Der relative Verfall des Lebensstandards der Massen hat einem absolutem Verfall Platz gemacht. Die Arbeiter beginnen an ihren mageren Vergnügungen, dann an ihrer Kleidung und zuletzt an der Nahrung zu sparen. Die Artikel und Produkte von mittlerer Qualität werden durch Schund und der Schund durch Ausschuss ersetzt. Die Syndikate beginnen jenem Menschen zu gleichen, der sich hoffnungslos am Treppengeländer festhält, indessen er eine steile Treppe hinabpurzelt.

Mit sechs Prozent der Erdbevölkerung besitzen die Vereinigten Staaten 40 Prozent des Weltkapitals. Dessen ungeachtet lebt ein Drittel der Nation, wie das Roosevelt selbst zugab, unterernährt, schlecht gekleidet, und unter menschenunwürdigen Bedingungen. Wie ist nun die Lage in den viel weniger privilegierten Ländern? Die Geschichte der kapitalistischen Welt seit dem letzten Kriege hat unwiderruflich die Theorie, genannt Verelendungstheorie, bekräftigt.

Das faschistische Regime, das nur die Grenzen des Verfalls bis zum äußerstem hinausschiebt, und das die dem imperialistischen Kapitalismus innewohnende Reaktion ausdrückt, wird unumgänglich, ob der Neigung des Kapitalismus zur Entartung, die Möglichkeit zur Aufrechterhaltung der Illusion von der Hebung des Lebensstandards des Proletariats vernichten. Die faschistische Diktatur lässt offen die Tendenz zur Verelendung erkennen, indessen die viel reicheren imperialistischen Demokratien sich noch bemühen, diese zu verbergen. Wenn Mussolini und Hitler den Marxismus mit solchem Hass verfolgen, so nur deshalb, weil Ihr eigenes Regime die schreckliche Bestätigung der marxistischen Prophezeiung ist. Die zivilisierte Welt entrüstete sich, oder heuchelte, sich zu entrüsten, als Göring mit dem scharfrichterlichen und possierlichen Ton, der ihn charakterisiert, erklärte, „Kanonen sind viel notwendiger als Butter“, oder als Mussolini den italienischen Arbeitern erklärte, dass sie lernen müssten, den Gürtel um ihr schwarzes Hemd enger zu schnallen. Aber passiert nicht im Grunde genommen die selbe Sache in den imperialistischen Demokratien? Überall dient Butter zum Fetten der Kanonen. Die Arbeiter Frankreichs, Englands, der Vereinigten Staaten lernen ohne Schwarzhemd, den Gürtel enger zu schnallen.

Die industrielle Reservearmee und die neue Unterklasse der Arbeitslosen

Die industrielle Reservearmee bildet einen untrennbaren Teil der sozialen Mechanik des Kapitalismus, genau wie die Maschinen und Rohstoffe in einer Fabrik, oder wie ein Lager von Fabrikerzeugnissen in den Magazinen. Weder die allgemeine Ausdehnung der Produktion, noch die Anpassung an die periodische Ebbe und Flut industrieller Zyklen, war ohne eine Reserve an Arbeitskräften möglich. Von der allgemeinen Tendenz der kapitalistischen Entwicklung, – Anwachsen des konstanten Kapitals (Maschinen und Rohmaterial) auf Kosten des variablen Kapitals (Arbeitskräfte), – zieht Marx folgenden Schluss: „Je größer der gesellschaftliche Reichtum ist, desto größer ist die Masse der ständigen Überbevölkerung ... desto größer ist die industrielle Reservearmee ... desto größer ist das offizielle Massenelend. Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation.“ Diese, unlöslich mit der „Verelendungstheorie“ verknüpfte und durch Jahrzehnte für „übertrieben“, „tendenziös“, „demagogisch“ erklärte These ist jetzt das tadellose Bild der Wirklichkeit. Die gegenwärtige Arbeitslosenarmee kann nicht mehr als industrielle Reservearmee betrachtet werden, weil ihre Hauptmasse nicht mehr hoffen kann, Arbeit zu finden; im Gegenteil, sie ist bestimmt, zu einer konstanten Flut neuer Arbeitsloser anzuschwellen. Die Auflösung, der Zerfall des Kapitalismus hat eine ganze Generation junger Leute geschaffen, die noch niemals einen Beruf gehabt haben, und die keinerlei Hoffnung haben, einen zu finden. Diese neue Unterklasse zwischen Proletariat und Halbproletariat ist genötigt, auf Kosten der Gesellschaft zu leben. Man hat kalkuliert, dass die Arbeitslosigkeit während neun Jahren, von 1930 bis 1938, der menschlichen Gesellschaft mehr als 43 Millionen Jahre menschlicher Arbeit gekostet hat. Wenn man bedenkt, dass im Jahre 1929, am Gipfelpunkt der Prosperität der Vereinigten Staaten, zwei Millionen Arbeitslose vorhanden waren, und dass während der letzten neun Jahre die wirkliche Zahl der Arbeiter sich um fünf Millionen vermehrte, vervielfacht sich die Gesamtsumme der verlorenen Arbeitsjahre. Eine Gesellschaftsordnung, die von einer derartigen Geißel verwüstet wird, ist todkrank. Die genaue Diagnose dieser Krankheit wurde schon vor nahezu 80 Jahren gegeben, als die Krankheit selbst erst ein bloßer Keim war.

Der Verfall der Mittelklassen

Die Ziffern, die die Konzentration des Kapitals zeigen, zeigen zur selben Zeit, dass das spezifische Gewicht der Mittelklasse in der Produktion, und sein Anteil am nationalen Einkommen nicht aufgehört hat, abzunehmen. Zur selben Zeit, da die kleinen Unternehmen herabgedrückt und ihrer Unabhängigkeit beraubt wurden, sind sie ein reines Symbol unerträglicher Leiden und höchster und hoffnungsloser Not geworden. Es ist wahr, die Entwicklung des Kapitalismus hat im selben Moment das Anwachsen der Armee von Technikern, Geschäftsführern, Beamten, Medizinern, mit einem Wort jener, welche man die „neue Mittelklasse“ nennt, beträchtlich gefördert. Aber diese Schicht, deren Anwachsen schon für Marx kein Mysterium war, ähnelt der alten Mittelklasse wenig, die im Besitz ihrer eigenen Produktionsmittel eine fühlbare Garantie ihrer Unabhängigkeit fand. Die „neue Mittelklasse“ ist von den Kapitalisten abhängiger, als die Arbeiter. In der Tat steht sie in hohem Maße unter der Vorherrschaft dieser Klasse; im Übrigen ist eine beträchtliche Überproduktion an dieser „neuen Mittelklasse“ festzustellen, mit ihrer Folge: sozialer Degradation.

„Die statistischen Informationen zeigen glaubwürdig, dass zahlreiche industrielle Unternehmen ganz verschwunden sind, und dass sich eine fortschreitende Ausmerzung der kleinen Unternehmer als Faktor des amerikanischen Lebens ergibt“, erklärt der Generalstaatsanwalt der Vereinigten Staaten, Cummings, ein vom Marxismus weit entfernter Mann, den wir schon zitiert haben. Sombart aber wendet ein, „die allgemeine Konzentration, ungeachtet des Verschwindens der handwerklichen und bäuerlichen Klasse“, ist noch nicht eingetreten. Wie alle Theoretiker, begann Marx die grundlegenden Tendenzen in ihrer reinen Form zu isolieren; andernfalls wäre es gänzlich unmöglich gewesen, das Geschick der kapitalistischen Gesellschaftsordnung zu verstehen.