Nach einigen Schritten erwiderte er traurig:

»Du hast unrecht, Miette, dein Zorn ist nicht gut. Man darf sich nicht gegen Recht und Gesetz auflehnen. Ich ziehe in den Kampf für unser aller Recht, ich habe keinerlei Rachegefühle zu befriedigen.«

»Trotzdem«, fuhr das junge Mädchen fort, »möchte ich ein Mann sein und schießen. Ich meine, das müßte mir guttun.« Als Silvère weiterhin schwieg, merkte sie, daß sie ihn verstimmt hatte. Ihre Erregung ließ sofort nach. Mit flehender Stimme stammelte sie: »Du bist mir doch nicht böse? Es ist ja nur dein Fortgehen, was mir Kummer macht und mich auf diese Gedanken bringt. Ich weiß ja, daß du recht hast und daß ich mich bescheiden muß …« Sie fing an zu weinen.

Silvère war ergriffen, er nahm ihre Hände und küßte sie.

»Sieh doch«, sprach er zärtlich, »aus dem Zorn kommst du ins Weinen, wie ein Kind! Du mußt vernünftig sein. Ich schelte dich nicht … Ich möchte dich nur gern glücklicher sehen, und das hängt viel von dir selber ab.«

Das Geschehen, dessen Erinnerung Miette eben so schmerzlich heraufbeschworen hatte, machte die beiden Liebenden für einige Minuten ganz traurig. Mit gesenktem Kopf gingen sie weiter, von ihren Gedanken verwirrt.

»Hältst du mich eigentlich für soviel glücklicher als dich?« fragte Silvère, der unwillkürlich wieder auf das Gespräch zurückkam, nach einem Augenblick. »Was wäre wohl aus mir geworden, wenn meine Großmutter mich nicht zu sich genommen und großgezogen hätte? Außer Onkel Antoine, einem Arbeiter wie ich, der mir die Liebe zur Republik beigebracht hat, scheinen alle meine übrigen Verwandten Angst zu haben, daß ich sie schmutzig mache, wenn ich auch nur an ihnen vorbeigehe.« Er erregte sich beim Sprechen, blieb stehen und hielt Miette mitten auf der Straße zurück. »Gott ist mein Zeuge«, sprach er weiter, »daß ich niemanden beneide oder verabscheue. Aber wenn wir siegen, werde ich ihnen dennoch die Meinung sagen müssen, diesen feinen Herren. Onkel Antoine weiß allerlei von ihnen zu erzählen. Du wirst schon sehen, wenn wir zurückkommen. Wir alle werden dann frei und glücklich leben.«

Miette zog ihn sanft weiter, und sie setzten ihren Weg fort.

»Du hast deine Republik sehr lieb«, sagte die Kleine mit einem Versuch zu scherzen. »Hast du mich ebenso lieb wie sie?« Sie lachte, doch es war etwas Bitteres in ihrem Lachen. Vielleicht fand sie, daß sich Silvère recht leicht von ihr trennte, um in die weite Welt zu ziehen.

Der junge Bursche antwortete ernst:

»Du, du bist meine Frau. Ich habe dir mein ganzes Herz geschenkt. Versteh, ich liebe die Republik, weil ich dich Hebe. Wenn wir erst verheiratet sind, brauchen wir viel Glück. Und um eines Teils dieses Glücks willen gehe ich morgen früh fort … Du rätst mir doch nicht etwa, zu Hause zu bleiben?«

»Nein!« rief das junge Mädchen lebhaft. »Ein Mann muß stark sein. Mut ist etwas Schönes! – Du mußt mir meine Eifersucht verzeihen! Ich möchte gern genauso stark sein wie du. Dann würdest du mich noch mehr lieben, nicht wahr?« Sie schwieg einen Augenblick, dann fügte sie mit reizender Lebhaftigkeit und Unschuld hinzu: »Ach! Wie gern ich dich umarmen und küssen werde, wenn du zurückkommst!«

Dieser Aufschrei eines liebenden und tapferen Herzens rührte Silvère tief. Er nahm Miette in die Arme und küßte sie ein paarmal auf die Wangen.