Durch die verschiedenen Stufen des Kapitalismus, durch alle Phasen der Konjunkturzyklen, durch alle politischen Regimes, durch friedliche wie durch Perioden bewaffneter Konflikte, setzte sich und wird sich der Prozess der Konzentration der ganz großen Vermögen in eine immer kleinere Handvoll bis zum Ende fortsetzen. Während der Jahre des großen Krieges, als sich die Nationen zu Tode bluteten, die fiskalischen Systeme, die Mittelklassen mit sich reißend, dem Abgrund zurollten, rafften die Trustherren aus Blut und Dreck Gewinne zusammen wie nie zuvor. Während der Kriegsjahre verdoppelten. verdrei-, vervier-, verzehnfachten die größten Gesellschaften der Vereinigten Staaten ihr Kapital, und ihre Dividenden schwollen an bis zu 300, 400, 900 und mehr Prozenten.
Im Jahre 1840, acht Jahre vor der Veröffentlichung des Manifests der Kommunistischen Partei von Marx und Engels schrieb der bekannte französische Schriftsteller de Tocqueville in seinem Buch „Die Demokratie in Amerika”: „Die großen Vermögen sind daran, zu verschwinden, die kleinen Vermögen sind daran, sich zu vermehren.“ Diese Gedanken sind bei jeder Gelegenheit für die Vereinigten Staaten, in der Folge für andere junge Demokratien, wie Australien und Neuseeland, zahllose Male wiederholt worden. Wahrlich, die Idee Tocqueville’s waren schon zu seiner Zeit falsch ! Als indessen die wirkliche Konzentration des Kapitals nach dem amerikanischen Bürgerkrieg begann, starb die Auffassung de Tocquevilles.
Zu Beginn des gegenwärtigen Jahrhunderts besaßen zwei Prozent der Bevölkerung der Vereinigten Staaten schon mehr als die Hälfte der Vermögen des Landes; im Jahre 1929 besaßen diese zwei Prozent drei fünftel des nationalen Vermögens. In derselben Epoche besaßen 36.000 reiche Familien das gleiche Einkommen wie elf Millionen mittlerer oder armer Familien. Während der Krise von 1929 bis 1933 hatten die Trusts nicht nötig, einen Appell an die öffentliche Nächstenliebe zu richten, im Gegenteil, sie schwangen sich über den allgemeinen Verfall der nationalen Wirtschaft immer höher empor. Während der durch die Hefe des New Deal erzeugten neuerlichen industriellen Unsicherheit nahmen die Männer der Trusts neue Gewinne vorweg. Während die Zahl der Arbeitslosen im besten Falle von 20 auf 10 Millionen fiel, steckte im selben Zeitraum die Spitze der kapitalistischen Gesellschaft, im besten Falle 6.000 Personen, phantastische Profite ein. Das enthüllte, auf Zahlen gestützt, der Generalstaatsanwalt Robert Jackson. Für uns aber kleidet sich der abstrakte Begriff des Monopolkapitals in Fleisch und Blut.
Das, was das ökonomische und politische Schicksal einer großen Nation bedeutet, ist eine durch verwandtschaftliche Beziehungen und gemeinsame Interessen verbundene Handvoll von Familien einer geschlossenen kapitalistischen Oligarchie. Man muss anerkennen, dass sich das marxistische Gesetz von der Konzentration immerhin konform mit den Tatsachen offenbart. Der amerikanische Schriftsteller Ferdinand Lundberg, trotz seiner wissenschaftlichen Ehrlichkeit eher ein konservativer Ökonom, hat in einem Buch, das großes Aufsehen hervorrief, geschrieben: „Die Vereinigten Staaten sind heute in wucherischen Händen und beherrscht von der Hierarchie der 60 aller reichsten Familien, denen sich 90 weniger reiche Familien anschließen. Zu diesen beiden Gruppen muss als dritte hinzugefügt werden ungefähr 300 weitere Familien, deren Einkommen 100 Millionen Dollar im Jahr beträgt. Die beherrschende Stellung kommt der ersten Gruppe zu, die nicht allein die Wirtschaft, sondern auch die Hebel der Regierung beherrscht. Sie stellt die wirkliche Regierung dar, die Regierung des Geldsacks in einer Demokratie des Dollars.“
Ist die Lehre von Marx veraltet?
Die Frage der Konkurrenz, der Konzentration des Kapitals und des Monopols führen natürlich zu der Frage, ob die ökonomische Theorie von Marx in unserer Epoche nicht mehr als ein historisches Interesse, – wie zum Beispiel die Theorie von Adam Smith hat oder, ob sie noch immer aktuell ist. Das Kriterium, das die Beantwortung dieser Frage erlaubt ist einfach.
