Herr! sag ich:
wenn Euch die Brust so die Rüstung zerschmeißt, so läßt der Pfalzgraf
unsere Wälle ganz; nötig ihn auf einen Sessel, in des Zimmers Mitte
nieder, und: Wein! ruf ich in die Türe, und vom frischgeräucherten
Schinken, zum Imbiß! und setz einen Schemel, mit Werkzeugen versehn,
vor ihn, um ihm die Schiene wieder herzustellen. Und während draußen
noch der Streithengst wiehert, und, mit den Pferden der Knechte, den
Grund zerstampft, daß der Staub, als wär ein Cherub vom Himmel
niedergefahren, emporquoll: öffnet langsam, ein großes, flaches
Silbergeschirr auf dem Kopf tragend, auf welchem Flaschen, Gläser und
der Imbiß gestellt waren, das Mädchen die Türe und tritt ein. Nun
seht, wenn mir Gott der Herr aus Wolken erschiene, so würd ich mich
ohngefähr so fassen, wie sie. Geschirr und Becher und Imbiß, da sie
den Ritter erblickt, läßt sie fallen; und leichenbleich, mit Händen,
wie zur Anbetung verschränkt, den Boden mit Brust und Scheiteln
küssend, stürzt sie vor ihm nieder, als ob sie ein Blitz nieder
geschmettert hätte! Und da ich sage: Herr meines Lebens! Was fehlt
dem Kind? und sie aufhebe: schlingt sie, wie ein Taschenmesser
zusammenfallend, den Arm um mich, das Antlitz flammend auf ihn
gerichtet, als ob sie eine Erscheinung hätte. Der Graf vom Strahl,
indem er ihre Hand nimmt, fragt: wes ist das Kind? Gesellen und
Mägde strömen herbei und jammern: hilf Himmel! Was ist dem
Jüngferlein widerfahren; doch da sie sich, mit einigen schüchternen
Blicken auf sein Antlitz, erholt, so denk ich, der Anfall ist wohl
auch vorüber, und gehe, mit Pfriemen und Nadeln, an mein Geschäft.
Drauf sag ich: Wohlauf, Herr Ritter! Nun mögt Ihr den Pfalzgrafen
treffen; die Schiene ist eingerenkt, das Herz wird sie Euch nicht
mehr zersprengen. Der Graf steht auf; er schaut das Mädchen, das ihm
bis an die Brusthöhle ragt, vom Wirbel zur Sohle, gedankenvoll an,
und beugt sich, und küßt ihr die Stirn und spricht: der Herr segne
dich, und behüte dich, und schenke dir seinen Frieden, Amen! Und da
wir an das Fenster treten: schmeißt sich das Mädchen, in dem
Augenblick, da er den Streithengst besteigt, dreißig Fuß hoch, mit
aufgehobenen Händen, auf das Pflaster der Straße nieder: gleich einer
Verlorenen, die ihrer fünf Sinne beraubt ist! Und bricht sich beide
Lenden, ihr heiligen Herren, beide zarten Lendchen, dicht über des
Knierunds elfenbeinernem Bau; und ich, alter, bejammernswürdiger Narr,
der mein versinkendes Leben auf sie stützen wollte, muß sie, auf
meinen Schultern, wie zu Grabe tragen; indessen er dort, den Gott
verdamme! zu Pferd, unter dem Volk, das herbeiströmt, herüberruft von
hinten, was vorgefallen sei!--Hier liegt sie nun, auf dem Todbett, in
der Glut des hitzigen Fiebers, sechs endlose Wochen, ohne sich zu
regen. Keinen Laut bringt sie hervor; auch nicht der Wahnsinn,
dieser Dietrich aller Herzen, eröffnet das ihrige; kein Mensch vermag
das Geheimnis, das in ihr waltet, ihr zu entlocken. Und prüft, da
sie sich ein wenig erholt hat, den Schritt, und schnürt ihr Bündel,
und tritt, beim Strahl der Morgensonne, in die Tür: wohin? fragt sie
die Magd; zum Grafen Wetter vom Strahl, antwortet sie, und
verschwindet.
Wenzel. Es ist nicht möglich!
Hans. Verschwindet?
Wenzel. Und läßt alles hinter sich zurück?
Hans. Eigentum, Heimat und den Bräutigam, dem sie verlobt war?
Wenzel. Und begehrt auch deines Segens nicht einmal?
Theobald. Verschwindet, ihr Herren--Verläßt mich und alles, woran
Pflicht, Gewohnheit und Natur sie knüpften--Küßt mir die Augen, die
schlummernden, und verschwindet; ich wollte, sie hätte sie mir
zugedrückt.
