Nicht Alles hier
Scheint ihnen eigen; ein Verhängnißbaum
Steht dort gepflanzt, Erkenntnißbaum genannt,
Von dem zu kosten streng der Herr verbot!
Wie? die Erkenntniß soll verboten sein!
Das ist verdächtig, gänzlich ohne Grund!
Warum vergönnte diese nicht der Herr?
Wär's Sünde, zu erkennen? Wär' es Tod?
Bestehn sie einzig durch Unwissenheit?
Ist dies ihr Glück, und des Gehorsams Pfand
Und ihrer Treue? Welch ein schöner Grund,
Um ihr Verderben drauf zu baun! – Ich will
In ihre Herzen das Verlangen drum
Nach Wissen pflanzen, daß sie voller Haß
Des Herrn Gebot verschmähn, das nur ersonnen,
Um niedrig sie zu halten, die sich Götter
Durch die Erkenntniß leichtlich dünken könnten!
Wenn sie sich nun erheben, essen sie –
Und sterben dann; denn was erfolgte sonst?
Zuerst doch muß den Garten ich genau
Ringsum in jedem Winkelchen durchspähn,
Vielleicht durch Zufall treff' ich irgendwo
Auf einen Geist des Himmels, der am Quell
Im Schatten lagert, um aus ihm zu forschen,
Was irgend weiter noch zu wissen dient.
Leb' wohl indeß, Du still beglücktes Paar!
Genieße, bis ich kehre, kurze Lust,
Denn langes Weh wird auf die Freude folgen.«
So sprechend, wandt' er spöttisch seinen Schritt,
Vorsichtig und behutsam, und begann
Durch Wald und Haide, Berg und Thal zu streifen.
Indessen sank im Westen, wo der Himmel
Mit Erd und Meer sich eint, langsam die Sonne,
Und richtet' ostwärts mit geradem Blick
Zum Thor des Paradieses ihre Strahlen.
Es war ein Alabasterfels, gethürmt
Hoch in die Wolken, und von fern zu schaun,
Wo ein gewundner Pfad zum einzigen
Eingang hinaufwärts von der Erde führte;
Das andre war ein steiles Klippenriff,
Das hoch empor sich hebend, überhing,
Und das unmöglich war zu übersteigen.
Bei diesen Pfeilern nun saß Gabriel,
Das Haupt der Engelschaar, die Nacht erwartend.
Rings um ihn übte sich des Himmels Jugend
In Heldenspielen, und zwar waffenlos,
Doch hingen in der Näh die Himmelswaffen,
Schild, Helm und Speer, wie Gold und Demant glänzend.
Hieher kam Uriel auf einem Sonnenstrahl,
Schnell wie ein fallender Stern im Herbst die Nacht
Durchkreuzt, wenn Feuerdunst die Lüfte füllt,
Und den Matrosen zeigt, auf welchem Punkt
In des Compasses Richtung Stürme drohn.
Er naht und sprach in Hast und Eile so:
»Dir, Gabriel, ward als Loos di strenge Wache,
Die Aufsicht zuertheilt, daß diesem Ort
Der Seligkeit nichts Böses nahen darf.
Heut, um die Mittagsstunde schwang ein Geist
In mein Gebiet sich, der voll Eifer schien,
Des Höchsten Werke näher anzuschaun,
Zumeist den Menschen, Gottes Ebenbild.
Ich wies den Pfad ihm, seinen Flug verfolgend;
Auf dem Gebirg, das nördlich liegt von Eden,
Wo er zuerst sich niederließ, gewahrt' ich
An seinem Blick, daß er dem Himmel fremd,
Von niedern Leidenschaften arg verdunkelt;
Mein Auge folgt ihm immer, doch verlor
Es endlich unter einem Schatten ihn.
Mir bangt, daß einer der verdammten Schaar
Zu neuem Unheil aus dem Pfuhle stieg:
Ihn aufzufinden, sei nun Deine Sorge!«
Erwidrung gab ihm der beschwingte Krieger:
»Uriel, kein Wunder ist es, wenn Dein Blick
Vom lichten Kreis der Sonne, Deinem Thron,
So weit und ferne schaut; durch dieses Thor
Läßt Wachsamkeit nur solche Wesen ein,
Die wohlbekannt im Himmel sind, seit Mittag
Hat sich von dort kein lichter Geist genaht;
Doch wenn ein andres Wesen diese Grenzen
Zu überspringen wagte, weißt Du wol,
Daß schwer es halten muß, das Geistige
Durch körperliche Schranken abzuhalten.
Wenn er indeß im Umkreis irgend lauscht,
In welcher Form er sich auch bergen mag,
So weiß ich's morgen mit der Dämmerung.«
Auf dies Versprechen kehrt zu seiner Pflicht
Uriel zurück auf jenem lichten Strahl,
Deß nun erhöhte Spitze jetzt ihn schief
Zur Sonne trug, die jenseits der Azoren
Gesunken war; ob nun die Himmelsscheibe
Unglaublich schnell sich dorthin täglich rollt,
Ja oder ob die Erde, minder flüchtig
Durch kurzen Flug gen Osten, dort zurück
Die Sonne läßt, wenn mit dem Widerschein
Von Gold und Purpur sich die Wolken schmücken,
Die sich um ihren Thron im Westen reihn.
Jetzt kam der Abend, und das Dämmerlicht
Hüllt Alles in ein düsteres Gewand;
Und sein Gefolg war Stille; Thier' und Vögel
Sie schlichen hin zum Lager und zum Nest,
Nur nicht die wache, muntre Nachtigall,
Sie sang die ganze Nacht ihr zärtlich Lied.
Süß war dies Schweigen, glühend funkelte
Das Himmelszelt von lebenden Saphiren;
Es führte Hesperus das Sternenheer,
Und rollt' als glänzendster von Allen hin,
Bis auch der Mond in Wolkenmajestät
Emporstieg und ein sichtbarer Monarch
Sein unvergleichlich Licht entschleierte,
Und um die Nacht den Silbermantel warf.
Da sprach Adam zu Eva: »Holdes Weib,
Die Stunde der Nacht, wo Alles sanft entschlummert,
Mahnt uns zu gleicher Ruh; da Gott dem Menschen
Arbeit und Ruh in gleichem Maß vertheilt,
Wie Tag und Nacht; der Abendthau des Schlafs
Fällt nun mit sanftem Druck auf unsre Lider.
Den ganzen Tag lang schweifen andre Wesen
Müßig umher, der Ruh nicht so bedürftig;
Der Mensch jedoch hat sein bestimmtes Werk
Für Körper und für Geist, was seine Würde
Beweist, und wie der Himmel seiner achtet;
Indeß die Thiere ringsum träge schweifen,
Und Gott nicht auf ihr Treiben weiter sieht.
Früh, eh' die Morgenkühle mit dem ersten
Annahn des Lichts den Osten röthlich säumt,
Erheben wir zu unsrer Arbeit uns,
Beschneiden jene Bäume, jene Lauben,
Den überzweigten grünen Mittagsgang,
Der unsrer schwachen Arbeit höhnt und doch
Mehr Hände noch erfordert, als die unsern,
Um zu beschneiden seinen üppigen Trieb.
Auch diese Blüthen, dieses Harz umher
Unappetitlich fordern Fortschaffung,
Sobald bequem wir unsre Pfade wünschen:
Doch die Natur gebietet Ruh des Nachts.«
Eva erwidert ihm in hoher Schöne:
»O Herr! wenn Du befiehlst, gehorch ich gern;
So will es Gott, und Gott ist Dein Gesetz,
Wie Du das meine bist; nicht mehr zu wissen,
Das ist des Weibs Erkenntniß, Glück und Ruhm.
Zur Seite Dir, vergess' ich ganz die Zeit,
Des Tages Wechsel ist mir gleich ergötzend.
Süß ist des Morgens Hauch, und süß sein Kommen
Mit seiner frühen Vögel Zaubersang.
Hold ist die Sonne, wenn sie auf's Gefild
Zuerst die rothen Morgenstrahlen wirft,
Auf Blumen, Frücht' und Bäume thaubeglänzt.
Süßduftend ist der Boden nach dem Regen,
Süß auch des sanften Abends holdes Nahn,
Und dann die stille Nacht mit Nachtigallen
Und ihrem schönen Mond, dem Sternenheer;
Doch weder Morgenhauch, wenn sanft er kühlt
Bei früher Vögel zauberhaftem Sang,
Noch auch die Sonne, wenn sie dem Gefild
Die Strahlen schenkt, noch Blumen thaubenetzt
Sammt Bäum' und Früchten; noch der süße Duft
Nach Regen, noch des Abends holde Milde,
Noch auch die stille Nacht mit Nachtigallen,
Noch auch ein Gang im sanften Mondenlicht,
Noch auch der Sterne blasser Lichterschimmer
Ist süß und lieblich ohne Dich, Geliebter!
