Wär' auch der Mensch verloren,
Dein jüngster Sohn, Dein heißgeliebtes Werk,
Durch List verführt, obwol ihn eigne Thorheit
Dahin gebracht? O dies sei fern von Dir,
Fern sei's von Dir, o Vater, der gerecht
Die Welt Du richtest. Soll der arge Feind
Den Zweck erreichen, Deinen zu vereiteln?
Soll seine Bosheit triumphirend stehn,
Und Deine Güte Nichts bewirken können,
Soll stolz er, wenn zu ärgerm Elend auch,
Nach rasch verübter Rache wiederkehren,
Und das Geschlecht der Menschen, das verführte,
Mit in die Hölle ziehn? Und willst Du selbst
Die Schöpfung Dir zerstören seinethalb,
Was Du zu Deiner Ehre schufst? Es würde
Dann Deine Güt' und Größe schwer geschmäht
Und ohne Widerrede wohl verlästert.«
Erwidernd sprach der große Schöpfer drauf:
»O Sohn, Du meiner Seele Wohlgefallen,
Sohn meines Busens, Sohn, der Du allein
Mein Wort und meine Weisheit bist und Macht,
Du hast aus meinem Innern ganz gesprochen,
Recht wie mein ew'ger Zweck beschlossen hat.
Nicht gänzlich soll der Mensch verloren sein,
Wer will, mag ihn erlösen, aber nicht
Durch seinen Willen, nur durch meine Gnade.
Noch ein Mal will ich seine Kraft erneu'n,
Obwol durch Sünde sie verwirkt nur schnöden
Begierden huldigt, doch noch ein Mal soll
Er wider seinen Todesfeind sich rüsten,
Durch mich gestärkt, damit er seine Schwäche
In dem gefallnen Stand erkennend sehe,
Daß mir allein er die Erlösung schuldet.
Besondrer Gnade hielt ich einige werth,
Die ich mir auserwählt, so ist mein Wille;
Die andern sollen all mich rufen hören,
Und oft erinnert werden ihrer Sünde;
Damit sie noch zur Zeit der Gottheit Groll
Besänftigen, und noch die Gnade haben;
Denn ich will ihre finstern Sinne heitern,
Ihr Herz von Stein erweichen zum Gebet,
Damit Gehorsam sie und Reue zeigen.
Dem Beten, dem Gehorsam und der Reue,
Wenn sie aufrichtig sie und wahr erweis't,
Ist nie mein Ohr, mein Auge nie geschlossen.
Zu meinem Richter will ich das Gewissen
Als Führer in die Seelen ihnen legen,
Und hören sie darauf, wird ihnen Licht,
Und wenn sie bis zum Ende drauf beharren,
Erreichen sie den Hafen sicherlich.
Doch solche, die mich schmähen, sollen nie
Den Tag der Gnade, meine Mild' erkennen,
Nein, jene Harten sollen mehr verhärtet,
Die Blinden mehr geblendet werden, daß
Sie mehr noch straucheln, und noch tiefer fallen;
Von meiner Gnade schließ ich sie nur aus;
Doch Alles ist noch nicht gescheh'n. Der Mensch
Verletzt durch Ungehorsam seine Treue
Und sündigt gegen die Gewalt des Himmels,
Denkt sich ein Gott – und so verliert er Alles,
Nichts bleibt ihm, seinen Hochverrath zu sühnen;
Zum Untergang ist er verbannt, verdammt,
Mit seinen ganzen Enkeln muß er sterben,
Ihm, oder der Gerechtigkeit sei Tod,
Wenn nicht ein andrer Hochbegabter willig
Dem strengen Recht zu huldigen genügt,
Und Tod um Tod bezahlt. Ihr Himmelskräfte
Sprecht, wo sich solche Liebe finde je?
Wer wollte sterblich werden, um den Menschen
Von seiner Schuld des Todes zu befrei'n,
Und Ungerechte durch Gerechtigkeit
Zu retten? Wohnt im Himmel solche Liebe?«
Er fragte, doch es schwieg des Himmels Chor,
Still blieb der ganze Himmel; Keiner
Erschien als Mittler für des Menschen Rettung,
Noch weniger Einer, der die Todesschuld
Und die Erlösung auf sein Haupt genommen,
Es wäre jetzt der Menschen ganz Geschlecht
Verloren ohne Rettung, durch den Spruch
Dem Tod der Hölle nur anheim gefallen,
Wenn Gottes Sohn nicht, der das Uebermaß
Der höchsten Liebe theilte, voller Huld
Sogleich die Sühne so vermittelte:
»Du hast, o Vater, jetzt Dein Wort gegeben,
Der Mensch soll Gnade finden, sollte sie
Nicht Mittel finden? sie die schnellste doch
Von Deinen Flügelboten, die den Weg
Zu jedem Wesen findet, ungerufen
Und unerbeten und auch ungesucht;
O Heil dem Menschen, daß sie also naht!
