Der Marquis lehnte am Kamin und betrachtete mit nachdenklichem Gesicht ein verblichenes Rosenmuster des Teppichs. Als er endlich aufsah, verstummte Pierre, der anscheinend mit einem Seitenblick die Wirkung seiner Äußerungen vom Gesicht des Marquis abzulesen versuchte, ganz plötzlich. Herr de Carnavant begnügte sich mit einem verständnisvollen Blick zu Félicité hinüber. Dieses blitzschnelle Wechselspiel entging fast allen bürgerlichen Anwesenden. Nur Vuillet sagte in gereiztem Ton:

»Ich möchte Ihren Bonaparte lieber in London als in Paris sehen. Unsere Angelegenheiten würden schneller vorankommen.«

Der frühere Ölhändler erblaßte leicht; er fürchtete, zu weit gegangen zu sein.

»Mir liegt nichts an ›meinem‹ Bonaparte«, sagte er mit ziemlicher Festigkeit. »Sie wissen, wohin ich ihn schicken würde, wenn ich zu befehlen hätte. Ich behaupte lediglich, daß der RomFeldzug eine gute Sache ist.«

Félicité war diesem Vorgang mit neugierigem Staunen gefolgt. Sie kam ihrem Mann gegenüber nicht mehr darauf zurück, ein Beweis dafür, daß ihr Spürsinn im geheimen auf diesen Beobachtungen weiterbaute. Das Lächeln des Marquis, dessen eigentliche Bedeutung ihr entging, gab ihr viel zu denken.

Von diesem Tag an ließ Rougon von Zeit zu Zeit, wenn sich gerade die Gelegenheit dazu bot, ein Wort zugunsten des Präsidenten der Republik einfließen. An solchen Abenden spielte der Kommandant Sicardot die Rolle eines gefälligen Helfers. Im übrigen herrschte im gelben Salon noch immer unumschränkt die Meinung des Klerus. Namentlich im folgenden Jahre gewann dieser reaktionäre Kreis, dank der rückläufigen Bewegung, die sich in Paris vollzog, entscheidenden Einfluß in der Stadt. Die Gesamtheit antiliberaler Maßnahmen – man nannte sie einen Rom Feldzug im Inneren – befestigte in Plassans den Sieg der Partei Rougon endgültig. Die wenigen Bürger, die sich noch für die Republik begeisterten, sahen sie in den letzten Zügen liegen und beeilten sich, Anschluß an die Konservativen zu gewinnen. Für die Rougons schien die große Stunde gekommen. Die Neustadt brachte ihnen an dem Tag, an dem der Freiheitsbaum auf dem Platz der Unterpräfektur abgesägt wurde, fast eine Ovation dar. Dieser Baum, eine junge Pappel von den Ufern der Viorne, war nach und nach abgestorben, zum großen Kummer der republikanischen Arbeiter, die jeden Sonntag kamen, um den Fortschritt des Übels festzustellen, ohne die Ursache dieses langsamen Sterbens zu begreifen. Schließlich behauptete ein Hutmacherlehrling, er habe gesehen, wie eine Frau aus Rougons Haus gekommen sei und einen Eimer vergiftetes Wasser am Fuß des Baumes ausgegossen habe. Von nun an war es eine ausgemachte Sache, daß Félicité persönlich jede Nacht aufstand, um die Pappel mit Vitriol zu begießen. Als der Baum eingegangen war, erklärte die Stadtverwaltung, die Würde der Republik erheische seine Entfernung. Da man Unzufriedenheit in der Arbeiterbevölkerung befürchtete, wählte man eine späte Abendstunde. Die konservativen Rentiers der Neustadt bekamen Wind von der kleinen Feier; sie begaben sich alle auf den Platz der Unterpräfektur, um zu sehen, wie ein Freiheitsbaum gefällt wird. Die Stammgäste des gelben Salons hatten sich an die Fenster gestellt. Als in der Dunkelheit die Pappel mit dumpfem Krachen stürzte, jäh wie ein zu Tode getroffener Held, glaubte Félicité, ein weißes Taschentuch schwenken zu sollen. Daraufhin erhob sich Beifall in der Menge, und die Zuschauer antworteten auf den Gruß, indem auch sie mit ihren Taschentüchern winkten. Eine Gruppe kam sogar unter das Fenster und rief: »Wir werden sie begraben, wir werden sie begraben!«

Sie meinten zweifellos die Republik. Die Erregung hätte Félicité fast einen Nervenschock eingetragen.