Doch warum scheinen Sterne selbst zu Nacht,
Da doch der Schlaf die Augen Aller schließt?«
Hierauf entgegnet unser Aller Ahn:
»Eva, Du Tochter Gottes und des Menschen,
Sie haben ihren Lauf rund um die Erde
Bis morgen Abend zu vollenden, und
Den Völkern, die zwar ungeboren noch,
Von Land zu Land bereitet Licht ertheilend.
So gehn sie auf und unter, daß bei Nacht
Nicht Finsterniß ihr altes Recht erhalte,
Und all das Leben tilge der Natur,
Daß diese milden Feuer nicht allein
Erleuchten, sondern auch mit sanfter Glut
Von mannichfachem Einfluß wärmend pflegen,
Ernähren oder mildern, und zum Theil
Gestirnkraft auf die Erdendinge thaun,
Und so sie fähig machen, durch der Sonne
Gewaltigere Strahlen sich zu bilden.
Obwol sie nur gesehn in dunkler Nacht,
So leuchten doch umsonst nicht diese Sterne.
Auch wähne nicht, wenn keine Menschen wären,
Daß es dem Himmel an Beschauern fehlte
Und Gott an Lob; Millionen geistger Wesen
Umwandeln unsichtbar der Erde Rund,
Ob wir nun wachen oder schlafen mögen.
All' diese schaun, endlosen Lobes voll,
Auf seine großen Werke Tag und Nacht.
Wie oft vernahmen wir an jäher Schlucht
Im Dickicht eines Hügels Widerhall
Bei Nacht von Stimmen, einzeln und erwidernd,
Lobsingend ihres großen Schöpfers Macht!
Oft, wenn in Schaaren sie die Wache halten,
Und Nächtens wallen mit den süßen Tönen
Himmlischer Saiten voller Harmonie,
Wie rauschen ihre Lieder durch die Nacht
Und lenken unsre Sinne himmelwärts!«
So sprechend schritten Hand in Hand allein
Sie nach der segensvollen Laube hin.
Dies war ein Ort, gewählt vom höchsten Gärtner,
Als alle Ding' er zu des Menschen holdem
Gebrauch erschuf; das dicht belaubte Dach
Wob sich aus Myrth' und Lorbeer seinen Schatten,
Und aus den duft'gen Blättern höhrer Bäume.
Acanth umzäunte rings auf beiden Seiten
Bei würzigem Pflanzenduft die grüne Wand;
Die schönsten Blumen, Iris aller Farben,
Jasmin und Rosen hoben ihre Kronen
Empor und einten sich als Mosaik;
Darunter stickten Veilchen, Hyacinthen
Und Crocus reich den Boden, bunter glänzend,
Als Steine höchsten Werthes. Andre Wesen,
Insecten, Vögel, Säugethiere wagten
Hier nimmer einzutreten, denn sie ehrten
Den Menschen so. Es schliefen nimmer Pan
Und Sylphen, nimmer Nymphen wol und Faun
In schattenreichrer Laube, wenn die Sage
Dies heil'ger auch und stillverborgner meldet.
Hier schmückte jüngst in traulichem Versteck
Mit Blumen-Kränzen, duftigsüßen Stauden
Eva ihr erstes Hochzeitlager aus.
Hier sang ein Himmelschor das Hochzeitlied,
Als unsrem Ahn der Engel sie gebracht,
In nackter Schönheit lieblicher geschmückt
Als einst Pandora, die der Götter Huld
So reich mit allen Gaben ausgestattet.
Doch ach! auch dieser in dem Unheil gleich,
Als sie zu Japhets unvorsicht'gem Sohn
Durch Hermes hingeführt, mit holdem Blick
Die Menschheit arg bethörte, sich zu rächen
An ihm, der Jupitern das Feuer stahl.
So angelangt an ihrer Schattenlaube,
Zum Himmel hingewendet, standen Beide,
Und beteten zu Gott, der Erde, Luft
Und Himmel schuf, was sie mit Augen sahn,
Des Mondes lichten Ball, den Sternenpol.
»Du schufest auch die Nacht, gewalt'ger Schöpfer,
So wie den Tag, den bei ertheilter Arbeit
Wir endeten mit wechselseit'ger Hülfe
Und Liebe, die des höchsten Glückes Krone;
Du schufst den holden Ort, für uns zu groß,
Wo Andre fehlen, so die Fülle theilen,
Die ungeärntet auf den Boden fällt.
Doch einen Stamm verkündest Du uns Beiden,
Die Erde zu bevölkern, der mit uns
Dein endlos gütig Walten preisen soll
Im Wachen und bei Nacht, wenn wir wie jetzt
Dein herrliches Geschenk des Schlafes suchen.«
Einmüthig sprachen sie's, ganz unbekümmert
Um andern Andachtsbrauch, anbetend nur,
Was Gott zumeist gefällt; ins Innerste
Der Laube gingen sie nun Hand in Hand.
Die lästigen Kleider, die wir jetzo tragen,
Entbehrend, legten sie sich traulich gleich
Dicht bei einander nieder; und ich meine,
Es wandte sich nicht Adam von der Braut,
Noch sträubte lang' sich Eva, den geheimen
Ehlichen Brauch zu dulden; was auch Heuchler
Von Reinheit, Unschuld voller Strenge reden,
Als unrein lästern, was Gott rein erklärt,
Und Einigen befiehlt, und freistellt Allen.
Der Herr befiehlt uns zu vermehren selbst,
Enthaltsamkeit gebietet nur der Satan,
Feind Gottes und der Menschen. Heil Dir Liebe,
Ehliche Liebe, treu, geheimnißvoll,
Du wahre Quelle menschlicher Verpflanzung,
Du einziges Eigenthum im Paradies,
Wo alle Dinge sonst gemeinsam Gut!
Durch Dich ward sündenvolle Lust verbannt,
Dem Thier gesellt, durch Dich, gegründet
Auf Recht und Pflicht, Vernunft und reinen Sinn,
Erkannte man zuerst die theuren Bande
Des Vaters und des Sohns und der Geschwister.
Fern sei's von mir, daß ich dich Sünde nenne,
Dich nicht des heil'gen Ortes würdig achte,
Beständige Quelle häuslichsüßer Lust,
Wo unbefleckt und rein das Bett gegolten
Jetzt so wie einst von heil'gen Patriarchen!
Hier sendet Liebe goldne Pfeile fort,
Hier leuchtet dauernd ihrer Ampel Licht,
Schwingt ihre Purpurschwingen jubelnd hier:
Nicht in der Buhlerinnen feilem Lächeln,
Lieblos und freudeleer, und ohne Reiz,
Zufällige Genüsse nur gestattend,
Noch in Liebschaften, wie sie Schmaus und Feste
Und Maskeraden oder Bälle bieten
Und Ständchen, die ein schmachtend süßer Buhle
Der spröden Schönen bringt, Verachtung ärntend.
Doch unser Elternpaar schlief sanft umarmt,
Von Nachtigallen süß in Schlaf gewiegt:
Auf ihre nackten Glieder fielen Rosen
Des Blüthendachs, vom Morgen neu ersetzt.
So schlaf Du sel'ges Paar, Du glücklichstes,
Wenn Du kein größer Glück erhaschen willst,
Und der Erkenntniß Schranken recht erkennst!
Es hatte jetzt die Nacht mit dichtem Schatten
Aufwärts der Erdenkugel eine Hälfte
Durchmessen, und die Cherubs standen schon
Vor ihrem Thor von Elfenbein gewappnet,
Ausrückend zur gewohnten Stund' und Wache;
Als Gabriel zum Engel, der an Macht,
An Rang und Ansehn ihm der Nächste, sprach:
»Uziel, die Hälfte nimm von diesen hier
Und geh' mit ihnen nach dem Süden zu,
Die andre Wache soll nach Norden wallen,
Es schließe sich im Westen unser Kreis!« –
Wie eine Flamme schieden sie sodann,
Indem sie sich nach beiden Seiten theilten.
Aus ihnen rief zwei Geister Gabriel,
Die stärksten und die schlausten unter ihm,
Um ihnen die Befehle zu ertheilen:
»Ithuriel und Zephon, sucht und späht
Mit Flügelschnelle durch des Gartens Rund,
Laßt auch nicht einen Winkel unerforscht,
Zumeist, wo jenes schöne Pärchen wohnt,
Von Unheil nicht im süßen Schlafe träumt.
Ein Cherub stieg vom Sonnenniedergang
Heut Abend nieder, der berichtete,
Daß unvermuthet sich ein böser Geist
Hier eingeschlichen aus der Hölle Pforten,
Der ohne Zweifel böse Thaten sinnt;
Wenn ihr ihn findet, greift und bringt ihn her.«
So sprechend führt er seine Strahlenreihn
Den Mond verdunkelnd; jene Beiden aber
Begaben eilig nach der Laube sich,
Um jenen, den sie suchten, zu erspähn.
