Dem war das Ansinnen nicht eben unerwünscht, da es ihm die Ausführung seiner finsteren Pläne erleichterte; Hernando de Soto und ich konnten uns später sogar des Argwohns nicht erwehren, daß die widerspenstige Ungeduld der Leute auch noch absichtlich geschürt worden war.

Zum Zweck einer gerechten und gleichmäßigen Verteilung wurde der Beschluß gefaßt, das ganze Gold einzuschmelzen und in Barren zu verwandeln, denn die Beute bestand aus unendlich mannigfaltigen Gegenständen, in denen das Gold sehr verschiedene Grade der Reinheit hatte.

Schon am andern Tag wurde die Schatzkammer ausgeräumt, und es wurden sorgsame Bewachungsmaßregeln dabei beobachtet. Hierauf berief der General eine Anzahl von einheimischen Goldschmieden, die er beauftragte, all die wunderbaren Gefäße, Schüsseln, Becher, Wasserkannen, Tafelgeschirr, Kredenzteller, Vasen, Leuchter, Tempelgerät, Ziegel, Platten, Räucherpfannen, Götzenbilder, Armbänder, Gesichtsmasken, all den Wandschmuck, die Säulenschäfte, die Ketten, die religiösen Insignien aus ihrer kunstvollen Form wieder in den Rohzustand umzugießen.

Ich erinnere mich unter anderm eines goldnen Springbrunnens, der einen funkelnden Goldstrahl emporwarf, während goldne Vögel und goldne Eidechsen am Rand des aus Gold zauberisch nachgeahmten Wassers zu spielen schienen. Die Handwerker, die solcherart zerstören mußten, was sie selber mit Mühe und Liebe geschaffen, arbeiteten Tag und Nacht, aber die einzuschmelzende Menge war so groß, daß sie nach Verlauf eines Monats noch immer nicht fertig waren.

Indessen war aus San Miguele am Meer Don Almagro, der langjährige Gefährte und Freund des Generals, mit seinen Leuten eingetroffen. Die verlangten, daß wir den Schatz mit ihnen teilen sollten, und zwar in so herausfordernder Weise, als ob wir ihre Fröner wären. Zank und Hader brach in hellen Flammen aus; die Straßen, die Höfe, die Wohnungen und Zelte waren von Geschrei und Waffengeklirr erfüllt, und Neid und Habgier vergifteten alle Gemüter bis in den Schlaf der Nächte.

In der Abendstunde trat Atahuallpa aus der Halle seines Gefängnisses und blickte mit umflorten Augen über den Platz. Ich stand an der Treppenstufe, ganz nahe bei ihm. Er trug einen Mantel aus Fledermaushäuten, der so weich und glatt wie Seide war, und um den Kopf das Llautu, einen Schal von feinstem Gewebe und vielfach glänzender Farbe.

Da gerieten zwei Soldaten, einer von unserer Partei, einer von Almagros Leuten, wegen einer goldnen Schildkröte, die jeder von beiden haben wollte und die sie dem Schmelzfeuer zu entziehen wünschten, in erbitterten Streit. Alsbald standen sie einander mit bloßen Schwertern gegenüber, ein paar Hiebe, ein Aufschrei, und der von unserer Partei, Jacopo Cuellar mit Namen, sank zu Boden und hielt, im Todeskampf noch, die goldne Schildkröte in der Faust und wehrte sich, im Todesdunkel schon, gegen die raubgierigen Arme des anderen, die sich danach streckten. Den riß ich zurück.

Magisch zog es den Inka hin. Die Wachen umringten ihn mißtrauisch, aber er achtete ihrer nicht. Während er auf den Leichnam niederschaute, verdunkelte sich sein Blick und hatte einen Ausdruck, als begehre er, die Brustwand des Toten möge zu Glas werden, damit er hineinschauen, damit er erforschen könne, aus welchem Stoff die unbegreiflich fremde Seele war. Ich merkte ihm an, daß ihn das Entsetzen schier erstickte, und als er die Augen zu den wenigen Dienern kehrte, die ihm gefolgt waren, sagte er zu ihnen mit leiser, gebrochener Stimme, indem er auf den regungslosen Körper deutete: "Seht nur, die goldne Schildkröte trinkt Blut."

So viel hatte ich nun schon von seiner Sprache erlernt, daß ich die kindlich-schaurigen Worte verstehen konnte.

Kapitel 17

Endlich kam der Tag, wo er vom General seine Freiheit forderte, konnte er doch darauf verweisen, daß er die gestellten Bedingungen erfüllt hatte. Ja, er forderte die Freiheit, obgleich er fühlte, daß man sie ihm vorenthalten würde, obgleich eine noch schwärzere Furcht in ihm keimte.

Hernando de Soto, der immer mehr das Vertrauen des Gefangenen gewonnen hatte und ihm viele kleine Dienste und Gefälligkeiten erwies, war sein Mittler beim General. Pizarro hörte ihn an, verweigerte jedoch eine bestimmte Antwort. Nach einigen Stunden ließ er dem Inka durch den Schatzmeister Riquelme, der mit Don Almagro zu uns gekommen war, mitteilen, das Lösegeld sei nicht völlig bezahlt worden, der Raum nicht bis zum roten Strich gefüllt gewesen.

Darüber erstaunte Atahuallpa und wandte ein, was ja auch richtig war, es sei nicht seine Schuld, daß das volle Maß nicht erreicht worden war; hätte man nur drei Tage länger gewartet, so wäre alles verlangte Gold dagewesen; im übrigen sei es ein leichtes, das fehlende nachträglich zu liefern.