Wenzel. Beim Himmel! Ein seltsamer Vorfall.-Theobald. Seit jenem
Tage folgt sie ihm nun, gleich einer Metze, in blinder Ergebung, von
Ort zu Ort; geführt am Strahl seines Angesichts, fünfdrähtig, wie
einen Tau, um ihre Seele gelegt; auf nackten, jedem Kiesel
ausgesetzten, Füßen, das kurze Röckchen, das ihre Hüfte deckt, im
Winde flatternd, nichts als den Strohhut auf, sie gegen der Sonne
Stich, oder den Grimm empörter Witterung zu schützen. Wohin sein Fuß,
im Lauf seiner Abenteuer, sich wendet: durch den Dampf der Klüfte,
durch die Wüste, die der Mittag versengt, durch die Nacht
verwachsener Wälder: wie ein Hund, der von seines Herren Schweiß
gekostet, schreitet sie hinter ihm her; und die gewohnt war, auf
weichen Kissen zu ruhen, und das Knötlein spürte, in des Bettuchs
Faden, das ihre Hand unachtsam darin eingesponnen hatte: die liegt
jetzt, einer Magd gleich, in seinen Ställen, und sinkt, wenn die
Nacht kömmt, ermüdet auf die Streu nieder, die seinen stolzen Rossen
untergeworfen wird.
Graf Otto. Graf Wetter vom Strahl! Ist dies gegründet?
Der Graf vom Strahl. Wahr ists, ihr Herren; sie geht auf der Spur,
die hinter mir zurückbleibt. Wenn ich mich umsehe, erblick ich zwei
Dinge: meinen Schatten und sie.
Graf Otto. Und wie erklärt Ihr Euch diesen sonderbaren Umstand?
Der Graf vom Strahl. Ihr unbekannten Herren der Vehme! Wenn der
Teufel sein Spiel mit ihr treibt, so braucht er mich dabei, wie der
Affe die Pfoten der Katze; ein Schelm will ich sein, holt er den
Nußkern für mich. Wollt ihr meinem Wort schlechthin, wies die
heilige Schrift vorschreibt, glauben: ja, ja, nein, nein; gut! Wo
nicht, so will ich nach Worms, und den Kaiser bitten, daß er den
Theobald ordiniere. Hier werf ich ihm vorläufig meinen Handschuh hin!
Graf Otto. Ihr sollt hier Rede stehn, auf unsre Frage! Womit
rechtfertigt Ihr, daß sie unter Eurem Dache schläft? Sie, die in das
Haus hingehört, wo sie geboren und erzogen ward?
Der Graf vom Strahl. Ich war, es mögen ohngefähr zwölf Wochen sein,
auf einer Reise, die mich nach Straßburg führte, ermüdet, in der
Mittagshitze, an einer Felswand, eingeschlafen--nicht im Traum
gedacht ich des Mädchens mehr, das in Heilbronn aus dem Fenster
gestürzt war--da liegt sie mir, wie ich erwache, gleich einer Rose,
entschlummert zu Füßen; als ob sie vom Himmel herabgeschneit wäre!
Und da ich zu den Knechten, die im Grase herumliegen, sage: Ei, was
der Teufel! Das ist ja das Käthchen von Heilbronn! schlägt sie die
Augen auf, und bindet sich das Hütlein zusammen, das ihr schlafend
vom Haupt herabgerutscht war. Katharine! ruf ich: Mädel! Wo kömmst
auch her? Auf funfzehn Meilen von Heilbronn, fernab am Gestade des
Rheins? "Hab ein Geschäft, gestrenger Herr", antwortet sie, "das
mich gen Straßburg führt; schauert mich im Wald so einsam zu wandern,
und schlug mich zu Euch." Drauf laß ich ihr zur Erfrischung reichen,
was mir Gottschalk, der Knecht, mit sich führt, und erkundige mich:
wie der Sturz abgelaufen; auch, was der Vater macht? Und was sie in
Straßburg zu erschaffen denke? Doch da sie nicht freiherzig mit der
Sprache herausrückt: was auch gehts dich an, denk ich; ding ihr einen
Boten, der sie durch den Wald führe, schwing mich auf den Rappen, und
reite ab. Abends, in der Herberg, an der Straßburger Straß, will ich
mich eben zur Ruh niederlegen: da kommt Gottschalk, der Knecht, und
spricht: das Mädchen sei unten und begehre in meinen Ställen zu
übernachten. Bei den Pferden? frag ich. Ich sage: wenns ihr weich
genug ist, mich wirds nicht drücken.
1 comment