Sie fanden dort ihn, hingestreckt als Kröte
An Eva's Ohr, durch Höllenlist versuchend
Die Phantasie mit Träumen zu befangen,
Vielleicht auch Gift einflößend ihre Sinne
Und Lebensgeister, die aus reinem Blut
Wie holde Dämpf' aus lautern Flüssen steigen,
Zu reizen, und unruhige Gedanken
Und eitles Hoffen, schnöde Gier und Lust,
Von Dünkel aufgebläht, in ihr zu wecken.
Ithuriel berührte mit dem Speer
Leicht den Versucher, denn es kann kein Trug
Vor der Berührung Himmlischer bestehn,
Und kehrt gezwungen in die wahre Form.
Satan sprang auf, entdeckt und überrascht,
Wie wenn ein Funke fällt auf einen Haufen
Salpeterpulvers, das man aufgestaut
Als Vorrath für den angedrohten Krieg,
Das schwarze Korn mit schnellem Blitz entglimmt
Und flammend auffährt, so auch fuhr der Böse
In seiner eignen Schmachgestalt empor.
Die beiden Engel wichen halb bestürzt
Zurück, da sie den fürchterlichen Fürsten
Plötzlich erblickten, doch sie redeten
Bald ohne die geringste Furcht ihn an:
»Wer bist Du unter den verdammten Geistern,
Der seiner Haft entronnen? Warum lugst
Du wie ein Feind verlarvt im Hinterhalt,
Und wachst zu Häupten dieser Schlummernden?«
Drauf höhnte Satan: »Wie! ihr kennt mich nicht?
Einst kanntet ihr mich wol, nicht eures Gleichen,
Ich thronte, wohin nie ihr steigen durftet.
Mich nicht zu kennen, dient mir als Beweis,
Daß ihr die niedrigsten von eurer Schaar.
Doch kennt ihr mich, was soll die Frage dann,
Und tretet überflüss'ge Sendung an,
Die auch nur leer und fruchtlos enden wird?«
Zephon entgegnet Hohn mit Hohn ihm so:
»Empörter Geist, vermeine nicht etwa,
Gestalt und Glanz sei unverkennbar noch,
Wie damals, als Du rein im Himmel standest;
Die Glorie wich, als Du der Schuld verfielst,
Du gleichst der Sünde jetzt und Deinem Ort
Der Nacht und des Verderbens. Jetzo komm,
Denn Rechenschaft mußt Jenem Du ertheilen,
Der uns gesendet, dessen Amt es ist,
Den Ort hier unverletzlich zu bewachen,
Und dieses Paar vor jedem Harm zu schirmen.«
So sprach der Cherub, und sein ernstes Wort,
So streng in seiner jugendlichen Schöne,
Erhöhte nur die Huld und Anmuth noch.
Beschämt stand Satan da und fühlte recht,
Wie hehr die Tugend und wie liebenswürdig
Sie in Gestalt erscheint. Er sah's und fühlte
Mit Schmerzen den Verlust, vor Allem aber,
Daß auch sein Glanz dahin geschwunden sei.
Doch stand er ungebeugt. »Und muß ich streiten,
So sprach er, streit' ich mit den Tapfersten;
Mit Jenem, der euch sendet, nicht mit Boten;
Ja oder selbst mit Allen. So ist Ruhm
Mehr zu gewinnen, minder zu verlieren!«
Zephon entgegnet kühnlich: »Deine Furcht
Erspart uns den Beweis, was der Geringste
Selbst einzelnstehend wider Dich vermag,
Der Du Dich ruchlos zeigst und darum schwach.«
Der Satan schwieg, von innrer Wuth erfüllt.
Stolz schritt er, wie ein übermüthig Roß,
Das wild zernagt sein eisernes Gebiß.
Fruchtlos erschien ihm streiten so wie fliehn,
Furcht vor dem Höchsten dämpfte seinen Muth,
Der unerschrocken sonst. Sie wandeln nun
Gen Westen zu, wo auch der andre Theil
Der Wache grade kam auf seiner Runde,
Und im Geschwader eng geschlossen stand,
Befehl erwartend. Gabriel, das Haupt
An ihrer Spitze, sprach mit lauter Stimme:
»O! Freunde! schneller Füße Tritt vernehm' ich
Auf diesem Weg, und jetzt erkenn' ich schon
Im Schatten Zephon und Ithuriel
Am Glanz, mit ihnen kommt ein Dritter noch
Von königlichem Anstand, nur verdüstert.
Nach Gang und stolzer Haltung scheint er mir
Der Hölle Fürst. Vermuthlich wird er hier
Nicht ohne Kampf entweichen. Stehet fest,
Denn Trotz verräth sein ganzes Angesicht!«
Kaum endet er, als diese Beiden nahn,
Und kurz berichten, wen sie hier gebracht,
Wo sie ihn fanden, was er dort getrieben,
In welcher Form und Haltung er gelegen.
Mit ernstem Blick sprach Gabriel zu ihm:
»Warum durchbrachst Du, Satan, Deine Schranken,
Die Deinen Frevelthaten vorgesteckt?
Und störtest Andrer Pflicht, die nicht zur Sünde
Sich neigen, doch Gewalt und Recht besitzen,
Zu fragen, was hieher so keck Dich trieb,
Bemüht vielleicht, den Schlummer zu verletzen,
Und Jene, die Gott schuf zur Seligkeit!«
Satan entgegnete verächtlich ihm:
»Gabriel, im Himmel schätzte man Dich weise,
Ich selber that's, doch die gestellte Frage
Macht mich zum Zweifler. Lebt wohl Irgendwer,
Der seine Qualen liebt? Wer würde nicht,
Bahn findend, sich der Höllenglut entziehn,
Ob er auch hingebannt? Du thät'st es selbst
Und wagtest kühn Dich an jedweden Ort,
Der fern von Qual, wo Dir die Hoffnung lachte
Mit Ruh die Qual zu tauschen, und den Schmerz
Mit Lust zu lohnen; wie ich's hier gesucht!
Für Dich ist dies kein Grund, da Gutes nur
Du kennst, doch Böses immer fremd Dir blieb
Und hältst mir seinen Willen jetzt entgegen,
Der uns verbannte? Laß sein Eisenthor
Ihn sichrer wahren, wenn er uns im dunkeln
Verhaft verschließen will; die Antwort Dies
Auf Deine Frage; denn das Andr' ist wahr,
Sie fanden dort mich, wie sie ausgesagt,
Doch spricht dies nicht von Tücke noch Gewalt.«
So sprach er höhnisch. Doch entrüstet-lächelnd
Entgegnet ihm der Kriegesengel so:
»Welch einen Geist verlor der Himmel doch,
Den Richter für der Weisheit wahren Werth,
Seit Satan fiel, den Thorheit niederstürzte
Und jetzt hieher aus seinem Kerker führt,
Bezweifelnd, ob er die für weise hält,
Die ihn befragen, welcher tolle Muth
Ihn unerlaubt die Hölle meiden ließ.
Für weise hält er's, vor dem Schmerz zu fliehn
Und seiner Strafe zu entgehn. – Vermess'ner!
Urtheile Du nur immer so; die Rache,
Der Du im Fliehn gerad' entgegen gehst,
Begegnet Deinem Flüchten siebenfach,
Und peitscht zur Hölle diese Weisheit wieder,
Die Dich noch nicht gelehrt, daß keine Qual
Unendlich aufgereiztem Zorn genügt.
Was kamst Du so allein? Warum nicht auch
Mit Dir die ganze wilde Höllenschaar?
Ist minder ihre Qual, um nicht zu fliehn?
Bist minder stark Du, diese Qual zu tragen?
O muthiger Häuptling, der zuerst entweicht!
Wenn dem verlaßnen Heere Du den Grund
Zu Deiner Flucht verkündet, wärest Du
Gewiß der einz'ge Flüchtling nicht entflohn!«
Zornvoll, verächtlich sprach der böse Feind:
»Nicht trag' ich minder jene Höllenqual,
Noch beb' ich vor dem Schmerze, höhnischer Engel!
Du weißt, daß ich am kühnsten mit Dir stritt,
Als ich im Kampf der Donner der Vernichtung
Dir rasch zu Hülfe kam, und Deinem Speer,
Sonst nie gefürchtet, Beistand leistete.
Doch Deine Worte, just so hin gesprochen,
Bezeugen wieder Mangel an Erfahrung,
Daß einem treuen Häuptling stets geziemt,
Nach harter Prüfung, mißlichen Erfolgen,
Nicht alle Kräfte der Gefahr zu weihn,
Die er nicht selbst erprobt. Drum hab' ich's selbst
Allein versucht, den Abgrund zu durchfliegen,
Die neu erschaffne Welt hier auszuspähn,
Wovon die Hölle Kunde selbst erhielt;
Ich hoffte, bess're Wohnung hier zu finden,
Und mein geschlagnes Heer auf Erden – oder
Auch mitten in dem Luftraum anzusiedeln.
