicht zutraf, stellte sich heraus, als sein ehemaliger Schwiegervater auf gerichtlichem Weg Geld bei ihm eintreiben ließ, das er sich während seiner kurzen Ehe ausgeliehen hatte. Er war häufig in Bars und gelegentlich auf Rennplätzen anzutreffen. Früher hatte er selbst zwei Rennpferde besessen, sich jedoch etwas überstürzt vom Turf zurückgezogen, als nach einem Rennen wegen eines dieser Pferde gewisse Zweifel auftauchten und eine Untersuchung angeordnet wurde. Die Polizei kannte ihn als gutmütigen Menschen, doch ihre Achtung vor ihm hielt sich in Grenzen, da sie einiges über ihn wußte, was nicht ganz jugendfrei war.

Als Inspektor Wade ihn in der St. James's Street aufsuchen wollte, war er nicht zu Hause, und sein schlampiger Diener hatte angeblich keine Ahnung, wann er zurückkommen würde.

»Seine Lordschaft kommt, wann es ihm paßt«, sagte er. »Sie sind von der Polizei, nicht wahr? Es waren schon ein paar Kollegen von Ihnen hier. Seine Lordschaft hat für eine Frau die Kaution bezahlt, aber hier waren die beiden nicht.« »Hat er einen Wagen?« »Ja. Er hat einen Stellplatz in einer Großgarage, aber ich weiß nicht, wie sie heißt.« »Dann denken Sie gefälligst nach!« fuhr der Inspektor ihn an. Das Gedächtnis des Dieners funktionierte plötzlich wieder, und Wade ging in die Garage an der Dean Street. Dort erfuhr er, daß Sinifords Wagen kurz vor Mitternacht abgeholt worden war. Als er eben wieder auf die Straße trat, bog ein kleines Auto um die Ecke und hielt vor der Garageneinfahrt. Ein Mann stieg aus, und Wade erkannte in ihm den jungen Betrunkenen, den er vor ein paar Tagen vor dem Restaurant «Lydbrake« gesehen hatte. Wade verlor keine Zeit. »Ich bin Kriminalbeamter, Lord Siniford«, sagte er. »Mein Name ist Wade.« Lord Siniford blinzelte ihn aus kurzsichtigen Augen an. »Ich kenne Sie, wir sind uns erst vor ein paar Tagen begegnet. Der Portier des ›Lydbrake‹ hat mir verraten, wer Sie sind. Was wollen Sie?« »Ich möchte mit der Frau sprechen, für die Sie die Kaution hinterlegten.«

»Ach wirklich?« Lord Siniford schien leicht belustigt. »Tja, mein Lieber, dann suchen Sie sie mal schön.« Er war stocknüchtern, entweder war die Wirkung des Alkohols bei der Autofahrt verflogen, oder er hatte einen Schock erlebt. »Ich glaube, sie hat Sie Tommy genannt. Kannten Sie sie?« »Stellen Sie mir keine albernen Fragen, guter Mann.« »Kennen Sie sie?« »Aber nein.« »Dann erklären Sie mir bitte, warum Sie die Kaution für sie bezahlt und dem Polizeisergeant gesagt haben, sie sei Ihnen seit Jahren bekannt.«

Seine Lordschaft war leicht betroffen. »Nun schön, ich kenne sie. Sie war jahrelang Dienerin bei uns. Sie heißt Anna Smith.« »Wohin haben Sie sie gebracht?« »Sie bat mich, sie in der Nähe ihres Hauses in Camberwell abzusetzen.«

»Man braucht doch von hier nach Camberwell und zurück nicht zwei Stunden, oder?« Wade hörte Siniford schwer atmen.

»Ich verweigere die Aussage. Ich bin mit Anna nur nach Camberwell gefahren ...«

»Auf der Polizeistation hat sie erklärt, sie wohne in Holloway«, fiel Wade ihm ins Wort. »Das scheint mir von Camberwell doch ein ganz schönes Stück entfernt. Lord Siniford, es wäre wirklich besser, Sie würden mir alles erzählen, was Sie über diese Frau wissen. Ich habe einen ganz besonderen Grund für meine Fragen. Man hat bei ihr einen Ring gefunden, der vor ein paar Tagen aus einer Polizeistation gestohlen wurde. Es ist unglaublich wichtig, daß ich sie sofort sehen und mit ihr über den Ring sprechen kann.«

»Ein Ring?« Siniford war aufrichtig verblüfft.