Wenn er durch Sünden todt ist und verloren.
Kann er nicht Hülfe bei ihr suchen, nimmer
Kann er für sich ein sühnend Opfer bieten,
Da er zu tief verschuldet und verdorben.
O blick' auf mich und nimm für jenen mich,
Mein Leben für das seine, laß Dein Zürnen
Auf mir nur ruh'n, laß mich als Menschen gelten,
Um seinetwillen laß ich Deinen Schoos,
Freiwillig meid' ich dieser Glorie Schein
Und will zuletzt für ihn mit Freuden sterben,
Des Todes ganze Rache werde mein!
Nicht lange werd' ich seiner finstern Macht
Erliegen, denn Du gabst mir den Besitz
Des Lebens in mir selbst auf ewig ja,
Durch Dich ja leb' ich, wenn der Tod mich faßt,
Und er ein Recht auf alle Sterbliche
An mir erhält; doch wenn die Schuld gesühnt,
Wirst Du mich nicht im dumpfen Grab als Beute
Ihm lassen, noch gestatten, daß die reine
Und unbefleckte Seele dort verderbe.
Glorreich werd' ich erstehn und meinen Sieger
Bezwingen und den stolzen Raub ihm nehmen;
Der Tod empfängt dann seine Todeswunde,
Des Stachels selbst beraubt, liegt er im Staub.
Zum Trotz werd' ich die Hölle durch die Luft
Gefangen im Triumphe führen, rings
Die dunklen Mächte schwer gefesselt zeigen,
Vom Himmel wirst Du lächelnd niederblicken,
Indeß ich durch Dein Angesicht gestärkt,
All meine Feinde niedertreten werde,
Zuletzt den Tod, mit dessen eigner Leiche
Das tiefe Grab ich sättige. Darauf
Werde ich mit der erlösten Schaar auf's Neu'
Nach langem Fernesein zum Himmel kehren,
Dein Angesicht zu sehn, wo keine Wolke
Des Zorns sich zeigt, nur Frieden und Versöhnung.
Dann wird der Groll sich nimmer wieder zeigen,
Nur Freude wird in Deiner Nähe sein.«
Er endigte, doch seine holden Blicke –
Sie sprachen schweigend noch, und hauchten Liebe,
Unsterbliche für's sterbliche Geschlecht;
Der kindliche Gehorsam glänzte nur
Noch höher durch die Freude für das Opfer:
Ein Opferlamm, das sich mit Freuden bietet,
Erwartet er des großen Vaters Willen.
Verwundert lauscht der ganze Himmel rings,
Was dieses deuten, wie es enden solle.
Doch bald erwidert der Allmächtige:
»Du, der den einzigen Frieden für die Menschen,
Die meinem Zorn erliegen, aufgefunden!
Mein Wohlgefallen Du! Dir ist bekannt,
Wie lieb mir alle meine Werke sind,
Der Mensch zumeist, wiewol zuletzt erschaffen;
So daß ich Dich für ihn nur aufbewahre,
Dich eine Zeitlang ganz an meinem Busen
Und meiner Rechten misse, sein Geschlecht,
Das schon verlorne, wieder zu erretten.
Drum eine Du die menschliche Natur,
Die Du allein erlösen kannst, der Deinen,
Und werde Mensch bei Menschen auf der Erde!
Ja werde Fleisch, sobald die Zeit sich naht,
Von einer Jungfrau wunderbar empfangen.
Sei Du der Menschen Haupt an Adams Statt,
Wiewol sein Sohn Du bist. So wie in ihm
Die ganze Menschheit ihren Tod empfängt,
So finden wie aus einem zweiten Stamm
In Dir so Viele Rettung, als nur können,
Doch Niemand ohne Dich; denn seine Schuld
Theilt sich dem ganzen Stamm der Söhne mit,
Doch Dein Verdienst soll jene ledig sprechen,
Die ganz Verzicht auf ihre Thaten leisten,
Auf die gerechten, wie die ungerechten,
Und sich in Dich verpflanzen, um ein neues,
Schuldloses Leben von Dir zu empfangen.
So soll der Mensch, wie es das Recht erheischt,
Für Menschen Sühne thun, gerichtet werden
Und sterben, dann vom Todten auferstehn,
Und auferstehend seine Brüder heben,
Die er erkauft mit seinem theuern Leben.