Und müßt' ich auch um den Besitz versuchen,
Was Du sammt Deiner lichten Schaar vermagst,
Für die es leichter ist, dem Herrn zu dienen
Im Himmel droben und mit Lobgesängen
Um seinen Thron zu winseln – als zu fechten.«
Doch schnell erwidert ihm der Kriegesengel:
»Erst sagen, widerrufen dann und drauf
Behaupten, weise sei's, die Qual zu fliehn,
Und einen Späher offenbar sich nennend,
Zeigt keinen Häuptling, einen Lügner nur;
Und konntest auch Dich treuen Häuptling nennen?
Entweihter Name! Wem doch bist Du treu?
Treu den Empörern? Einer Schaar von Teufeln,
Der solch ein Haupt gebührt, wie Du Dich zeigst!
War es des Krieges Zucht, die schuld'ge Treu,
Die Unterthanenpflicht und den Gehorsam
Gen die erkannte höchste Macht zu brechen?
Und Du Betrüger, der Du scheinen möchtest
Ein Schirm der Freiheit, sprich, wer schmiegte sich
Einst mehr, denn Du. Wer kroch und betete
Den Herrn des Himmels sclavischer wohl an?
Nur in der Hoffnung, ihn vom Thron zu stürzen
Und selbst zu herrschen! Doch ich rathe Dir,
Flieh' wieder dahin, wo Du hergeflohn!
Wenn Du fortan den heil'gen Grenzen nahst,
Schlepp' ich gefesselt wieder Dich zurück
In Deinen Höllenpfuhl, und wahre Dich
Nicht fürder mehr zu spotten, daß die Pforte
Der Hölle nur ganz schwach verriegelt sei!«
So droht er ihm, doch Satan merkt nicht drauf,
Entgegnet nur in noch erhöhter Wuth:
»Erst wann ich Dein Gefangner, stolzer Cherub,
Dann sprich von Fesseln; doch zuvor erwarte
Die ärgere Last von meinem Arm zu fühlen,
Wenn auch des Himmels Herr auf Deinen Schwingen
Einherfährt und mit den Genossen Du,
Des Jochs gewohnt, auf sternbesäter Bahn
Des Himmels seinen Siegeswagen ziehst.«
Wie er so sprach, erröthete die Schaar
Der Engel, krümmte den geschloss'nen Trupp
Mondhörnern gleichend, und umgab so dicht
Satan mit Speeren, wie ein Feld der Ceres,
Zur Ernte reif, der Aehren hohen Wald
Im Winde, der sie wiegt, hinwogend neigt;
Der Landmann fürchtet bang, daß in der Tenne
Die hoffnungsvollen Garben Spreu nur werden.
Satan stand andrerseits zum Kampf bereit,
Die ganze Kraft ermessend, hoch gestreckt
Wie Teneriff und Atlas, unbewegt.
Bis in die Wolken reichte seine Höh',
Auf seinem Helmkamm lagerte der Schrecken,
In seiner Faust erglänzte Speer und Schild.
Jetzt wären Greuelthaten wol geschehn,
Nicht nur das Paradies, der Sternendom
Sammt allen Elementen wär' vielleicht
Zertrümmert worden durch des Kampfes Hitze
Und wär' aus allen Fugen aufgelöst,
Wenn nicht der Ewige, diesen Kampf zu hindern,
Die goldne Wag' am Himmel aufgehängt,
Die sichtbar zwischen der Asträa noch
Und zwischen dem Gebild des Scorpions;
Worin er jegliches Erschaffne wog:
Der Erde schwebend Rund im Gleichgewicht
Mit ihrer Luft, worin er noch erwägt
Ein jegliches Ereigniß, Reich und Schlachten.
In ihre Schalen legt er zwei Gewichte,
Die Folgen von des Satans Flucht und Kampf;
Die letztre flog mit Hast empor, und zog
Den Balken auf. Kaum sah dies Gabriel,
So sprach er auch zu dem empörten Feind:
»Ich kenne Deine Stärke, Du die meine!
Nicht unser ist sie, nein, uns nur verliehn!
Wie thöricht drum, mit Waffen sich zu brüsten,
Die Deinen können mehr nicht, als der Wille
Des Himmels zuläßt; auch die meinen nicht,
Obwol sie jetzt verdoppelt sind, wie Staub
Dich zu zermalmen; sieh zum Himmel auf,
Lies Dein Geschick in jenem Himmelszeichen,
Wo Du gewogen bist; da wirst Du sehn,
Wie schwach und leicht Du bist zum Widerstande!«
Satan blickt auf, er sieht der Wage Schale,
Die hoch zum Schaden ihm empor geschnellt.
Er floh mit Murren ohne Zaudern fort,
Und mit ihm flohen all' die nächt'gen Schatten.
Fünfter Gesang.
Auf Rosenschritten naht der Morgen sich
Im Osten, sät des Orientes Perlen
Auf Erden aus. Adam erwacht mit ihm,
Wie er's gewohnt, vom luftig leichten Schlaf,
Den seiner Nahrung Reinheit ihm vergönnt,
Erweckt vom sanften Dunst, den wunderbar
Aurorens Fächer in der Blätter Rauschen
Und in der Bäche Dampf verbreitete
Beim hellen Sang der Vögel in den Zweigen.
Doch um so mehr war er erstaunt, daß Eva
Noch unerwacht mit wirren Locken lag,
Mit glühenden Wangen, wie von ruhelosem
Schlaf wild erhitzt; an ihrer Seite lehnend
Mit herzlich liebevollen Blicken hing
Adam und schaute sie in ihrer Schöne,
Die Reize strahlt' im Wachen wie im Schlaf;
Dann sprach er sanften Tons, wie wenn ein Zephir
Um Flora haucht, und streichelt ihre Hand:
Erwache meine Schöne, mir Vermählte,
Zuletzt Gefundne, Du des Himmels letzte
Doch beste Gabe, voll von neuer Lust!
Erwach'! der Morgen strahlt! es ruft die Flur;
Die Stund' entflieht, und wir gewahren nicht
Die Pflanzen sprießen, die Citrone blühn,
Die Myrrhe tropfen und das Balsamrohr,
Wie die Natur die bunten Farben mischt,
Und Bienen süßen Saft aus Blumen saugen.
So flüsternd weckt er sie, jedoch mit Blicken
Der Scheu auf Adam sprach sie, ihn umarmend:
»Du Einziger, in dem mein ganzes Sein
Vollkommenheit und Stolz und Ruhe findet!
Erfreut seh' ich Dein Antlitz und den Morgen;
Denn diese Nacht, wie kein' ich noch bestand,
Da träumt' ich, wenn ich träumte, nicht wie sonst
Von Dir, und von des vorigen Tages Müh'n,
Von Plänen für den nächsten Morgen, nein
Ich träumte von Verbrechen ruhelos,
Die vorher nie mein Busen noch gekannt;
Mir war, als riefe dicht an meinem Ohr
Mir Jemand fortzugehn mit sanfter Stimme,
Ich glaubte Deine sei's; sie sprach: Warum
Schläfst Du jetzt, Eva? Sieh' die Stund' ist hold,
Ist kühl und still, das Schweigen unterbricht
Der nächtlich singende Vogel ganz allein,
Der wachend jetzt von süßer Liebe singt;
Vollscheibig glänzt der Mond und leuchtet lieblich
Mit schattigem Licht auf die Gestalt der Dinge;
Umsonst, wenn Niemand schaut; der Himmel wacht
Mit seinen Augen, Dich nur anzustaunen,
Du Sehnsucht der Natur, bei deren Anblick
Ein jeglich Wesen hingerissen wird
Durch Deine Schönheit, immer Dich zu schaun.
Dann stand ich auf, ganz wie auf Deinen Ruf,
Doch sah ich nirgends Dich; um Dich zu finden,
Ging ich dann meinen Pfad und wie mich dünkt
Allein dahin, wo plötzlich mir der Baum
Verbotener Erkenntniß stand genüber;
Schön war er, und weit schöner noch im Traum,
Als wie bei Tag; und wie ich staunend blickte
Stand seitwärts Einer, jenen Engeln gleich
An Schwingen und Gestalt, die oft wir sehn;
Ambrosia troff aus den bethauten Locken;
Auch er bestaunte diesen Baum und sprach:
O holde Pflanze, reich mit Frucht beladen,
Erleichtert Niemand Deine Last und kostet
Von Deiner Süße, weder Gott noch Mensch?
Verschmäht man so Erkenntniß? Ist es Neid,
Denn welcher Rückhalt kann es sonst verbieten?
Verbiet' es, wer da will, doch Niemand soll
Dein dargereichtes Gute mir entziehn;
Denn weshalb wärst Du sonst hieher gepflanzt?
Er sprach's und ohne Zögern brach er Früchte
Mit kühnem Arme sich und kostete:
Eiskalter Schauder überlief mich da
Ob dieser Frevelwort' und Frevelthat.
