Bei Gott! Sie ists!

(Pause.)

Kunigunde. Es sei. Es soll mir das Gefühl, das hier In diesem Busen sich entflammt, nicht stören. Ich will nichts denken, fühlen will ich nichts, Als Unschuld, Ehre, Leben, Rettung--Schutz Vor diesem Wolf, der hier am Boden liegt.--Komm her, du lieber, goldner Knabe, du, Der mich befreit, nimm diesen Ring von mir, Es ist jetzt alles, was ich geben kann: Einst lohn ich würdiger, du junger Held, Die Tat dir, die mein Band gelöst, die mutige, Die mich vor Schmach bewahrt, die mich errettet, Die Tat, die mich zur Seligen gemacht!

(Sie wendet sich zum Grafen.) Euch, mein Gebieter--Euer nenn ich alles, Was mein ist! Sprecht! Was habt Ihr über mich beschlossen? In Eurer Macht bin ich; was muß geschehn? Muß ich nach Eurem Rittersitz Euch folgen?

Der Graf vom Strahl (nicht ohne Verlegenheit). Mein Fräulein--es ist nicht eben allzuweit. Wenn Ihr ein Pferd besteigt, so könnt Ihr bei Der Gräfin, meiner Mutter, übernachten.

Kunigunde. Führt mir das Pferd vor!

Der Graf vom Strahl (nach einer Pause). Ihr vergebt mir, Wenn die Verhältnisse, in welchen wir-Kunigunde. Nichts, nichts! Ich bitt Euch sehr! Beschämt mich nicht! In Eure Kerker klaglos würd ich wandern.

Der Graf vom Strahl. In meinen Kerker! Was! Ihr überzeugt Euch-Kunigunde (unterbricht ihn). Drückt mich mit Eurer Großmut nicht zu Boden!--Ich bitt um Eure Hand!

Der Graf vom Strahl. He! Fackeln! Leuchtet! (Ab.)

Neunter Auftritt

Szene: Schloß Wetterstrahl. Ein Gemach in der Burg.

Kunigunde, in einem halb vollendeten, romantischen Anzuge, tritt auf, und setzt sich vor einer Toilette nieder. Hinter ihr Rosalie und die alte Brigitte.

Rosalie (zu Brigitten). Hier, Mütterchen, setz dich! Der Graf vom Strahl hat sich bei meinem Fräulein anmelden lassen; sie läßt sich nur noch die Haare von mir zurecht legen, und mag gern dein Geschwätz hören.

Brigitte (die sich gesetzt). Also Ihr seid Fräulein Kunigunde von Thurneck?

Kunigunde. Ja Mütterchen; das bin ich.

Brigitte. Und nennt Euch eine Tochter des Kaisers?

Kunigunde. Des Kaisers? Nein; wer sagt dir das? Der jetzt lebende Kaiser ist mir fremd; die Urenkelin eines der vorigen Kaiser bin ich, die in verflossenen Jahrhunderten, auf dem deutschen Thron saßen.

Brigitte. O Herr! Es ist nicht möglich? Die Urenkeltochter-Kunigunde. Nun ja!

Rosalie. Hab ich es dir nicht gesagt?

Brigitte. Nun, bei meiner Treu, so kann ich mich ins Grab legen: der Traum des Grafen vom Strahl ist aus!

Kunigunde. Welch ein Traum?

Rosalie. Hört nur, hört! Es ist die wunderlichste Geschichte von der Welt!--Aber sei bündig, Mütterchen, und spare den Eingang; denn die Zeit, wie ich dir schon gesagt, ist kurz.

Brigitte. Der Graf war gegen das Ende des vorletzten Jahres, nach einer seltsamen Schwermut, von welcher kein Mensch die Ursache ergründen konnte, erkrankt; matt lag er da, mit glutrotem Antlitz und phantasierte; die Ärzte, die ihre Mittel erschöpft hatten, sprachen, er sei nicht zu retten. Alles, was in seinem Herzen verschlossen war, lag nun, im Wahnsinn des Fiebers, auf seiner Zunge: er scheide gern, sprach er, von hinnen; das Mädchen, das fähig wäre, ihn zu lieben, sei nicht vorhanden; Leben aber ohne Liebe sei Tod; die Welt nannt er ein Grab, und das Grab eine Wiege, und meinte, er würde nun erst geboren werden.--Drei hintereinander folgende Nächte, während welcher seine Mutter nicht von seinem Bette wich, erzählte er ihr, ihm sei ein Engel erschienen und habe ihm zugerufen: Vertraue, vertraue, vertraue! Auf der Gräfin Frage: ob sein Herz sich, durch diesen Zuruf des Himmlischen, nicht gestärkt fühle? antwortete er: "Gestärkt? Nein!"--und mit einem Seufzer setzte er hinzu: "doch! doch, Mutter! Wenn ich sie werde gesehen haben!"--Die Gräfin fragt: und wirst du sie sehen? "Gewiß!" antwortet er. Wann? fragt sie. Wo?--"In der Silvesternacht, wenn das neue Jahr eintritt; da wird er mich zu ihr führen." Wer? fragt sie, Lieber; zu wem? "Der Engel", spricht er, "zu meinem Mädchen"--wendet sich und schläft ein.

Kunigunde. Geschwätz!

Rosalie. Hört sie nur weiter.--Nun?

Brigitte.