Zuweilen wäre sie am liebsten losgefahren, hätte Roudier angeschrien, daß ihr lieber Sohn trotz seiner Fehler immer noch mehr tauge als er und alle anderen zusammen. Doch ihr waren die Hände gebunden; sie wollte die so mühsam errungene Stellung nicht gefährden. Wenn sie so sah, wie die ganze Stadt über Aristide herfiel, dachte sie voll Verzweiflung, der Unglücksmensch werde sich zugrunde richten. Zweimal beschwor sie ihn in geheimer Unterredung, zu ihnen zurückzukehren und den gelben Salon nicht länger zu reizen. Aristide erwiderte ihr, sie verstehe nichts von diesen Dingen und sie habe selber einen groben Fehler begangen, als sie ihren Mann dazu brachte, dem Marquis Gefolgschaft zu leisten. Sie mußte ihn also zunächst aufgeben, nahm sich aber fest vor, Eugène, falls dieser Glück haben sollte, zu zwingen, die Beute mit dem armen Jungen zu teilen, der nach wie vor ihr Lieblingskind blieb.

Nach der Abreise seines ältesten Sohnes lebte Pierre Rougon wie bisher als Reaktionär reinsten Wassers. Nichts schien sich in den Ansichten des berühmten gelben Salons geändert zu haben. Jeden Abend kamen dieselben Männer, um die gleiche Propaganda zugunsten der Monarchie zu treiben, und der Hausherr stimmte ihnen bei und unterstützte sie mit dem gleichen Eifer wie zuvor. Eugène hatte Plassans am 1. Mai verlassen. Einige Tage später schwamm der gelbe Salon in Begeisterung. Man besprach den Brief des Präsidenten der Republik an General Oudinot44, worin die Belagerung Roms beschlossen war. Dieser Brief wurde als ein glänzender Sieg betrachtet, den man der festen Haltung der reaktionären Partei verdankte. Seit 1848 verhandelten die Kammern über die römische Frage45; es blieb einem Bonaparte vorbehalten, durch eine Intervention, deren sich ein freies Frankreich nie schuldig gemacht haben würde, eine Republik in ihrer Entstehung zu ersticken. Der Marquis erklärte, man könne nicht besser für die Sache der Legitimisten arbeiten. Vuillet schrieb einen glänzenden Artikel. Die Begeisterung kannte keine Grenzen mehr, als einen Monat später der Kommandant Sicardot eines Abends bei den Rougons erschien und der ganzen Gesellschaft verkündete, daß die französische Armee vor den Toren Roms kämpfe. Während sich alles in Ausrufen erging, drückte Sicardot dem Hausherrn bedeutungsvoll die Hand. Als er dann Platz genommen hatte, sang er das Lob des Präsidenten der Republik, der, wie er sagte, allein imstande sei, Frankreich vor der Anarchie zu retten.

»Möge er es doch so schnell wie möglich retten«, unterbrach ihn der Marquis, »und sich dann seiner Pflicht bewußt sein, es in die Hände seiner angestammten Herrscher zurückzulegen.«

Pierre schien diese schöne Antwort lebhaft gutzuheißen. Nachdem er so den Beweis eines glühenden Royalismus erbracht hatte, wagte er zu sagen, daß der Prinz Louis Bonaparte in dieser Angelegenheit seine volle Sympathie besitze. Darauf folgte zwischen ihm und dem Kommandanten ein Austausch kurzer Sätze, welche die vortrefflichen Absichten des Präsidenten priesen und den Eindruck machten, gut vorbereitet und im voraus auswendig gelernt worden zu sein. Zum erstenmal hielt der Bonapartismus offen seinen Einzug in den gelben Salon. Seit der Wahl vom 10. Dezember46 war der Prinz hier übrigens mit einer gewissen Freundlichkeit behandelt worden. Man zog ihn tausendfach dem General Cavaignac47 vor, und die ganze reaktionäre Clique hatte ihre Stimme für ihn abgegeben. Aber man sah in ihm eher einen Komplicen als einen Freund; außerdem mißtraute man diesem Komplicen und begann ihn zu beschuldigen, er wolle die Kastanien, nachdem er sie aus dem Feuer geholt hatte, für sich behalten. An diesem Abend jedoch hörte man sich, dank des RomFeldzuges, die Lobsprüche Pierres und des Kommandanten mit Wohlwollen an.

Die Gruppe Granoux und Roudier war bereits so weit, vom Präsidenten die Erschießung all der verruchten Republikaner zu verlangen.