Er aber sprach entzückt: O Götterfrucht,
Süß an sich selbst, doch süßer so gepflückt,
Verboten, weil Du Göttern nur gebührst,
Doch Götter auch aus Menschen schaffen kannst,
Warum auch nicht, da Gutes mitgetheilt
Nur herrlicher gedeiht und selbst den Geber
Nicht einschränkt, nur Verehrung mehr ihm beut.
Hier glückliches Geschöpf, Eva, Du Holde,
Genieße mit davon; wenn Du auch selig,
Kannst dennoch Du glückseliger noch werden,
Werthvoller nimmer; koste nur davon,
Sei eine Göttin selber unter Göttern,
Nicht auf die Erde ganz allein beschränkt,
Heb' Dich zuweilen in die Luft wie wir,
Zuweilen in den Himmel, durch Verdienst
Schon Dein, und sieh, was für ein Leben dort
Die Götter führen und so leb' auch Du.
So redend naht' er sich, und hielt mir dicht
Am Mund ein Stückchen der gepflückten Frucht;
Der süße Duft erregte solche Lust,
Daß, wie mich dünkt, ich davon kosten mußte.
Sogleich flog ich mit ihm in Wolkenräume,
Sah unermeßlich, tief, die Erde drunten,
Und weite mannichfache Gegenden,
Bestaunend meinen Flug zu solcher Höhe;
Plötzlich verschwand mein Führer, und mich dünkte
Ich sank herab und fiel in tiefen Schlaf; –
Doch froh erwacht' ich, als ich fand, daß Alles
Nur Traum gewesen!« –
Also schilderte
Eva die Nacht, doch Adam sprach betrübt:
»O Du mein bestes Abbild, theure Hälfte!
Die Unruh Deiner Seel' in dieser Nacht
Bekümmert mich; der sonderbare Traum
Ergötzt mich nicht, da er vom Bösen stammt;
Allein woher kommt Böses? Kann es doch
In Dir nicht herrschen, rein Erschaffene!
Doch wisse, daß so manche niedre Kraft
Auch in der Seele wohnt, die der Vernunft
Als Herrin dienet, und vor allen diesen
Die Phantasie; von allen Außendingen,
Die ihr die Sinne widerspiegeln, zaubert
Sie Einbildungen, Luftgebilde vor;
Die Bilder trennt dann die Vernunft und schafft,
Was wir behaupten oder auch verneinen,
Was unsre Kenntniß oder Meinung heißt;
Dann kehrt in ihre Zelle sie zurück.
Wann die Natur ruht, wacht oft rege noch
Die Phantasie, sie gaukelnd nachzuahmen;
Doch Bilder plump vereinend, zeugt sie oft
Ein wildes Werk, in Träumen meist erschaffen,
In Worten, die unpassend sich verbinden
Und Thaten, die oft lange schon geschehn.
In Deinem Traume find' ich Aehnlichkeit
Mit unserm gestrigen Gespräch zu Abend.
Seltsam nur Einzelnes noch beigefügt.
Doch sei nicht traurig; denn das Böse kann
In Götter – wie in Menschenherzen schleichen,
Und ungebilligt wieder draus entfliehn,
Nicht einen Fleck der Schuld zurückelassend,
Dies läßt mich hoffen, daß Du wachend nicht
Vollbringen wirst, was Du schon träumend scheutest.
Drum zage nicht, umwölke nicht den Blick,
Der heiter sonst und holder als der Morgen,
Wenn er zuerst der schönen Erde lacht.
Laß uns zu neuer Arbeit rasch erstehn,
An Quellen, unter Hainen, unter Blumen,
Die ihre reichsten Düfte jetzt verhauchen,
Zu Nacht in Kelchen nur für Dich gesammelt!«
So tröstend heitert er das holde Weib,
Doch ließ sie schweigend ein paar Thränen sinken,
Und trocknete mit ihren Haaren sie;
Zwei andre, die vor dem krystallnen Thor
Schon fallend standen, küßt ihr Adam weg,
Als Zeichen süßer Rührung, frommer Scheu,
Die bang befürchtet, daß sie sündigte.
So waren Beide wieder ganz erheitert
Und eilten auf das Feld. Sobald sie aber
Zum offnen Tagesanblick aus dem Schatten
Der Bäume traten, und den Sonnenball,
Den kaum erstandnen, an dem Rande schwebend
Des Oceans erblickten, wie im Lauf
Er thauige Strahlen sandte, rings den Osten
Des Paradieses und die sel'gen Fluren
Von Eden hold verklärend, beugten sie
Demüthig sich und sprachen ihr Gebet,
Das Morgens in verschiedner Form sie hielten;
Denn nie entbehrten sie der Form des Ausdrucks,
Noch der Begeist'rung zu des Schöpfers Lob,
Das sie gebührend sprachen oder sangen,
Und ohne lang zu sinnen; denn es floß
Beredsamkeit von ihrem Lippenpaar
Frei oder rhythmisch, so voll Melodie,
Daß sie nicht Harf' und Flöten erst bedurften,
Um Süßigkeit dem Sange zu verleihn;
Und so begannen sie: »Allmächtiger!
All' dies sind Deine Wunderwerke, Vater
Des Guten Du! der ganze Weltendom
Ist Dein in seiner wunderbaren Schönheit!
Wie wunderbar mußt Du erst selber sein!
Du Unaussprechlicher, der in den Himmeln
Für uns unsichtbar thront, und dunkel nur
In seinen kleinsten Werken angeschaut,
Die all' die Güt' und Göttermacht verkünden.
Ihr Engel sprecht, ihr seid die besten Zeugen,
Des Lichtes Söhne, denn ihr sehet Ihn,
Und wallt mit Chören voller Harmonie
In Tagen ohne Nacht um seinen Thron,
Auf Erden einen alle Wesen sich,
Um ihn zu preisen, der als Anfang, Schluß,
Als Mitte sonder Ende sich erweist.
Du schönster Stern, der im Gefolg der Nacht
Der letzte, wenn Du nicht der Dämmrung
Mehr angehörst, des Tages Unterpfand,
Der Du den Morgen krönst mit Deinem Kranz
Voll Strahlen, preise Du in Deiner Sphäre
Ihn, da der Tag beginnt, in süßer Stunde!
Du Sonne, dieser Welten Aug' und Seele,
Erkenne jetzt ihn als Gebieter an,
Laß Du sein Lob im ew'gen Lauf erschallen,
Wenn Du emporsteigst, wenn zur Mittagshöhe
Du Dich erhebst und wenn Du niedergehst!
O Mond, der Du der Sonne bei dem Aufgang
Begegnest, und mit jenen Sternen fliehst,
Die festgeheftet in ganz engem Kreise,
Und ihr fünf andern Wandelfeuer dort,
Die in melodischem Tanze sich bewegen,
Verkündiget sein Lob, der aus der Nacht
Das Licht erschuf! – Luft und ihr Elemente,
Ihr erstgebornen Kinder der Natur,
Die vierfach ihr im ewigen Kreise wandelt,
Vielförmig, alle Dinge mischt und nährt,
Laßt euren Wechsel immerdar erneun,
Des großen Schöpfers neues Lob zu künden.
Ihr Dünst' und Nebel, die ihr jetzt vom Hügel,
Vom Dampf der See euch düstergrau erhebt,
Bis euern woll'gen Saum mit Gold die Sonne
Bemalt, steigt auf zu eures Schöpfers Ehre!
Mit Wolken schmückt die farblos leere Luft,
Mit Regen tränkt der Erde heißen Durst,
Im Steigen wie im Fallen preiset ihn!
Ihr Winde, die ihr von vier Enden her
Der Erde weht, haucht sanft und laut sein Lob!
Neigt eure Wipfel all ihr Fichtenbäume,
Sammt allen Pflanzen, zollt Anbetung Ihm!
Ihr Quellen, die ihr fließend lieblich murmelt,
Verkündet rauschend eures Schöpfers Preis!
Eint euch mit ihnen, all ihr Lebenden,
Ihr Vögel, die ihr euch gen Himmel schwingt,
Tragt auf den Schwingen in den klarsten Tönen
Sein Lob empor! die ihr im Wasser gleitet,
Und die ihr auf der Erde stattlich wandelt
Und niedrig kriechet, o bezeuget all,
Ob Morgens oder Abends je ich schweige,
Vor Hügeln oder Thal, vor Quell und Schatten,
Die ich durch meiner Stimme Laut belebe,
So daß sie Echo sind von seinem Lob.
Heil Dir, o Herr der Welt, sei gütig stets,
Uns Gutes nur zu geben; wenn die Nacht
Uns Böses spendet oder auch verbirgt,
Vertreib' es, wie das Licht die Dunkelheit!«
So sprachen betend sie, und dem Gemüth
Kam wieder bald gewohnte Ruh zurück.
Sie eilten an ihr ländlich Tagewerk
Hin unter Thau und Blumen, wo die Reihe
Fruchtüberladner Bäume weit die Zweige
Hervorgestreckt, die einer Hand bedurften,
Um die Verschlingung zu verhindern, oder
Sie lenkten hin zum Ulmenbaum die Rebe,
Daß sie vermählt als Gatten ihn umschlingt,
Indem sie ihm als Mitgift Trauben bringt,
Um seine dürren Blätter zu verzieren.