Des Himmels Liebe tilgt der Hölle Haß,
Indem sie Dich dem Tode giebt anheim,
Und theuer mit dem Sterben kauft, was Haß
Der Hölle mit so leichter Müh' zerstört,
Und dann in denen ewiglich zerstört,
Die Gnade nicht empfangen, da sie's können.
Auch sollst Du nicht, wenn Du die Menschenform
Annimmst, die eigene Natur erniedern;
Weil Du, obschon in höchster Göttlichkeit
Mir gleich, und den Genuß der Gottheit fühlend,
Dies Alles ließest, um vom Untergang
Doch eine Welt zu retten; weil Du mehr
Durch Dein Verdienst, als Rechte der Geburt
Für Gottes Sohn erkannt bist und gehalten;
Weil mehr durch Deine Güte Du bewiesen,
Als durch die Macht und Größe, wer Du bist;
Weil Liebe mehr als Herrlichkeit Dich schmückt,
Soll Deine Demuth auch die Menschen einst
Mit Dir erheben auf den höchsten Thron;
Im Fleische sollst Du weilen hier und herrschen,
Als Gott und Mensch, Sohn Gottes und der Menschen,
Gesalbter König über alle Welt!
Die ganze Macht leg' ich in Deine Hand,
Auf ewig magst Du herrschen mit dem Recht,
Das Dein Verdienst erwarb. Jedweder Thron,
Die größten Reich' und Fürstenthümer sollen
Dir unterthan als höchstem Haupte sein;
Es beuge sich vor Dir ein jedes Knie,
Im Himmel, auf der Erd' und in der Hölle.
Wenn Du vom Himmel in dem Glorienschein
Herniedersteigst, und durch die Engelschaar
Verkünden läßt das schreckliche Gericht;
Dann eilen gleich von allen Winden her
Die Lebenden und Todten aller Zeiten
Und harren auf den allgemeinen Spruch;
Posaunenlaut erweckt sie aus dem Schlaf,
Du richtest in der Mitte Deiner Heil'gen
Die Engel und die Sünder; Deinem Wort
Wird dann sich Alles beugen; und die Hölle,
Wann sie gefüllt, wird ewig dann sich schließen.
Die Welt wird sich in Flammenglut verzehren,
Doch aus der Asche werden Erd' und Himmel
Auf's Neu' erstehn, wo die Gerechten wohnen,
Nach schweren Müh'n die goldne Zeit erkennen,
Fruchtbare Tage ziehn aus goldner That,
In Freude, Lieb' und Wahrheit triumphirend.
Dann legst Du nieder Deinen Königsscepter,
Denn nöthig ist der Herrscherstab nicht mehr,
Gott wird ja Alles dann in Allem sein.
Ihr Engel betet an und ehret Den,
Der um dies zu vollführen selbst sich opfert,
Ihn betet an, und ehrt ihn, wie mich selbst.«
Kaum schwieg der höchste Herr, als laut ein Ruf
Rings von der zahllos dichten Engelschaar
Süß, wie nur sel'ge Stimmen ihn verhauchen,
Das Freudejauchzen wunderbar bewies.
Der Himmel klang vom Jubel; Hosiannas
Erfüllten jeden Raum der Ewigkeit.
Sie neigten tief sich von den beiden Thronen,
Und warfen ihre Kronen, schön geflochten
Von Gold und Amaranth, anbetend nieder.
Mit Amaranth, der Blumen ewigster,
Die einst im Paradies beim Lebensbaum
Zu blühn begann, doch ob des Menschen Sünde
Bald in den Himmel rückgenommen ward,
Wo sie zuerst erwuchs, und jetzt noch sproßt,
Den Lebensbrunnen blühend dort umschattet,
Und wo der Strom der Seligkeit die Fluten
Voll Ambra auf Elysiums Fluren spült:
Mit solchen Blumen, welche niemals welken,
Umwinden die erwählten Geister sich
Das lichte Haar und flechten Strahlen ein.
Jetzt lächelt auch, nach abgestreiften Kränzen
Der Himmelsboden wie ein Meer von Jaspis,
Im Purpurglanz der holden Himmelsrosen.
Dann nahmen sie, auf's Neu' das Haupt bekränzt,
Die gold'nen ewig rein gestimmten Harfen,
An ihrer Seite glänzend, Köchern gleich;
Den heil'gen Sang mit einem lieblichen
Vorspiel beginnend, weckten sie Entzücken;
Nicht eine Stimme schwieg, sie fielen All'
In eine wundersüße Melodie,
Ein solcher Einklang herrscht im Himmelsdom.
