»Aber«, fing sie endlich wieder an, »man muß eine riesige Kaution stellen. Ich habe gehört, daß unser Nachbar, Herr Peirotte, achtzigtausend Francs auf dem Schatzamt hinterlegen mußte.«
»Ach was«, sagte der frühere Ölhändler, »das geht mich nichts an. Eugène wird das alles ordnen. Er wird mir die Kaution durch einen Pariser Bankier vorschießen lassen … Du kannst dir vorstellen, daß ich mir eine Stellung ausgesucht habe, die etwas einbringt. Eugène hat anfänglich ein Gesicht gezogen. Er sagte, man müsse reich sein, um eine derartige Stellung zu bekleiden, und daß man für gewöhnlich einflußreichen Leuten den Vorzug gäbe. Aber ich bin fest geblieben, und da hat er nachgegeben. Um Steuerdirektor zu sein, braucht man weder Latein noch Griechisch zu können; ich werde, genau wie Herr Peirotte, einen Bevollmächtigten haben, der die ganze Arbeit macht.«
Félicité lauschte ihm mit Entzücken.
»Ich habe mir schon denken können«, fuhr er fort, »was unseren lieben Sohn beunruhigte. Wir sind hier wenig beliebt. Man weiß, daß wir kein Vermögen besitzen, und die Leute werden ein großes Geschrei machen. Aber das ist einerlei; in Krisenzeiten ist alles möglich. Eugène wollte mich in einer andern Stadt ernennen lassen. Das habe ich abgelehnt, ich will in Plassans bleiben.«
»Ja, ja, wir müssen hierbleiben«, stimmte die alte Frau lebhaft zu. »Hier haben wir gelitten, hier müssen wir auch triumphieren. Oh, ich werde sie schon kleinkriegen, all diese feinen Spaziergängerinnen von der Avenue du Mail, die voll Verachtung meine Wollkleider mustern! – An die Stelle des Steuerdirektors habe ich nicht gedacht; ich glaubte, du wolltest Bürgermeister werden.«
»Bürgermeister? Na hör mal! – Der Posten ist ja ehrenamtlich! – Auch Eugène sprach mir vom Bürgermeisteramt. Ich habe ihm geantwortet: ›Ich nehme an, wenn du mir fünfzehntausend Francs Jahreszinsen verschaffst.‹«
Diese Unterhaltung, bei der Riesensummen wie Raketen in die Höhe stiegen, begeisterte Félicité. Sie zappelte hin und her; sie empfand so etwas wie ein inneres Jucken. Endlich nahm sie eine andächtige Haltung ein, riß sich zusammen und sagte:
»Warte, laß uns mal rechnen. Wieviel wirst du verdienen?«
»Nun«, meinte Pierre, »die festen Bezüge belaufen sich, glaube ich, auf dreitausend Francs.«
»Dreitausend«, begann Félicité zu zählen.
»Dann gibt es soundso viel Prozent auf die Steuereingänge, was in Plassans eine Summe von zwölftausend Francs abwerfen kann.«
»Das macht fünfzehntausend.«
»Ja, ungefähr fünfzehntausend Francs. Soviel verdient Peirotte. Das ist aber nicht alles. Peirotte macht Wechselgeschäfte auf eigene Rechnung. Das ist gestattet. Vielleicht riskiere ich das auch, sobald ich eine günstige Gelegenheit für gekommen erachte.«
»Also sagen wir zwanzigtausend … Zwanzigtausend Francs Einkommen!« wiederholte Félicité, völlig benommen von dieser Zahl.
»Wir werden die Vorschüsse zurückzahlen müssen«, bemerkte Pierre.
»Das macht nichts«, versetzte Félicité, »wir werden dennoch reicher sein als viele dieser Herren … Wirst du den Kuchen mit dem Marquis und den anderen teilen müssen?«
»Nein, nein, alles wird für uns allein sein.« Als sie nun weiter in ihn drang? glaubte Pierre, sie wolle ihm sein Geheimnis entreißen. Er zog die Brauen zusammen. »Genug geschwatzt!« schloß er unvermittelt ab.
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