Auf die Beschäftigten sah voll Erbarmen
Des Himmels Herrscher; er rief Raphael
Den guten Geist, der sich herniederließ
In spätrer Zeit, Tobias zu begleiten
Und dessen Eh'bund hülfreich zu beschützen
Mit einer sieben Mal vermählten Frau.
»Du hörest Raphael, welch Ungemach
Satan, der Höll' entronnen durch den Schlund,
Im Paradies erregte, wie er heut
Zu Nacht das Menschenpaar im Schlummer störte,
Und wie er dem Geschlecht Verderben sinnt.
Drum eile fort und rede, wie ein Freund
Mit einem Freunde spricht, zu Adam jetzt,
Den Du im Schatten einer Laube findest,
Wohin er vor der Mittagshitze floh,
Um sich von seinem Tagewerk durch Ruh'
Und Nahrung zu erquicken, wende so
Die Worte, daß er der Glückseligkeit
Auf's Neue sich erinnert, die allein
Beruht auf seinem eignen freien Willen,
Der frei zwar, aber doch veränderlich.
Gieb ihm die Warnung, daß er auf der Hut
Vor der Verirrung; zeig' ihm die Gefahr
Und welcher Feind ihm droht, der selber jüngst
Vom Himmel fiel, und nun mit allen Ränken
Glückselige vom Thron zu stürzen sucht;
Nicht mit Gewalt, denn dies ist ihm verwehrt,
Doch durch Betrug und Lüge; meld' ihm dies,
Damit er nicht, mit Vorsatz sündigend,
Als Vorwand Ueberraschung nennen kann.«
So sprach der ewige Vater und erfüllte
Gerechtigkeit, und ohne Zaudern schwang
Der Flügelengel sich mit seiner Botschaft
Aus tausend Himmelsflammen weit hervor,
Wo er in seinen Schwingen stand umhüllt,
Und schwebte mitten durch den Himmelsraum.
Die Engelschöre theilten sich im Nu,
Um Raum ihm durch die Aetherbahn zu geben,
Bis er zur Himmelspforte kam, die sich
Von selbst eröffnete, mit goldnen Angeln,
Ein göttlich Werk, vom Höchsten selbst erbaut.
Von hier aus stellt sich kein Gewölk, kein Stern
Dem Blick entgegen, denn er sieht die Erde,
Zwar klein, den andern lichten Kugeln gleich;
So wie das Fernrohr Galilei's Nachts
Vermeinte Länder in dem Mond entdeckt,
Wie ein Pilot als dunstigen Punkt zuerst
Aus den Cycladen Delos Fels erblickt.
Dort eilt er raschen Flugs hinab und segelt
Durch den unmeßbar weiten Aetherraum,
Durch Zwischenräume vieler Welten fort,
Den Winden folgend, die der Pol versendet,
Dann theilt behend er die geschmeid'ge Luft,
Bis er in solcher Höhe, wo der Adler
Empor sich hebt, ein Phönix allen Vögeln,
Von Allen angestaunt als einz'ger Vogel,
Wenn er, um seine Reste zu bestatten
Im Sonnendom, nach Theben sich begiebt.
Auf einmal läßt der Engel sich im Osten
Des Paradieses nieder, in der Urgestalt
Als Seraph, mit sechs Flügeln ausgerüstet,
Beschattend seinen Leib; das eine Paar,
Das seine mächtigen Schultern überwallte,
Hüllt fürstlich wie ein Mantel seine Brust;
Das mittlere schlang wie ein Sternengürtel
Sich um den Leib, und säumte seine Schenkel
Mit flaumigem Gold und himmlischreinen Farben.
Das dritte Paar umschattet seine Fersen,
Befiedert einem Schuppenpanzer gleich
Von himmelblauer Farbe. Stand er doch
Wie Maja's Sohn, er schüttelt sein Gefieder,
Daß Himmelsduft die Gegend überfliegt.
Sogleich erkannten ihn die Engelsschaaren,
Und lauschten ehrerbietig seiner Kunde,
Denn hohe Kunde glaubten sie in ihm.
Er ging an ihrem Strahlenzelt vorbei,
Und naht' der sel'gen Flur durch Myrrhenhage,
Durch Blüthenduft von Cassia, Nardus, Balsam,
Durch eine Wildniß, voll von Wohlgerüchen;
Denn die Natur scherzt hier in ihrer Jugend,
Und läßt willkürlich Raum der Phantasie.
Indem sie Wonn' und höchste Lieblichkeit
Weit über Kunst und Norm hinaus, erschuf.
Wie er den würzereichen Wald durchschritt,
Ward Adam ihn gewahr vor seiner Laube,
Indeß senkrecht die hochgestiegne Sonne
Die Glutenstrahlen niederschoß, den Schooß
Der Erde zu erwärmen; in der Laube
War Eva und bereitete zum Mahl
Schmackhafte Früchte, die dem Gaumen munden,
Und die dem Durst nach süßem Nektartrank
Aus Milch und Beeren nimmermehr zuwider.
Zu ihr sprach Adam: »Eva, komm hieher
Und sieh, des Schauens werth, nach Osten hin,
Dort unter Bäumen, welche Glanzgestalt
Des Weges kommt; sie scheint ein neuer Morgen,
Zu Mittag aufgegangen; uns vielleicht
Bringt sie vom Himmel her ein Machtgebot,
Und würdigt uns, für heute Gast zu sein.
Drum eile fort, und was Dein Vorrath faßt,
Schaff flugs herbei und gieb's im Ueberfluß
Dem Himmelsgast zum ehrenden Empfang.
Leicht können unsern Gebern wir die Gaben,
Die sie uns reichten, wiederum verleihn,
Und von dem reich Ertheilten reichlich spenden,
Da ihr Gedeihn nur die Natur vermehrt,
Fruchtbarer nur durch die Entlastung wird,
Daß aufzusparen Sorge nicht von Nöthen.«
Eva erwidert ihm: »Adam, Du heil'ges
Erdbild, von Gott beseelt; genügen wird,
Wo Vorrath reif zu jeder Jahreszeit
Am Stengel hängt, ob Vieles auch durch Sorgfalt
Bewahrt wird und durch Festigkeit erst nährt.
Doch eilen will ich und von jedem Zweig,
Von Pflanz und Kürbis nur das Beste wählen,
Um zu bewirthen unsern Engelgast,
Damit er schauend künde, daß auf Erden
Gott seine Gaben spendet wie im Himmel.«
So sprechend wandt sie sich mit schnellen Blicken,
Nur auf die Art der Gastlichkeit bedacht,
Welch eine Wahl von dem sie treffen müsse,
Was des Genusses höchste Wonne beut,
Die Ordnung, daß die Nahrung wohl vereint,
Und dem Geschmack den besten Wechsel leiht.
Sie bricht von jedem zarten Zweige Früchte,
Was nur die Allgebärerin, die Erde,
In Indien im Ost und West erzeugt,
Was an des Mittelmeers Gestaden sie,
An Pontus oder Puniens Küstenrand,
Im Reiche des Alcinous erschafft,
Von allen Arten Früchte, rauh und glatt
In bärtigen Hülsen oder harten Schalen;
Und Alles dies häuft in der Laube dann
Verschwenderisch ihre Hand, sie preßt aus Trauben
Unschädlich süßen Most und Meth aus Beeren;
Und aus zermahlten Kernen mischt sie selbst
Noch süßen Saft. Auch fehlt ihr reinliches
Geschirr nicht, um dem Gaste zu kredenzen,
Dann streut sie Rosen auf den Boden hin
Und frische Blumen voll gewürz'gen Duftes.
Indessen schreitet seinem Himmelsgast
Adam entgegen, im Geleite nur
Die eigne Tugend und Vollkommenheit,
Nur in sich selbst trug er die ganze Pracht,
Viel reicher als der lästig ekle Pomp,
Der Fürsten folgt in langgestreckter Reih'
Von goldbeladnen Dienern, Reitern, Rossen,
Was blendend nur den Pöbel stutzen macht.
Als Adam sich ihm nähert, beugt er sich
Nicht etwa scheu, doch voller Ehrerbietung
So wie vor einem überlegnern Wesen,
Und sprach bescheiden: Himmelseingeborner,
Denn wohl kein andrer Ort als nur der Himmel
Kann an Gestalt so holdes Wesen fassen,
Da Du, herniedersteigend von dort oben,
Das selige Gefild mit unserm tauschtest,
Gewähr' uns Beiden, die wir diese Flur
Als ein Geschenk des Mächtigsten besitzen,
In jenem Laubenschatten auszuruhn,
Und was der Garten Auserwähltes hegt,
Zu kosten, bis die Mittagsglut sich lindert
Und kühler dann die Sonne niedergeht.
