Er sagte ungefähr, wir seien ohne den tiefen Gehorsam, die Folgsamkeit des Blutes, die im Führer den himmlisch Erlesenen sieht, die Menschensonne; wenn wir uns dem Herrn fügten, geschehe es mit heimlicher Aufsässigkeit und verborgenem Groll, als ob wir gleiche Rechte hätten wie er und gleichen Anspruch auf alle Güter der Welt und es nur nicht wagten, uns wider ihn aufzulehnen, weil er möglicherweise Wege wußte oder Zauberformeln kannte, die uns nicht zugänglich waren. Warum, fragte er voll Verwunderung, schlagen sie in Falschheit die Augen vor ihm nieder und öffnen sie schamlos und verfolgen ihn mit ihren Blicken, sobald er sich von ihnen abgekehrt hat?

Hernando de Soto fand darauf keine Antwort, und er verhehlte mir nicht, daß er vor dem Inka gestanden sei wie ein törichter Schüler. Und mir wurde sein inneres Leben nach und nach zur Vision; mit seinen Augen sah ich die zunehmende Ungeduld meiner Gefährten, mit seinen Augen die Mienen voll Haß und Besorgnis. Ich begriff, daß ihm kein noch so schrecklicher Traum die Ahnung davon vermittelt hatte, daß solche Wesen auf der Erde existierten, wie wir waren. Und als er es erfuhr und diese Wesen kennenlernte, senkte sich die unermeßliche Melancholie über ihn, die sein Herz und seinen Arm lähmte und geschehen ließ, was uns so rätselhaft war: daß er sich ohne Widerstand in sein Schicksal ergab und keinen heimlichen Befehl dazu an seine Untertanen sandte; daß Hunderttausende von bewaffneten Kriegern untätig verharrten, eine Armee von Liebenden, denen der Fürst Kern und Merkziel des Daseins war, und die nur seines Augenwinks bedurft hätten, und die dreihundert Eindringlinge hätten die beleidigte Erde mit ihrem Blut getränkt.

Dies Nicht-Tun ging von Atahuallpa aus, von seinem tiefen Wissen um den Geist der Finsternis, der die Herrschaft angetreten hatte und gegen den sich wehren vergeblich war. Ich weiß wohl, was ich hier sage und nehme es auf mich und halte jedem stand, der mich als einen Christen für solch ein Wort zur Rechenschaft ziehen will; aber war das Christensinn und Christenlehre, unser großer Glaube und heiliges Symbol, was durch das Land sich verbreitete wie unheilbare Krankheit? Das Land war krank; die Seelen seiner Bewohner waren krank; Ekel und Grauen umdüsterte es, und Ekel und Grauen strömte von seinem Lebensmark aus, von Atahuallpa, der ihr Gipfel und ihre Erfüllung war, und der zusehen mußte, wie die Fremdlinge die Tempel plünderten, die Sonnenjungfrauen entehrten, die Gärten verwüsteten, die Felder zertraten, sein überliefertes sakrales Eigentum, alles seit abertausend Jahren. Er konnte nicht dawider handeln; die Welt war unrein geworden, und seine Erfahrung teilte sich dem Volke mit und kehrte als Echo in den nächtlichen Gesängen zu ihm zurück, in denen die nagendste Trostlosigkeit und das Vorgefühl des Untergangs war.

Kapitel 14

Man brachte dem Inka einen kugelförmigen Opal, der Huoco gehörte, seiner Lieblingsschwester und –gattin, die auf einer Insel im Titicacasee lebte. Sie ließ ihm durch den Überbringer sagen, daß sie zum Tod bereit sei und daß sie sterben werde, sobald er ihr den Befehl dazu erteile.

Er schaute den herrlichen Stein schweigend an, und seine Diener und jungen Frauen wandten die Blicke von ihm ab.

Man brachte ihm auch den gezähmten Puma, der im Garten des königlichen Schlosses stets zu seinen Füßen gelegen war. Das Tier war traurig, weigerte die Nahrung und verendete am dritten Tag.

