Sie hegte einen wohlbegründeten Haß gegen die Provinzherrchen, jenes saft und kraftlose Volk der Notariatsschreiber, der zukünftigen Rechtsanwälte, die mit Zittern auf eine Praxis hoffen. Da sie ohne die geringste Mitgift auf die Verbindung mit einem reichen Kaufmannssohn verzichten mußte, zog sie einen Bauern, aus dem sie ein willfähriges Werkzeug zu machen hoffte, tausendmal einem armseligen Studierten vor, der sie mit seiner höheren Bildung erdrücken und sie auf der Jagd nach eitlen Nichtigkeiten jämmerlich durchs Leben schleppen würde. Sie war der Ansicht, daß die Frau den Mann formen müsse. Sie traute sich zu, aus einem Kuhhirten einen Minister zu machen. Was sie für Rougon einnahm, war seine breite Brust, der untersetzte Körper, dem es dennoch nicht an einer gewissen Eleganz mangelte. Ein so gebauter Bursche mußte wohl mit kecker Leichtigkeit die Welt von Intrigen auf die Schultern nehmen, die sie ihm aufzubürden gedachte. Wenn sie die Körperkraft und die Gesundheit ihres Gatten schätzte, so hatte sie außerdem bemerkt, daß er durchaus kein Schwachkopf war; sie hatte in dem schweren Körper die tückische Wendigkeit seines Geistes erspürt. Aber sie war weit davon entfernt, ihren Rougon wirklich zu kennen; sie hielt ihn immer noch für dümmer, als er war. Als sie wenige Tage nach ihrer Heirat zufällig in der Schublade eines Schreibtisches kramte, fand sie die von Adélaïde unterzeichnete Empfangsbestätigung über die fünfzigtausend Francs. Sie begriff und erschrak; ihrer halbwegs ehrlichen Natur widerstrebten derartige Mittel. Ihr Entsetzen war jedoch mit einer Art Bewunderung gemischt. Rougon wurde hierdurch in ihren Augen ein sehr tüchtiger Mann.

Das junge Paar machte sich tapfer daran, ein Vermögen zu erwerben. Die Firma Puech & Lacamp war weniger gefährdet, als Pierre gedacht hatte. Die Schuldsumme war gering, es fehlte nur an Geld. In der Provinz ist der Handel vorsichtig in seinem Gebaren, und das bewahrt ihn vor großen Katastrophen. Die Herren Puech und Lacamp gehörten zu den sehr umsichtigen Leuten; sie zitterten, wenn sie tausend Taler aufs Spiel setzen sollten. Daher hatte ihr Geschäft, ein wahres Loch, nur sehr geringe Bedeutung. Die fünfzigtausend Francs, die Pierre mitbrachte, genügten, um die Schulden zu bezahlen und dem Geschäft gleichzeitig eine größere Ausdehnung zu geben. Der Anfang war günstig. Drei Jahre hintereinander gab es reiche Olivenernten. Mit einem Wagemut, der Pierre und den alten Puech seltsam erschreckte, veranlaßte Félicité die beiden, eine beträchtliche Menge Öl zu kaufen, es zusammenzuhamstern und einzulagern. Die junge Frau hatte richtig vorausgeahnt: in den beiden folgenden Jahren gab es eine Mißernte, die Ölpreise gingen stark in die Höhe, und sie konnten ihren Vorrat mit großem Gewinn verkaufen.

Kurze Zeit nach diesem schönen Erfolg zogen sich Puech und Herr Lacamp aus dem Geschäft zurück, froh über die paar Sous, die sie soeben verdient hatten, und von dem Ehrgeiz besessen, als Rentiers21 ihr Leben zu beschließen.

Das junge Paar, nun allein Herr im Hause, meinte, endlich das Glück an sich gefesselt zu haben.

»Du hast mein Pech überwunden«, sagte Félicité zuweilen zu ihrem Mann.

Eine der wenigen Schwächen dieser energischen Natur war, sich von Mißgeschick verfolgt zu glauben. Bis jetzt, behauptete sie, sei ihnen nichts geglückt, weder ihr selbst noch ihrem Vater, trotz aller Anstrengungen. In ihrem südländischen Aberglauben begann sie gegen das Schicksal anzugehen, wie man gegen jemanden von Fleisch und Blut ankämpft, der einen erwürgen will.

Die Tatsachen sollten ihre Befürchtungen in merkwürdiger Weise bald rechtfertigen.