Konsolen mit Spiegeln darüber standen an den beiden Schmalseiten des Zimmers. Sogar ein Teppich war vorhanden, der allerdings nur die Mitte des Parketts bedeckte, und ein Kronleuchter in einer Hülle aus weißem Musselin, die die Fliegen mit schwarzen Punkten übersät hatten. An den Wänden hingen sechs Steindrucke, Darstellungen der großen Schlachten Napoleons. Diese Einrichtung stammte aus den ersten Jahren des Kaiserreichs. Als einzige Verschönerung erreichte Félicité, daß das Zimmer mit einer orangefarbenen Tapete mit großen Ranken neu tapeziert wurde. Auf diese Weise hatte der Salon eine eigentümliche gelbe Farbe bekommen, die ihn mit einem falschen, grellen Licht erfüllte; die Möbel, die Tapete, die Fenstervorhänge waren gelb, vom Teppich bis zum Marmor des Tischchens und der Konsolen spielte alles ins Gelbliche. Wenn die Vorhänge zugezogen waren, wirkten die Farben jedoch recht harmonisch, und der Salon machte beinahe einen guten Eindruck. Aber Félicité hatte einen ganz anderen Luxus erträumt. Mit stummer Verzweiflung betrachtete sie diese schlecht verhüllte Armseligkeit. Gewöhnlich hielt sie sich im Salon auf, dem schönsten Zimmer der Wohnung. Eine ihrer angenehmsten und zugleich bittersten Zerstreuungen war, sich an eines der Fenster dieses Raumes zu setzen, die auf die Rue de la Banne hinausgingen. Von hier aus sah sie schräg gegenüber den Platz der Unterpräfektur. Dort war das Paradies ihrer Träume. Dieser kleine, kahle, schmucke Platz mit den hellen Häusern erschien ihr wie der Garten Eden. Zehn Jahre ihres Lebens hätte sie dafür hingegeben, eine dieser Wohnstätten ihr eigen zu nennen. Namentlich das Haus an der linken Ecke, in dem der Steuerdirektor wohnte, hatte es ihr gewaltig angetan. Sie betrachtete es mit dem Verlangen einer Schwangeren. Manchmal, wenn die Fenster jener Wohnung offenstanden, gewahrte sie Teile kostbarer Möbel, das Aufschimmern eines Luxus, das ihr das Blut in Wallung brachte. Zu dieser Zeit machten die Rougons eine merkwürdige Krise der Eitelkeit und der unbefriedigten Begierden durch. Das wenige, was sie an guten Gefühlen besaßen, versauerte. Sie spielten sich als Opfer des Mißgeschicks auf, ohne sich damit abzufinden, erpichter und entschlossener denn je, nicht zu sterben, ehe sie ihr Verlangen gestillt hätten. Im Grunde gaben sie trotz ihres vorgeschrittenen Alters keine ihrer Hoffnungen auf; Félicité behauptete, ein Vorgefühl davon zu haben, daß sie als reiche Frau sterben werde. Aber mit jedem Tage lastete die Armut schwerer auf ihnen. Wenn sie ihre vergeblichen Anstrengungen überdachten, wenn sie sich die dreißig Jahre ihres Kampfes ins Gedächtnis riefen, die Abtrünnigkeit ihrer Kinder, und wenn sie sahen, daß alle ihre Luftschlösser in diesem gelben Salon geendet hatten, dessen Vorhänge man schließen mußte, um seine Häßlichkeit zu verbergen, packte sie dumpfe Wut. Und um sich zu trösten, entwarfen sie dann Pläne, wie sie zu einem ungeheuren Vermögen kommen könnten, suchten sie Möglichkeiten: Félicité träumte davon, in einer Lotterie das große Los von hunderttausend Francs zu gewinnen; Pierre stellte sich vor, daß er irgendeine wunderbare Spekulation einfädeln werde. Sie lebten nur noch in einem einzigen Gedanken: reich zu werden, sofort, binnen weniger Stunden; reich sein, genießen, und wäre es auch nur für ein Jahr. Ihr ganzes Wesen strebte rücksichtslos und unaufhörlich danach. Und immer noch rechneten sie dabei halb auf ihre Söhne mit der Eltern eigenen Selbstsucht, die sich nicht an den Gedanken gewöhnen können, ihre Kinder ohne Nutzen für sich selber aufs Gymnasium geschickt zu haben.

Félicité schien gar nicht gealtert; sie war immer noch die kleine dunkle Frau, die nicht stillsitzen konnte, die umherschwirrte wie eine Zikade. Ein Vorübergehender, der sie von hinten auf dem Bürgersteig gesehen hätte, würde sie mit ihrem leichten Gang, ihren mageren Schultern und ihrer schlanken Taille für ein fünfzehnjähriges Mädchen gehalten haben.