Sie werden so freundlich sein, daß wir sie um den Finger wickeln können. Ein Glück, daß der Doktor kam!“

„Nun aber haben wir für die Verwandten nichts.“

„Das wird sich finden. Wir bringen ein Brot mit. Das ist eine Rarität für so eine Stadt. Echtes Köhlerbrot.“

„Wenn wir sie nur finden!“

„Na, dafür haben wir den Mund. Wir fragen.“

„Und wenn sie nicht mehr lesen?“

„So – so – hm, da fällt mir ja ein, daß wir auch noch ganz andere Verwandte haben.“

„Ich aber weiß nichts davon.“

„Ja, das ist ein Elend mit dir! Du kennst nicht einmal deine allernächsten Verwandten. Es ist eigentlich eine Schande!“

„Wie heißen sie denn?“

„Der Name ist Elias.“

„Habe nie etwas davon gehört.“

„Nie? Was?“

„Nein.“

„Ich habe dir's damals vor unserer Hochzeit ganz deutlich und ausführlich erklärt.“

„Ja, damals! Das ist möglich. Seit jener Zeit aber habe ich es natürlich wieder vergessen.“

„Natürlich? So etwas könnte ich nun doch nicht vergessen. Ich muß wissen, wer meine Verwandten sind. Wie leicht kann man einmal in eine Erbschaft fliegen, von der man gar nichts bekommen hätte, wenn man nicht aufpaßt.“

„Na, Erbschaft! Alte, wir und erben!“

„Das weiß man nicht.“

„So erkläre mir die Geschichte. Also Elias ist der Name?“

„Ja. Du hast doch den Viehdoktor Ebert gekannt?“

„Ja, das war ein entfernter Vetter von dir, so aus zehn Wiesen ein Grashalm.“

„Oho! Ein entfernter? Na, ich will mich nicht über dich ärgern.“

„Ist auch nicht nötig. Aber du willst von Eliassens reden und fängst von dem Ebert an!“

„Das ist ganz richtig. Dem Ebert seine Frau hatte doch einen Stiefbruder, wenn du dich noch besinnen kannst?“

„Es ist mir so.“

„Der Stiefbruder heiratete eine geborene Barthel; sie hatte ein schiefes Bein. Ich weiß nicht mehr, war es das rechte oder das linke. Weißt du es vielleicht?“

„Es werden wohl alle beide schief gewesen sein.“

„So genau weiß ich das nicht mehr. Aber dieser Barthel ihr Bruder hatte zur zweiten Frau eine gewisse Eliassen, deren Bruder also Elias hieß. Er war Schneider und zugleich gab er im Winter Tanzunterricht.“

„Ich habe ihn nie gekannt.“

„Aber erklärt habe ich es dir. Dieser Eliasschneider hatte einen Jungen, der hieß Arthur. Er war ein kleiner Kerl, aber nicht dumm. Er konnte gut zeichnen und half seinem Vater beim Tanzunterricht. Später ist er nach der Hauptstadt gekommen und Tanzmeister geworden.“

„Und den meinst du?“

„Ja.“

„Daß wir ihn aufsuchen wollen?“

„Denkst du etwa, daß wir ihm nicht willkommen wären?“

„Warum denn nicht? Wir haben ihm ja nichts getan.“

„Ja, und nobel kommen wir auch. Wir sehen nicht etwa abgerissen und fadenscheinig aus, und ich will es dir nur sagen: Ich habe nämlich nicht nur zehn Gulden eingesteckt, sondern gleich alle vierzehn. Wir brauchen sie zwar nicht zu vertun, aber es klimpert doch gleich ganz anders, wenn man mehr im Beutel hat. Na, wir werden schon sehen, wohin wir geraten.“

Jetzt schwieg das Gespräch. Die beiden blickten durch die Fenster, um sich an der Gegend zu erlaben. Später erhielten sie Gesellschaft, und die Alte war förmlich stolz, als sie bemerkte, wie sie betrachtet wurde. Sie stieß ihren Mann mit dem Fuß; sagen aber wollte sie nichts; ihre Worte könnten ja verstanden werden.

Aber als sie endlich angekommen und ausgestiegen waren, fragte sie ihn:

„Hast du diese Augen gesehen?“

„Was denn für Augen?“

„Welche die Leute alle machten.“

„Na, und ob!“

„Wir sind eben noch ein Paar, das sich sehen lassen kann. Und freundlich waren sie ja alle. Sie lächelten einen förmlich an!“

„Wo aber nun hin?“

„Na, ich werde gleich fragen.