Der Chef nickte. »Wenn wir das Schiff durchsuchen lassen, finden wir bestimmt nichts. Sie rechnen garantiert damit und haben alle hiebund stichfeste Alibis. Was schlagen Sie vor?« »Am besten schicken wir ein Polizeiboot mit zwei Beamten stromaufwärts, die überall anfragen, ob jemand einen Gewehrschuß gehört oder gesehen hat, daß aus einem Gewehr geschossen wurde«, sagte Wade. »Sie sollen natürlich auch auf der ›Seal of Troy‹ nachfragen. Sie dürfen kein Schiff, kein Boot, keinen Landeplatz auslassen. Vielleicht sollten sie auch so ganz nebenher erwähnen, daß ich schwer verletzt bin. Und es wäre sicher nicht schlecht, wenn man mir einen Verband anlegen und den Krankenwagen bestellen würde.« »Der Junge hat recht«, sagte Inspektor Elk. »Ich bringe Sie höchstpersönlich nach Hause und bleibe bei Ihnen, Wade. Ich bin eine der besten Krankenschwestern, die je Polizist wurde.« Bald darauf erlebte jener Teil der Bewohner von Wapping, der mit der Unterwelt sympathisierte, die Genugtuung, daß vor Inspektor Wades Haus ein Krankenwagen vorfuhr, eine Trage vorsichtig herausgehoben und ins Haus gebracht wurde. »Endlich hat es ihm jemand gegeben, verdient hätte er es längst«, erklärte begeistert ein Zuschauer. »Er wollte es ja nicht anders.« Auf der »Seal of Troy« wurde bis in die Nacht hinein gearbeitet. Große Seitenlampen an Backbord und Steuerbord erhellten das ganze Schiff, und von den Leichtem schwebten an dicken Stahltrossen die schweren Packkisten zu den Ladeluken hinauf. Als ein Stauer mit rußverschmiertem Gesicht über eine Jakobsleiter an Bord kletterte, beachtete ihn niemand. Nicht einmal der dunkelhäutige südamerikanische Offizier bemerkte ihn, der von der Brücke aus die Ladearbeiten leitete. Der Eindringling hielt sich im Schatten und war ein aufmerksamer Zuhörer, denn Hafenarbeiter schwatzen gern. »... zwei Bullen von der Flußpolizei waren hier und wollten wissen, wer geschossen hat. Hast du einen Schuß gehört, Harry?«
»So ein Quatsch!« antwortete Harry, den der Mann im Schatten allerdings nicht sehen konnte. »Die Bullen behaupten dauernd, daß auf dem Fluß irgend etwas passiert. Sie saugen es sich einfach aus den Fingern.« »Sie waren auf jedem Schiff - drei Mann hoch. Angeblich hat es Wade schwer erwischt.«
Der Horcher lächelte in sich hinein und warf einen Blick zum Niedergang, wo ein kleiner, häßlicher Steuermannsmaat Wache hatte. Die Schott zum Niedergang an Backbord war geschlossen und verriegelt. Es war unmöglich, auf das Oberdeck zu gelangen, ohne vom Zweiten Offizier gesehen zu werden, der auf der Brücke stand.
Der wachhabende Steuermannsmaat interessierte sich für die Ladearbeiten. Ein- oder zweimal hatte er sich schon ein paar Schritte von seinem Posten entfernt, um zuzusehen, wie ein Frachtstück in den Laderaum versenkt wurde. Und dann kam es zu einem kleinen Zwischenfall: Eine der großen Packkisten prallte gegen die Ladeluke, begann, aus der Halterung zu rutschen, die Stauer schrien sich gegenseitig Warnungen zu. Wieder verließ der neugierige Steuermannsmaat seinen Posten, und die Tür zum Niedergang war für kurze Zeit unbewacht. Wie der Blitz huschte der als Stauer verkleidete Unbekannte in den Gang. Er mußte an der Kombüse vorbei, aber der Koch kehrte ihm den Rücken zu, und kurz darauf erreichte er einen engen Quergang, von dem aus eine Kajüttreppe tiefer führte. Gewöhnlich liegen auf einem Trampschiff die Kajüten der Schiffsoffiziere auf dem Bootsdeck.
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