Huldreich gab ihm der Engel die Erwidrung:
Adam, ich kam deshalb; denn Du bist ja
Sammt diesem Ort, den jetzo Du bewohnst,
Der Art geschaffen, daß Du Himmelsgeister
Oft selber zum Besuche locken kannst.
So führe mich zu Deiner Schattenlaube,
Denn diese Mittagstunden bis zum Abend
Sind meinem Willen ganz anheim gestellt. –
So gingen sie zur waldigen Hütte hin,
Die gleich Pomona's Baume lächelte,
Mit Blumen lieblich duftend ausgeschmückt.
Eva, vom eignen Reize nur geziert,
Holdseliger als eine Nymphe wol,
Die schönste Göttin von den drei'n der Mythe,
Die auf dem Ida nackt vor Paris stritten,
Erwartete den himmlischhohen Gast.
Die Tugend selbst – war ihr kein Schleier nöthig,
Kein Sündetrieb entfärbt' ihr Wangenpaar.
»Heil!« rief der Engel ihr, den heil'gen Gruß,
Der einer zweiten Eva später auch,
Der heiligen Maria ward verkündet:
»Heil, Mutter Dir des menschlichen Geschlechts,
Durch deren Leib, mit Fruchtbarkeit gesegnet,
Die Welt zahlreichre Söhne wird empfangen,
Als mit den mannichfachsten Früchten hier
Die Bäume Gottes diesen Tisch beladen!«
Von grünem Rasen war der Tisch gebaut,
Moosbänke standen rund um ihn herum,
Und auf dem weiten Viereck lagen hoch
Des Herbstes reiche Gaben aufgehäuft,
Doch gingen Herbst und Frühling Hand in Hand.
Sie sprachen eine Zeitlang ruhig fort,
Nicht fürchtend, daß die Mittagskost erkalte;
Dann sprach der Ahn der Menschheit: »Himmlischer,
O koste diese Gaben, die der Herr,
Von dem ja Alles so vollkommen stammt,
Zur Lust und Nahrung aus der Erde schuf;
Die Kost vielleicht ist nicht für geist'ge Wesen
So schmackhaft, doch das Eine weiß ich wol,
Daß ein allmächtiger Vater Allen giebt.«
Der Engel sprach: »Drum wird auch seine Gabe,
Gelobt sei Er, die er dem Menschen giebt,
Der auch zum Theil ein geistig Wesen ist,
Von reinsten Geistern angenehm befunden,
Denn Nahrung auch bedürfen jene Wesen,
Wie ihr, Vernunftbegabte, sie erheischt.
Die Kraft der Sinnlichkeit wohnt ja in Beiden,
Wodurch sie sehen, hören, riechen, fühlen,
Und schmecken und Genossenes verdaun,
Vereinigen und aus dem Körperlichen
Unkörperliches schaffen. Wisse denn,
Ein jegliches Geschöpf bedarf der Nahrung.
So nähren bei den Elementen selbst
Die gröbern stets die feinern, so die Erde
Die See, und Erd und See sodann die Luft,
Die Luft hinwieder diese Himmelssterne,
Zuvörderst deren niedrigsten, den Mond.
Daher in seinem Vollgesicht die Flecken
Von Dünsten, die noch nicht gereiniget,
In seinen Stoff noch nicht verwandelt sind.
Der Mond auch dünstet wieder Nahrung aus
Von seinem feuchten Land für höh're Sterne.
Die Sonne, die den Andern Licht ertheilt,
Empfängt von Allen feuchten Nahrungsstoff,
Und labt sich Abends an dem Ocean.
Im Himmel tragen zwar des Lebens Bäume
Ambrosiafrüchte, Nektarsaft die Rebe,
Wir streifen jeden Morgen von dem Zweige
Zwar honigsüßen Thau, und sehen rings
Mit Perlenschmuck den Boden dicht besät,
Jedoch hat Gott so mannichfache Güte
Hier offenbart, daß mit dem Himmel selbst
Die Erde sich vergleichen kann; o glaube,
Ich bin verwöhnt nicht, um das Mahl zu kosten.«
Sie setzten sich, und aßen von den Speisen,
Der Engel nicht nur scheinbar, wie ein Nebel,
So wie's die Meinung gottgelahrter Herrn,
Nein, mit des wahren Hungers Thätigkeit,
Verdauend diese Kost in Licht zu wandeln;
Was rückbleibt, dunstet leicht bei Geistern aus.
Kein Wunder drum, wenn durch der Kohlen Glut
Der Alchymist Metall vom gröbsten Erz
In Gold so rein, wie's aus den Minen kommt,
Verwandelt oder zu verwandeln denkt.
Indessen dient, durch Kleider nicht verhüllt,
Eva beim Mahl, und füllt mit süßem Saft
Die Becher an. Unschuld, des Paradieses würdig!
Wenn jemals, wär' es damals zu verzeihn,
Wenn bei dem Anblick selbst des Himmels Söhne
In Liebe fielen, doch in jenen Herzen
War keine Wollust, und sie wußten nichts
Von Eifersucht, verschmähter Liebe Hölle!
Als sie mit Trank und Speise sich gesättigt,
Doch die Natur nicht überladen hatten,
Stieg ein Gedanke rasch in Adam auf,
Nicht die Gelegenheit entgehn zu lassen,
Durch den Besuch veranlaßt, zu erfahren
Was über dieser Welt, und was für Wesen
Im Himmel wohnen, deren Majestät
Die eigene bei weitem überstrahlte,
Und deren Glanzgestalt, der Ausfluß Gottes
Und Macht den Menschen sichtlich überwog.
Drum wandt behutsam seine Red' er so
An den Bewohner jener Himmelsfluren:
»Du, der bei Gott Du wohnest, ich erkenne
Nun Deine Huld, wie Du den Menschen ehrst,
Den Du gewürdigt bei ihm einzutreten
Und diese Früchte, die nicht Engelsspeise,
Zu kosten, und mit solcher Güt' und Milde,
Daß Du vergnügter nicht erscheinen könntest,
Wenn Du an Himmelsspeise Dich gelabt,
Der nicht vergleichbar dieses Erdenmahl:
Erwidrung ward ihm vom beschwingten Engel:
Adam, es ist nur ein Allmächtiger,
Von welchem Alles kommt, zu welchem Alles
Zurückkehrt, was sich nicht vom Guten ab
Zum Bösen wendet; alle Dinge sind
Erschaffen zur Vollkommenheit und alle
Aus einem ersten Stoff mit mannichfacher
Gestaltung und verschiednen Wesensgraden;
Und bei den Wesen, welche Leben fühlen,
Mit Lebenskraft begabt; das Feinere,
Geläuterte, mehr Geistige steht ihm nah,
Wo nicht, so strebt es näher ihm zu kommen,
Ein jedes in der angewiesnen Sphäre,
Bis sich der Leib zum Geist emporgeschwungen,
Ein jegliches Geschlecht in seinen Grenzen.
So sprießt der Stengel aus der Wurzel freier,
Aus diesem keimt das Blatt noch luftiger,
Zuletzt haucht die entfaltet schöne Blume
Den geistigen Duft; die Blüthe sammt der Frucht,
Des Menschen Nahrung, stufenweis verfeinert,
Sie schwingen sich zu Lebensgeistern auf,
Zu thierischen, zu geistigen; verleihn
Dem Leben Sinn, Verstand und Phantasie;
Dadurch erhält die Seele die Vernunft,
Und die Vernunft ist selbst ihr Wesen, schließt
Und schaut, das Schließen bleibt für euch,
Das innre Schaun ist unser meisten theils.
Drum staune nicht, wenn ich, was Gott als gut
Für euch erkannte, nicht verschmähe, sondern
In's eigne Wesen wandle, so wie ihr.
Die Zeit kann nahn, wo Menschen selbst mit Engeln
Die Mahlzeit halten, und die Speisen nicht
Zu leicht noch auch undienlich finden mögen;
Durch diese körperliche Speise kann
Zuletzt sich euer Leib vergeistigen,
Veredelt durch die Zeit, und dann beflügelt
Zum Aetherraume schwingen wie der unsre,
Vielleicht hier unten wohnen, oder auch
Im Paradies des Himmels, wenn ihr stets
Gehorsam seid und immer wechsellos
Aufrichtig lieb den ew'gen Schöpfer habt,
Von dem ihr stammt. Indeß genießt die Fülle,
Die unermeßlich euern Stand beglückt.«
Der Ahn des Menschenstammes sprach darauf:
»O milder Geist, der Du mir so geneigt,
Du zeigest uns den Weg, der zur Erkenntniß
Uns führt, so wie die Gnade der Natur,
Vom Mittelpunkt zum Umkreis aufgestellt,
Worauf wir in Betrachtung des Erschaffnen
Zu Gott empor allmählich steigen können.
