Drauf in der Silvesternacht, in dem Augenblick, da eben
das Jahr wechselt, hebt er sich halb vom Lager empor, starrt, als ob
er eine Erscheinung hätte, ins Zimmer hinein, und, indem er mit der
Hand zeigt: "Mutter! Mutter! Mutter!" spricht er. Was gibts? fragt
sie. "Dort! Dort!" Wo? "Geschwind!" spricht er.--Was?--"Den Helm!
Den Harnisch! Das Schwert!"--Wo willst du hin? fragt die Mutter.
"Zu ihr", spricht er, "zu ihr. So! so! so!" und sinkt zurück; "Ade,
Mutter ade!" streckt alle Glieder von sich, und liegt wie tot.
Kunigunde. Tot?
Rosalie. Tot, ja!
Kunigunde. Sie meint, einem Toten gleich.
Rosalie. Sie sagt, tot! Stört sie nicht.--Nun?
Brigitte. Wir horchten an seiner Brust: es war so still darin, wie
in einer leeren Kammer. Eine Feder ward ihm vorgehalten, seinen Atem
zu prüfen: sie rührte sich nicht. Der Arzt meinte in der Tat, sein
Geist habe ihn verlassen; rief ihm ängstlich seinen Namen ins Ohr;
reizt' ihn, um ihn zu erwecken, mit Gerüchen; reizt' ihn mit Stiften
und Nadeln, riß ihm ein Haar aus, daß sich das Blut zeigte; vergebens:
er bewegte kein Glied und lag, wie tot.
Kunigunde. Nun? Darauf?
Brigitte. Darauf, nachdem er einen Zeitraum so gelegen, fährt er auf,
kehrt sich, mit dem Ausdruck der Betrübnis, der Wand zu, und spricht:
"Ach! Nun bringen sie die Lichter! Nun ist sie mir wieder
verschwunden!"--gleichsam, als ob er durch den Glanz derselben
verscheucht würde.--Und da die Gräfin sich über ihn neigt und ihn an
ihre Brust hebt und spricht: Mein Friedrich! Wo warst du? "Bei ihr",
versetzt er, mit freudiger Stimme; "bei ihr, die mich liebt! bei der
Braut, die mir der Himmel bestimmt hat! Geh, Mutter geh, und laß nun
in allen Kirchen für mich beten: denn nun wünsch ich zu leben."
Kunigunde. Und bessert sich wirklich?
Rosalie. Das eben ist das Wunder.
Brigitte. Bessert sich, mein Fräulein, bessert sich, in der Tat;
erholt sich, von Stund an, gewinnt, wie durch himmlischen Balsam
geheilt, seine Kräfte wieder, und ehe der Mond sich erneut, ist er so
gesund wie zuvor.
Kunigunde. Und erzählte?--Was erzählte er nun?
Brigitte. Ach, und erzählte, und fand kein Ende zu erzählen: wie der
Engel ihn, bei der Hand, durch die Nacht geleitet; wie er sanft des
Mädchens Schlafkämmerlein eröffnet, und alle Wände mit seinem Glanz
erleuchtend, zu ihr eingetreten sei; wie es dagelegen, das holde Kind,
mit nichts, als dem Hemdchen angetan, und die Augen bei seinem
Anblick groß aufgemacht, und gerufen habe, mit einer Stimme, die das
Erstaunen beklemmt. "Mariane!" welches jemand gewesen sein müsse,
der in der Nebenkammer geschlafen; wie sie darauf, vom Purpur der
Freude über und über schimmernd, aus dem Bette gestiegen, und sich
auf Knieen vor ihm niedergelassen, das Haupt gesenkt, und: mein hoher
Herr! gelispelt; wie der Engel ihm darauf, daß es eine Kaisertochter
sei, gesagt, und ihm ein Mal gezeigt, das dem Kindlein rötlich auf
dem Nacken verzeichnet war,--wie er, von unendlichem Entzücken
durchbebt, sie eben beim Kinn gefaßt, um ihr ins Antlitz zu schauen:
und wie die unselige Magd nun, die Mariane, mit Licht gekommen, und
die ganze Erscheinung bei ihrem Eintritt wieder verschwunden sei.
Kunigunde. Und nun meinst du, diese Kaisertochter sei ich?
Brigitte. Wer sonst?
Rosalie. Das sag ich auch.
Brigitte. Die ganze Strahlburg, bei Eurem Einzug, als sie erfuhr,
wer Ihr seid, schlug die Hände über den Kopf zusammen und rief: sie
ists!
Rosalie. Es fehlte nichts, als daß die Glocken ihre Zungen gelöst,
und gerufen hätten: ja, ja, ja!
Kunigunde (steht auf). Ich danke dir, Mütterchen, für deine
Erzählung. Inzwischen nimm diese Ohrringe zum Andenken, und entferne
dich.
(Brigitte ab.)
Zehnter Auftritt
Kunigunde und Rosalie.
Kunigunde (nachdem sie sich im Spiegel betrachtet, geht gedankenlos
ans Fenster und öffnet es.--Pause.) Hast du mir alles dort zurecht
gelegt, Was ich dem Grafen zugedacht, Rosalie? Urkunden, Briefe,
Zeugnisse?
Rosalie (am Tisch zurück geblieben). Hier sind sie. In diesem
Einschlag liegen sie beisammen.
Kunigunde. Gib mir doch--(Sie nimmt eine Leimrute, die draußen
befestigt ist, herein.)
Rosalie. Was, mein Fräulein?
Kunigunde (lebhaft).
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