Wenn die Marx’sche Theorie erlaubt, besser den Kurs der sozialen Entwicklung festzustellen und die Zukunft vorauszusehen als die anderen Theorien, so bleibt sie die fortgeschrittenste Theorie unserer Zeit, selbst wenn sie mehrere Jahrzehnte alt ist.
Der bekannte deutsche Ökonom Werner Sombart, der am Beginn seiner Karriere ein wirklicher Marxist war, später aber seine revolutionären Ansichten revidierte, stellte dem Kapital von Marx seinen eigenen „Der moderne Kapitalismus”1 gegenüber, der wahrscheinlich die bekannteste apologetische Darstellung der bürgerlichen Ökonomie der letzten Zeit ist. Sombart schrieb: „ Karl Marx hat vorausgesagt: erstens, die fortschreitende Entwicklung des Elends der Lohnarbeiter, zweitens, die allgemeine Konzentration mit dem Verschwinden der Klassen der Handwerker und Bauern, drittens, den Zusammenbruch des Kapitalismus. Nichts von alldem ist eingetroffen.“
Dieser irrigen Prognose stellt Sombart seine eigene „streng wissenschaftliche“ Prognose gegenüber. Der Kapitalismus wird gemäß Sombart fortfahren, sich innerlich in jene Richtung umzuformen, in die er sich schon umzuformen begonnen hat in der Epoche seiner vollen Blüte. Alternd, wird er nach und nach ruhig, still, vernünftig. Wir versuchen nicht mehr, als in großen Zügen zu sehen, wer von beiden Recht hat: entweder Marx mit seiner Prophezeiung der Katastrophe, oder Sombart, der im Namen der ganzen bürgerlichen Ökonomie versprochen hat, dass die Dinge sich „ruhig“, „still“, und „vernünftig“ gestalten werden. Der Leser wird zugeben, dass die Frage verdient, geprüft zu werden.
Die Verelendungstheorie
„Die Akkumulation des Kapitals auf dem einen Pol“, schrieb Marx 60 Jahre vor Sombart, „hat zur Folge die Akkumulation des Elends, der Leiden, der Sklaverei, der Unwissenheit, der Brutalität, der geistigen Entwürdigung auf dem entgegengesetzten Pol, das heißt, auf der Seite jener Klassen, deren Produkt die Form von Kapital annimmt.“
Diese Theorie von Marx, bekannt unter dem Namen „Verelendungstheorie“, ist der Gegenstand ununterbrochener Angriffe der demokratischen Reformisten und Sozialdemokraten gewesen, insbesondere während der Periode 1890–1914, da sich der Kapitalismus rapid entwickelte und den Arbeitern, vor allem ihrer führenden Schicht, gewisse Konzessionen gewährte. Nach dem Weltkrieg, als die von ihren eigenen Verbrechen erschreckte und von der Oktoberrevolution in Angst versetzte Bourgeoisie sich auf den Weg, allgemein gepriesener Reformen begab, Reformen, die in der Tat durch Inflation und Arbeitslosigkeit unmittelbar wieder aufgehoben wurden, erschien den Reformisten und bürgerlichen Professoren die Theorie der fortschrittlichen Umformung der kapitalistischen Gesellschaft vollkommen gesichert. „Die Kaufkraft der Lohnarbeit“, versicherte uns Sombart im Jahre 1908 und 1928, „hat sich im direkten Verhältnis zur Expansion der kapitalistischen Produktion vergrößert!“
In der Tat jedoch verschärfte sich der ökonomische Gegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat selbst in der gedeihlichsten Periode der kapitalistischen Entwicklung, wenn auch die Hebung des Lebensstandards bestimmter, für den Moment genügend umfangreicher Arbeiterschichten, die Verminderung des Anteils des ganzen Proletariats am nationalen Einkommen maskierte. So stieg zwischen 1920 bis 1930, eben vor dem Fall in die Krise, die industrielle Produktion der Vereinigten Staaten um 50 Prozent, während die an Löhnen ausbezahlte Summe sich nur um 30 Prozent erhöhte. Dies zeigt also eine außerordentliche Verminderung des Anteils der Arbeiter am nationalen Einkommen an. Im Jahre 1930 begann ein Anwachsen der Arbeitslosigkeit, was 1933 eine mehr oder weniger systematische Hilfe für die Arbeitslosen erzwang, die in Form von Unterstützungen kaum mehr als die Hälfte von dem, was sie an Löhnen verloren hatten, erhielten.
Die Illusionen des ununterbrochenen „Fortschrittes“ aller Klassen verschwand spurlos.
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