Am Abend desselben Tages wurde der Prinz Curacas in einem der Gemächer mit einem Dolch in der Brust tot gefunden. Daß Pedro Alcon, erbittert noch dazu durch die Strafe, die der General über ihn verhängt, sein Rachegelüst unerachtet des hohen Lösegeldes, das er vom Inka erhalten, schließlich doch befriedigt, bezweifelte niemand unter uns. Aber der Täter blieb im Dunkeln und wurde nicht verraten und nicht entdeckt.

Atahuallpa schaute die Leiche an, wie er den Opal angeschaut. Sein Schmerz war wie ein Lächeln.

In der Ebene stand mit dreißigtausend Mann Callcuchima, der älteste Heerführer des Inka. Die Gefangennahme seines Herrn, auf eine so plötzliche und gewaltsame Weise durch eine Gattung von Geschöpfen vollbracht, die ihm aus den Wolken gefallen schienen, hatte den Greis gänzlich verstört. Der General bewog ihn zu einer Zusammenkunft und forderte ihn auf, nach Caxamalca zu kommen. Er lehnte es ab. Da erwirkte Pizarro den Befehl des Inka hiezu, und sogleich brach Callcuchima auf. Mit einem zahlreichen Gefolge erschien er in der Stadt. Seine Vasallen trugen ihn in einer offenen Sänfte, und die Bewohner bezeigten ihm die Ehrfurcht, die dem ersten Diener des Königs gebührte. Er selbst aber, als er zu Atahuallpa ging, nahte ihm mit nackten Füßen wie der Geringste und mit einem Stein auf dem Rücken, Sinnbild unbedingter Hörigkeit. Er kniete nieder, küßte dem Fürsten Hände und Füße und badete sie in seinen Tränen.

Ich war Zeuge dieser Begegnung, und ich kann nicht leugnen, daß sie mich erschütterte. An Atahuallpa konnte ich nichts davon wahrnehmen, auch kein Zeichen der Freude über die Anwesenheit seines treuesten Ratgebers. Er hieß ihn einfach willkommen. Dann überreichte er ihm, ohne ein Wort zu sagen, den schönen Opal, den ihm die Schwestergattin geschickt. Dies war das Todesurteil für Huoco, und der greise Callcuchima wankte schluchzend und von seinen Dienern gestützt hinaus.

Kapitel 15

Unterdessen hatte es sich begeben, daß der Dolmetscher Felipillo, in seiner renegatischen Auflehnung auf der Bahn des Verrats immer weiter getrieben, eine der jungen Frauen des Inka in sinnlicher Besessenheit verfolgte. Solches hatte er vordem nicht einmal in einem Traum gewagt; es war das größte Verbrechen, das ein Peruaner begehen konnte. Atahuallpa sagte zum General, ein derartiger Schimpf, von einem so niedrigen Menschen an ihm verübt, sei schwerer zu erdulden als seine Gefangenschaft. Er war fahl um die Nase, als er es sagte.

Da wurde Felipillos Haß gegen den früher allmächtigen Gebieter maßlos, und er nahm sich vor, ihn vollends zu verderben. Er beschuldigte ihn beim General, daß er sich mit Callcuchima heimlich verschworen habe, die Spanier zu überfallen und bis auf den letzten Mann zu erschlagen. Diese Verleumdung erhärtete er mit den stärksten Eiden.

Mehr gewillt zu glauben als wirklich glaubend, schenkte Pizarro seinen Worten Gehör. Es zeigte sich ihm da ein Weg, wie er sich der gefährlichen Verpflichtung, den Fürsten frei zu geben, entziehen konnte, und er war gesonnen, den Vertrag zu brechen, sei es auf welche Art immer, mit Gewalt oder mit List.

Kapitel 16

Als nun die Menge des eingelieferten Goldes den roten Strich bis auf etwas drei Handbreiten erreicht hatte, waren unsere Leute nicht länger zu bezähmen und drängten den General zur Verteilung.