Ein Schwarzbrot nehmen wir uns mit. Wozu habe ich denn den Handkorb! Du hast doch auch deinen Quersack.“

„Na, den kann ich nicht mitnehmen.“

„Warum denn nicht, he?“

„Ich setze doch den Zylinderhut auf. Dazu paßt der Quersack nicht. Wenn ich einmal den Hochzeitsstaat antue, dann muß auch alles nobel sein.“

„Na gut, so stecke ich das Brot in den Handkorb. Einen Käse haben wir auch, und wenn alle Stränge reißen, so nehmen wir noch unsere Backäpfel mit.“

„Backäpfel? Haben wir denn welche?“

„Ja freilich! Eben deinen ganzen Zylinderhut voll.“

„Davon weiß ich doch gar nichts!“

„Was, du hättest den wilden Apfelbaum nicht gekannt, draußen auf der Waldwiese?“

„Der ist doch schon vor über zwanzig Jahren vom Blitz umgerissen worden.“

„Was tut das? Als er noch stand, habe ich mir die Äpfel gesammelt und nach und nach abgebacken. Du weißt eben noch gar nicht, was für eine haushälterische Frau du hast.“

„Potz Sapperment! Das weiß ich allerdings nicht. Backäpfel seit über zwanzig Jahren her!“

„Na, die können wir eben jetzt gebrauchen. In einen Gasthof gehen wir nicht. Das haben wir bei unserer nahen Verwandtschaft in der Hauptstadt nicht nötig.“

„Nahe – Verwandtschaft?“ fragte er erstaunt.

„Weißt du das etwa nicht?“

„Nein. Kann mich nicht besinnen“, antwortete er kopfschüttelnd.

„Was das für ein Mann ist! Kennt seine Verwandtschaft nicht einmal! Was bin ich denn eigentlich für eine geborene?“

„Na, Landrock.“

„Gut. Wie hieß also mein Vater?“

„Landrock.“

„Mein Großvater?“

„Landrock.“

„Dessen Bruder?“

„Abermals Landrock.“

„Der hatte einen Vetter von seiten seiner Frau, die aber zufälligerweise auch eine geborene Landrock war. Wie aber hat nun dessen Oheims Sohn geheißen?“

„Auch Landrock.“

„Ja. Und dem sein Sohn wieder?“

„Landrock. Das sind ja eine ganze Menge Landrocks!“

„Ja die Verwandtschaft ist ganz bedeutend. Ich stamme eben aus einer Familie, die sich sehen lassen kann. Die Hauptsache aber ist, daß dieser Sohn jenes Oheims in der Hauptstadt angestellt worden ist, und zwar bei Gericht.“

„Als was denn?“

„Als was zuerst, das weiß ich nicht; später aber ist er Amtswachtmeister geworden. Bei dem bleiben wir.“

„Kennt er dich denn?“

„Er wird doch seine Muhme kennen!“

„Habt ihr euch schon einmal gesehen?“

„Nein. Das ist auch gar nicht nötig.“

„Wie lange ist es denn her, daß er damals in der Hauptstadt die Anstellung bekam?“

„Vielleicht so einige vierzig Jahre.“

„Sapperment! Am Ende lebt er gar nicht mehr.“

„Oh, der ist nicht tot. Die Landrocks sind eine gar langlebige Familie. Er wird Freude haben, wenn er uns sieht, denn bei uns hat man immer auf Verwandtschaft gehalten.“

„Aber wenn er dennoch tot ist!“

„Na, in diesem Fall müssen wir eben im Wirtshaus bleiben. Das kostet uns auch nicht gar so viel. Wir legen uns auf die Streu für drei Kreuzer. Kamm, Bürste und Seife nehmen wir uns mit. Ich will nur gleich hinaufgehen und nach den Sachen sehen!“

„Wann denkst du denn, daß wir uns fortmachen?“

„Etwa gleich heute schon?“

„Besser ist besser. Je eher wir gehen, desto eher sind wir wieder zu Hause. Du, dort kommt ein Wagen.“

Es kam eine einspännige Kalesche langsam und vorsichtig den schmalen Waldweg daher. Ein Herr saß darin.

„Das ist der Gerichtsarzt!“ meinte der Köhler.

„Gut, da werden wir gleich hören, ob wir wegen des Kranken verreisen können oder nicht.“

Die Kalesche hielt an; der Arzt stieg aus und kam herein.

„Wie geht es ihm?“ fragte er die Frau.

„Noch wie erst.“

„Sie haben ihm die Charpie im Gesicht doch immer feucht gehalten?“

„Ja, sie ist nicht trocken geworden.“

„Das ist die Hauptsache. Die Tropfen, welche ich Ihnen zu diesem Zweck gegeben habe, heilen die Verwundung schnell. Es kommt uns natürlich sehr darauf an, die Gesichtszüge möglichst schnell wieder kenntlich zu machen, damit wir erfahren, mit wem wir es eigentlich zu tun haben.“

„Es könnte wohl doch noch der Hauptmann sein?“

„Nein, der ist es nicht; den haben wir sicher und fest!“

Der Kranke lag bewegungslos und ruhig atmend in dem Bett, das zerschundene Gesicht mit Charpie belegt. Der Arzt entfernte diese vorsichtig und sagte dann unter einem befriedigten Nicken des Kopfes:

„Es wirkt ganz nach Wunsch.