Doch sprich, was Deine Warnung uns bedeute:
Wenn ihr gehorsam seid? Kann jemals uns
Gehorsam fehlen oder wär' es möglich,
Die Liebe Dem zu weigern, der uns erst
Aus Staub geschaffen und hieher gesetzt
Vom höchsten Maß der Seligkeit beglückt,
Die je ein Menschenwunsch erfassen kann?«
Der Engel sprach: »O merke treulich, Sohn
Des Himmels und der Erde, was ich rede:
Daß jetzt Du glücklich bist, verdankst Du Gott,
Daß Du es bleibst, verdankest Du Dir selbst,
Das heißt, wenn treu Du im Gehorsam bist.
Dies ist die Warnung, die Dir Gott gestellt.
Drum sei auf Deiner Hut. Vollkommen zwar
Er schuf Dich Gott, jedoch auch wandelbar.
Er schuf Dich gut, doch überließ er's Dir
Auch gut zu bleiben. Freier Wille ward
Dir von Natur, vom unvermeidlichen
Geschick nicht und Nothwendigkeit beherrscht.
Freiwilligen Dienst verlangt er, nicht erzwungnen,
Denn solchen wird er nie genehmigen,
Und kann's auch nie, denn könnten jemals wol
Unfreie Herzen einer Probe stehn,
Ob willig sei ihr Dienst, da sie nur wollen,
Was ohne Wahl sie durch Verhängniß müssen?
Ich selbst und unser ganzes Engelheer,
Das vor dem Angesichte Gottes steht,
Wir können unsern sel'gen Stand allein,
Wie ihr den euern, nur so lang erhalten,
Als wir gehorsam unserm Gott und Herrn.
Darin besteht nur unsre Sicherheit.
Frei dienen wir, weil wir freiwillig auch
Ihn lieben, weil's in unserm Willen liegt
Zu lieben oder nicht, was unser Glück,
Was unser Fall ist; ein'ge sind gefallen
Durch Ungehorsam aus dem Himmelsglanz
Zur tiefsten Hölle. Welch ein grauser Fall
Von höchster Seligkeit in endlos Weh!«
Erwidernd sprach dann unser großer Ahn:
»Aufmerksam hört' ich jedes Deiner Worte
Mit mehr Entzücken, göttlich hoher Lehrer,
Als wenn der Cherubim Gesang zu Nacht
Von Hügeln luftige Musik uns sendet.
Zwar weiß ich wohl, daß Wille so wie That
Ganz frei geschaffen, und daß nimmer wir
Vergessen sollen unsern Gott zu lieben
Und ihm zu folgen, dessen einziges
Gebot so sehr gerecht und gnädig ist.
Mein Denken sagte mir's und sagt mir's immer;
Doch was vom Himmel Du erzähltest, weckt
In mir so manchen Zweifel, und noch mehr
Den Wunsch, vollkommne Kunde zu erfahren,
Die sicherlich ganz seltsam ist und werth
In heil'ger Stille nur gehört zu werden.
Der Tag ist ja noch lang, die Sonne hat
Die Hälfte kaum der Bahn vollbracht, und kaum
Beginnt die andre sie am Himmelsbogen.«
So bat den Engel Adam; und es sprach
Einwilligend Raphael nach kurzem Schweigen:
»Hochwichtiges verlangst Du, Ahn der Menschen,
Ein traurigschweres Werk, denn wie vermag ich
Dem Menschensinn die unsichtbaren Thaten
Des Geisterkampfs zu schildern? wie vermag ich
Dir ohne Schmerz den Untergang so mancher
Vollkommnen, da sie standen, zu verkünden?
Wie endlich soll ich einer andern Welt
Geheimniß Dir enthüllen, da vielleicht
Ich unbefugt, Dir's zu entdecken, bin?
Doch Dir zum Guten ist es mir erlaubt,
Und was zu hoch für menschlichen Verstand,
Will ich in solcher Art und Weise schildern,
Daß ich den geist'gen Formen irdische
Vergleiche, wie am besten es bezeichnet.
Doch wie, wenn hier die Erde nur der Schatten
Des Himmels wär' und alle Dinge Beider
Sich ähnlicher, als man auf Erden wähnt!«
Als diese Welt noch unerschaffen war,
Und wildes Chaos herrschte, wo die Himmel
Jetzt rollen, wo die Erde jetzo ruht
Auf ihrem Mittelpunkt im Gleichgewicht;
Erschien an einem Tage (denn die Zeit
Selbst in der Ewigkeit mißt, angewandt
Auf die Bewegung, jeglich dauernd Ding
Nach Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft)
An einem Tag des großen Himmelsjahrs
Das Strahlenheer der Engel, vorgerufen
Durch Wink des Höchsten, zahllos vor dem Thron
Des Allgewalt'gen aus den Himmelsenden
Sammt ihrer Fürsten glanzumwob'nen Reih'n;
Zehntausendmal zehntausend Fahnen wehten,
Standarten, Banner rauschten in der Luft,
Und zeichneten die Vorhut von der Nachhut
Und Rang und Ordnung der verschiednen Grade,
Der Stufenfolge; ja sie trugen auch
Auf reichen Glanzgeweben Angedenken
Von heilger That des Eifers und der Liebe.
Als sie im Kreis unsäglich weiten Raumes,
Und Kreis im Kreise standen, sprach der Ew'ge,
Zu dessen Rechte reich an Seligkeit
Der Sohn verweilte, wie aus Flammenbergen.
Wo unsichtbar vor Glanz der Gipfel wird:
Hört all' ihr Engel, Kinder ihr des Lichts,
Ihr Throne, Fürsten, Tugenden und Kräfte,
Hört meinen Rathschluß, der unwiderruflich
Bestehen soll! Ihn hab ich heut gezeugt,
Ihn, den ich jetzt als einz'gen Sohn erkläre,
Den ich auf diesem heil'gen Berg gesalbt,
Und den ihr jetzt zu meiner Rechten seht,
Zu eurem Haupt ernenn' ich ihn und schwur
Mir selber zu, daß sich ein jedes Knie
Im Himmel vor ihm beuge, so als Herrn
Ihn anerkennend; bleibet unter Ihm
Als untheilbare Seele stets vereinigt,
Auf ewig selig; wer ihm ungehorsam,
Der ist es mir, bricht die Vereinigung
Und stürzt, von mir verstoßen, selben Tags
In tiefste Nacht, vom Abgrund wild verschlungen,
In heillos Graun, endlos, erlösungslos!
So sprach der Allgewalt'ge. Darauf schienen
Die Engel all' mit seinem Wort zufrieden.
An diesem Tag, wie dies gewöhnlich ist
Bei festlichfrohen Tagen, sangen sie
Und tanzten um den heil'gen Berg den Tanz,
Der in der geist'gen Windung jenem gleicht,
Den sonst die Sternensphäre der Planeten
Und fixen Sterne führt, verworrene
Gewinde, dichtverschlungen, ungewöhnlich,
Im Regellosen am geregeltsten;
In der Bewegung schaffen Götterlaute
So zaubervolle Töne, daß voll Wonne
Das Ohr des Höchsten selbst den Klängen lauscht.
Der Abend nahte jetzo (denn wir haben
Auch Abend so wie Morgen, doch zur Wonne
Im Wechsel nur, nicht aus Nothwendigkeit)
Rasch wenden sie vom Reigen sich hinweg
Zum süßen Mahl: wie sie in Kreisen standen,
So wurden Tafeln aufgestellt, und plötzlich
Mit Engelsspeisen reich besetzt, es schäumt
Rubinenrother Nektar im Geschirr
Von Perlen, Diamanten, ächtem Golde,
Kostbarer Reben Frucht, Gewächs des Himmels.
Auf Blumen ruhend und bekränzt mit Blumen
Genießen Trank und Speise sie; und schwelgen
So hold vereinigt in Unsterblichkeit,
Vor Ueberfüllung sicher, denn allein
Das volle Maß beschränkt das Uebermaß,
Vor dem Allgütigen, der mit reicher Hand
Die Spenden reicht, sich ihrer Wonne freuend.
Als die ambrosische Nacht mit Wolken nun,
Vom hohen Berge Gottes ausgedampft,
Aus dem zugleich das Licht sammt Schatten dringt,
Das Angesicht des hellsten Himmelklars
In angenehme Dämm'rung änderte,
(Denn Nacht naht dort im finstern Schleier nicht)
Und rosiger Thau die Augen Aller rings,
(Die Gottes ausgenommen, die nie schlummern,)
Zur Ruhe lud, da streckte weit hinaus
Viel weiter, als die Erdenfläche wär'
Ganz ausgebreitet, in dem Vorhof Gottes,
Das Engelsheer, in Reihen und zerstreut,
Sein Lager unter Lebensbäumen aus
Lebend'gen Strömen nah; zahllose Zelte
Und Hütten waren eiligst aufgestellt,
Worin sie schliefen, kühl vom Wind umhaucht,
Nur jene nicht, die ihrer Reihe nach
Abwechselnd nächtlich ihren Lobgesang
Voll Melodie dem Thron des Höchsten brachten.
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