Der General zuckte die Achseln und sagte, darauf gehe er nicht ein. Er wußte warum; kamen doch noch immer Sendungen aus den Städten, die vor der Stadt aufgehalten wurden. Er ließ eine Schrift abfassen und im Lager öffentlich bekanntmachen, nach welcher er den Inka zwar von jeder weiteren Verpflichtung, Lösegeld zu zahlen, freisprach, zugleich aber erklärte, seine und seines Heeres Sicherheit erheische es, daß Atahuallpa so lange in Gefangenschaft verbleibe, bis aus Panama Verstärkungen eingetroffen seien.

Als de Soto von dieser hinterlistigen Umgehung des Vertrags hörte und außerdem das Manifest gelesen hatte, suchte er den General auf und hatte eine heftige Auseinandersetzung mit ihm. Der General sagte, er habe genaue Nachrichten über die Ränke und Zettelungen Atahuallpas, und die Soldaten, insbesondere Almagros Leute, verlangten seinen Tod.

De Soto war betroffen. Er beteuerte die Lügenhaftigkeit der Gerüchte und nannte die Leute Almagros eine Horde von Halsabschneidern und Wegelagerern. Sich dem unablässigen Zureden de Sotos mit scheinbarer Gutmütigkeit fügend, entschloß sich der General, mit ihm zum Inka zu gehen und ihm Aug’ in Auge zu eröffnen, wessen man ihn beschuldigte. Von seinem Gesicht könne man dann ablesen, ob die Anklage auf Wahrheit beruhe oder nicht, meinte de Soto, denn zur Verstellung sei er ganz und gar unfähig.

Von de Soto begleitet, trat er in das Gemach Atahuallpas, es war um die fünfte Stunde nachmittags, und wiederholte ihm das beunruhigende Gerede. "Welch ein Verrat ist es, den du geschmiedet hast", sagte er finster, "gegen mich, der dir vertraut hat wie ein Bruder?"

De Soto hatte mich im Vorüberschreiten aus der Eingangshalle herzugewinkt, und ich stand hinter dem General, dem Inka gegenüber.

"Du scherzest", erwiderte Atahuallpa, der vielleicht die Wirkung dieses Vertrauens nicht spürte, noch je gespürt hatte, "du scherzest fortwährend mit mir. Wie könnte ich und mein Volk daran denken, euch zu schaden? Wie können Adler, seien sie auch noch so kühn, daran denken, wider Blitz und Erdbeben aufzustehen? Scherze nicht auf solche Weise mit mir, ich bitte dich."

Er sagte dies vollkommen ruhig und natürlich, indem er dabei ein wenig lächelte, was Pizarro für einen Beweis seiner Tücke hielt; er sagte es in unserer Sprache, die er in seiner monatelangen Haft und im Verkehr mit de Soto und mir und andern Rittern besser zu sprechen wußte als ich oder irgendeiner von den Unsern die seine.

"Bin ich nicht ein wehrloser Mensch in deiner Hand?" fuhr er mit seiner leisen Stimme fort; "wie könnte ich die Absichten nähren, die du mir zuschreibst, da ich ja bei ihrer Verwirklichung das erste Opfer wäre? Du kennst mein Volk schlecht, wenn du glaubst, daß ein Aufstand ohne meinen Befehl stattfinden kann, da doch selbst die Vögel in meinem Land nicht wagen würden, ohne meinen Willen zu fliegen."

Dieses Bild von eigentümlich tragischer Prahlerei in seiner gegenwärtigen Lage stimmte uns unwillkürlich zum Spott, indes seine Edlen schweigend auf die Knie fielen. So bestätigte sich abermals meine Wahrnehmung, daß ihm von seinen Vasallen eine höhere Huldigung gezollt wurde als sonst einem Herrscher der Erde; seine Macht erstreckte sich auf das verborgenste Tun, ja auf die Gedanken eines jeden. Alle Gesetze des Lebens mußten ihm aufgehoben erscheinen, alle Gesetze der Natur und das Maß aller Dinge zerstört, da er sich einer Schar von Fremdlingen, von bösen Schattenwesen, die wir vor ihm waren, auf Gnade und Ungnade preisgegeben sah, er, ohne dessen Willen kein Vogel in seinem Reich zu fliegen wagte.

Der General gab ihm zu verstehen, daß man über sein Schicksal beraten werde, und verließ das Zimmer.

In der Nacht erhielt Hernando de Soto den Auftrag, mit fünfzig Reitern einen Streifzug ins Gebirge zu unternehmen. Da war kein Zweifel, es war darauf abgesehen, ihn während der nächsten Tage aus Caxamalca zu entfernen. Aber dem Befehl widersetzen durfte er sich nicht. So ritt er an der Spitze seiner Leute voll trüber Ahnungen fort.

Kapitel 18

Nun will ich in aller Kürze erzählen, wie das Todesurteil über den Inka zustande kam.

Um die neunte Morgenstunde berief der General den Don Almagro, den Don Riquelme, den Andrea della Torre und den Alonso de Molina zur Beratung in das Haus des Inka. Dieser saß, von seinen Edlen und Frauen und im weiteren Kreis von den Wachen umgeben, schweigend in der Vorhalle.

Um die zehnte Stunde erschien Alonso de Molina in der Halle und rief ihn ins Haus. Dieselben Männer, die darüber beraten hatten, ob man eine Anklage überhaupt erheben könne, waren gleich darauf als Gerichtshof zusammengetreten.