Dessen war er sich offenbar bewußt, denn als Wade wieder auf die sanfte Tour umschaltete, lächelte der kleine Mann nur geringschätzig.

»Mich können Sie nicht bluffen, Inspektor. Ich weiß, wie weit Sie gehen dürfen.«

»Und Sie wollen nicht vernünftig sein?« fragte Wade. »Obwohl ich Ihnen doch ein so guter Freund bin?« »Ich brauche keine Freunde«, erwiderte Oaks verächtlich. »Und wenn ich welche wollte, dann bestimmt keine Bullen.« »›Bulle‹ ist aber ein sehr ungewöhnlicher Ausdruck, Golly«, sagte Wade. »Sie wollen mir also nicht die Geschichte Ihrer heimlichen Liebe erzählen? Etwas über die Frau, mit der Sie durchgebrannt sind.« »Ich bin mit keiner Frau nicht durchgebrannt!« fauchte Oaks. Sein Zorn war verständlich, und Wade hatte einen derartigen Ausbruch erwartet. Auf die wütende Feindseligkeit in Oaks' Stimme war er jedoch nicht vorbereitet gewesen. Er entdeckte Seiten in Golly Oaks' Charakter, die er bei dem friedlichen kleinen Mann nie vermutet hätte.

Wade verließ sich häufig auf ein intuitives Gefühl bei der Einschätzung eines Menschen. Im Moment war er über diesen neuen Golly Oaks jedoch viel zu verblüfft, um einen seiner üblichen Scherze anzubringen. Immer hatte er in Oaks einen typischen Pantoffelhelden gesehen, den unterdrückten Mann einer Frau, die viel, viel klüger und gefährlicher war als er. Er war eine Witzfigur, bemitleidenswert, aber ganz bestimmt niemand, der bei den Unternehmungen eine Rolle spielte, die im »Mekka« oder irgendwo in der Nähe ihren Ausgang nahmen. Golly Oaks mußte gemerkt haben, was er angerichtet hatte, denn sofort wurde er wieder sanft und unterwürfig. »Sie bellen den falschen Baum an, wie man so sagt, Inspektor. Ich habe keinem etwas getan, und es ist nicht recht, daß Sie hinter mir her sind wie der Teufel hinter der armen Seele.« Wade nickte. »Na ja, lassen wir's gut sein, Golly«, sagte er. Er ging bis zur Straßenecke vor, blieb unter einer Laterne stehen und sah der grotesken Gestalt nach, die in der Nacht verschwand. Grotesk deshalb, weil sich an einem von Oaks' Hosenbeinen die Verschnürung lockerte und die Hose ihm viel zu lang war. Das Geräusch seiner Nagelschuhe wurde leiser, und Wade wandte sich, leicht beunruhigt und sehr neugierig geworden, wieder in die Richtung, aus der er gekommen war. Golly Oaks würde annehmen, daß er beschattet wurde, und bestimmt versuchen, den Verfolger abzuschütteln. Das war in gewisser Weise von Vorteil. Ein paar Minuten später lief Wade ein Kriminalbeamter über den Weg. Der Inspektor gab ihm eine möglichst genaue Beschreibung von Golly Oaks und ein paar Anweisungen.

»Folgen Sie ihm, und stellen Sie fest, wo er wohnt. Wahrscheinlich in irgendeiner billigen Pension. Von morgen an beschatten wir den Mann rund um die Uhr.« Auf dem Heimweg beschäftigten Wade ein paar knifflige Probleme. Warum verkleidete sich Oaks als Kanalarbeiter, um Blumen kaufen zu gehen. Das war wirklich merkwürdig. Wegen einiger Stiefmütterchen riskierte er es, erkannt zu werden. Wade erinnerte sich, daß Oaks Blumen liebte und immer wieder versuchte, auf dem Kai vor dem »Mekka« einen Garten anzulegen. Doch diese Blumen waren ganz offensichtlich nicht für das »Mekka« bestimmt.

Der alte Ex-Polizist Henry, Wades Hausfaktotum, kannte Oaks ziemlich gut.

»Das ist komisch«, sagte er, nachdem der Inspektor ihm von der Begegnung erzählt hatte. »Golly ist kein großer Gärtner.