Andrea della Torre und Cristoval de Perralta stürmten auf ihn los, um ihm das Schwert in die Brust zu stoßen. Da raste der General wie der leibhaftige Sturmwind dazwischen; am Leben des Fürsten war ihm alles gelegen, und indem er den Arm zu seinem Schutze ausstreckte, erhielt er von Cristoval de Perralta eine ziemlich schwere Wunde am Handgelenk. Zugleich fielen vier von den Trägern des Throns auf einmal, den übrigen wurde die Last zu schwer; vor einem Berg von Erschlagenen brachen sie in die Knie; der Inka wäre zu Boden gestürzt, wenn ihn nicht Pizarro und della Torre in ihren Armen aufgefangen hätten. Während ihm der Soldat Miguel de Estete die königliche Borla vom Haupt riß, bemächtigten Perralta und ich uns des Thrones, er auf der einen, ich auf der anderen Seite, und zehn schreckliche Sekunden lang stierten wir uns mit blutunterlaufenen Augen an wie Todfeinde.

Atahuallpa wurde als Gefangener in das nächstgelegene Gebäude geführt, und zwölf Mann wurden damit betraut, ihn zu bewachen.

Eine geisterhafte Ruhe hatte sich über Platz und Straßen ausgebreitet. Aber von einer gewissen Stunde der Nacht an ertönten weit von den Bergen herüber die Klagegesänge des ihres Gottkönigs beraubten Peruaner, anschwellend, abschwellend, immer schmerzlicher und wilder bis zum Grauen des Tages.

Kapitel 8

Die Soldaten erhielten Erlaubnis, auf Beute auszuziehen, und sie brachten aus dem Lager des Inka viel goldnes und silbernes Geräte mit und viele Ballen Stoffes, so fein im Gewebe und so vollendet in der Kunst der Farbverschmelzung wie wir noch keine vorher gesehen hatten.

Alles entwendete Gut wurde in ein hierfür bestimmtes Haus geschafft, um zur bestimmten Zeit, nach Abzug des Fünftels für die kastilische Krone, verteilt zu werden. Cristoval Perralta und ich hatten aber den Thron des Inka mit Hilfe einiger Leute in einem Versteck untergebracht; einer von ihnen verriet uns an den Pedro Pizarro, worauf uns der General kommen ließ und uns mit unheilvoller Miene aufforderte, den Thron auszuliefern. Das geschah alsbald, denn wir zitterten vor seiner drohenden Stirn.

Um mich schadlos zu halten, durchsuchte ich mit den Soldaten die Häuser der Stadt, und was irgend von Wert war, raubten wir. Die Eingeborenen wurden festgenommen, und wir rissen ihnen Schmuck und Zierate vom Leib. Einzeln oder in Gruppen zogen unsere Leute durch das Gelände und steckten die Wohnungen in Brand, nachdem sie sie ausgeplündert. Sie brachen in die Tempel, erschlugen oder vertrieben die Priester und schleppten fort, was sie tragen konnten an bunten Stoffen und schönen Gefäßen. Aber alles war nicht genug; sie lechzten nach mehr.

Und auch mir war nichts genug; ich lechzte nach mehr.

Eines Abends, als eine Abteilung von ihrem Raubzug, der besonders erfolgreich gewesen war, in die Stadt zurückkehrte, trat der gefangene Inka aus den inneren Gemächern seines Hauses in die Säulenhalle und schaute zu, wie die Soldaten sich ihrer Beute entledigten und wie andre hinzukamen, die goldnen und silbernen Gegenstände in die Hand nahmen, sie einander zeigten, sie betasteten, sie geradezu liebkosten und durch ihr ganzes Gebaren das trunkene Entzücken, die unstillbare Begehrlichkeit und wesenlos neidhafte Angst verrieten, die in ihnen tobten.

Ich stand in der Mitte des Platzes und hatte allmählich mein Augenmerk nur auf den Inka gerichtet. Er schien nicht recht zu begreifen, was sich vor seinen Blicken abspielte. Indem er angestrengt nachdachte, näherte sich ihm Felipillo und sagte mit leiser Stimme und heuchlerisch-demütigem Gebaren einige Worte zu ihm. Wie ich später von Hernando de Soto erfuhr, der es von Atahuallpa selber wußte, war Felipillos Rede so: "Sie wollen Gold. Sie winseln um Gold, sie schreien um Gold, sie zerfleischen einander um Gold. Frag sie um den Preis deiner Freiheit, und du wirst sie mit Gold kaufen können. Es gibt nichts in der Welt, was sie dir nicht für Gold geben würden, ihre Weiber, ihre Kinder, ihre Seele und sogar die Seelen ihrer Freunde."

In jener Stunde ahnte ich nur den Sinn der wahren und furchtbaren Worte. Was mich bis ins Innerste bewegte, war der Ausdruck des Grauens und Grübelns im Gesicht Atahuallpas. Es ist sicher, daß er von da ab unablässig über dies eine nachdachte, denn er vermochte nicht daran zu glauben, daß man für ein so nichtiges Ding, wie es das Gold in seinen Augen war, ein so wichtiges wie die Freiheit gewinnen, ja daß man überhaupt etwas damit erkaufen, etwas dafür haben könne. Etwas haben: das war in seinen Augen ein ganz anderer Begriff als in unsern. Der Gedanke, etwas mit Gold zu erkaufen, mußte ihn im tiefsten Gemüt erstaunen und beunruhigen. In jener Stunde, beim Anblick meiner vom Gold berauschten Gefährten auf der einen Seite und der stummen Gestalt und staunenden Miene des Inka auf der andern, wurde mir zum erstenmal deutlich, wie fremd wir ihm waren, unfaßbar und schaurig fremd, nicht wie Menschen aus einer Welt, die er nicht kannte, sondern wie Wesen von einer ganz und gar unerklärlichen Beschaffenheit.

Kapitel 9

Es kamen aber nun seine Diener und Dienerinnen nach Caxamalca, seine Höflinge und seine Frauen, und flehten mit emporgehobenen Händen, daß man sie zu ihrem Herrn lasse. Sie sagten, ihr Leben sei dem Inka zugeschworen seit ihrer Geburt, und aus seiner Nähe verstoßen, müßten sie nach dem Gesetz des Landes den Tod erleiden.

Der General wählte ungefähr zwanzig von ihnen aus, darunter den Prinzen Curacas, den Halbbruder des Inka, den dieser besonders liebte. Es war ein schöner und sanfter Jüngling, dem Fürsten ähnlich an Gesicht und Gestalt. Die übrigen schickte der General wieder ihres Weges. Wie wir kurz hernach vernahmen, begingen sie allesamt Selbstmord.

Es kamen aber auch Tausende von andern Bewohnern des Landes und der Städte, die ihren Herrn nur zu sehen verlangten. Sie wurden erst nach Caxamalca gelassen, wenn man sich vergewissert hatte, daß sie keine Waffen bei sich trugen. Es hätte dessen nicht bedurft. Sie waren in einem Zustand äußerster Verstörtheit. Sie konnten nicht glauben und nicht begreifen, daß der Sohn der Sonne ein Gefangener war.