Zuerst besangen sie, o Vater Dich,
Allmächtiger, unsterblich-ewger König!
Du Schöpfer aller Wesen, Quell des Lichts,
Du Unsichtbarer in der Glorie Glanz,
Wo Du unnahbar auf dem Thron regierst,
Und hüllst Du selbst das Leuchten Deiner Strahlen
In Schatten ein, und legst Du eine Wolke
Um Deinen Saum, daß dunkel er erscheine,
Es blendet doch den Himmel, daß die Engel
Die strahlenvollsten selber Dir nicht nahn,
Mit beiden Flügeln nur die Augen decken.
Dann sangen sie zuerst aus aller Schöpfung
Dich eingebornen Sohn, der Gottheit Bild,
In dessen Antlitz Gott sich offenbart
Und wolkenlos sich zeigt, den kein Geschöpf
Sonst sehen kann; der Abglanz seiner Glorie
Weilt nur auf Dir, es ruht sein reicher Geist
In Dir ergossen. Er erschuf durch Dich
Den Himmel sammt den ganzen Mächten drin,
Und stürzte die Rebellenschaar durch Dich.
Du spartest Deines Vaters Donner nicht
An jenem Tag, und hieltest nicht im Lauf
Den Feuerwagen auf, der wild den Himmel
Erschütterte, wie Du dem Feindesheer
Mit Flammenrädern übern Nacken fuhrst.
Nach Deiner Rückkehr wurdest Du allein
Von Deiner Schaar mit lautem Ruf gepriesen,
Als Sohn von Deines Vaters Macht und Kraft,
Um seine Feinde fürchterlich zu rächen,
Doch nicht den Menschen; denn der Gnade Herr
Hat ihn, der nur durch ihre Tücke fiel,
Erbarmungsvoll nicht allzu streng gerichtet,
Sobald Dein einziger, Dein geliebter Sohn
Vernahm, daß Du das schwache Menschenkind
So streng nicht richtest, und Dich sein erbarmst,
Versucht' er Deinen Zorn zu sänftigen,
Den Streit der Mild' und der Gerechtigkeit,
Den er in Deinem Antlitz las, zu schlichten,
Und ließ die Seligkeit ganz außer Acht,
Die ihm nach Dir zu Theil, und war bereit,
Zu sterben für der Menschen Sündenfall.
O Liebe sonder Gleichen; hohe Liebe,
Die göttlich nur verdient genannt zu sein!
Heil! Gottes Sohn! Heil Dir, Du Menschenretter!
Dein Name sei mir einst des Sanges Stoff,
Dein Lob wird meine Harfe nie vergessen,
Und nie vom Lobe Deines Vaters trennen.
So schwanden ihnen über Sternensphären
Im Himmel die glücksel'gen Stunden hin
In Freuden und in süßem Lobgesang.
Indessen schritt der Satan auf der festen
Und dichten Kugel uns'rer runden Welt,
Wo schwächre Lichter um die Wölbung kreisen,
Vom Chaos und der alten Nacht umringt.
Nun scheint ihm, was von ferne Kugel schien,
Gedehntes, festes Land, doch grenzenlos,
Wild, öde, finster, sternenlose Nacht,
Des Chaos Stürme brausen rund herum,
Ungünstiger Himmel rings bis auf die Seite,
Die von den Himmelszinnen, wenn auch fern,
Den matten Schein der Strahlenlust empfängt,
Die minder wird vom lauten Sturm geplagt.
Hier ging auf weitem Feld der böse Feind,
Wie wenn ein Geier auf dem Imaus,
An dessen schneeigem Rand der Tartar haust,
Das Land verläßt, wenn's keine Beute hegt,
Um mit dem Fleisch des Lamms, der jungen Ziege
Auf Hügeln sich zu sättigen, und sodann
Zum Ganges Quell und zum Hydaspes fliegt,
Doch unterwegs auf Sericana's Wüsten
Verweilt, wo der Chinese leichte Wagen
Aus Rohr mit Wind und Segel weiter treibt:
So wandelt Satan auf dem rauhen Meer
Von Sand alleine seinem Raube nach,
Denn kein Geschöpf, lebendig so wie leblos,
War in dem Raum vorhanden; später erst
Flog hieher jene Menge flücht'ger Dinge,
Luftdünsten gleich, als schon der Menschen Werke
Die Sünde mit der Eitelkeit erfüllt;
Die eiteln Dinge, wie die Menschenkinder,
Die ihre Hoffnung eines ew'gen Ruhms
Der Seligkeit auf Erden und im Himmel
Auf eitle Dinge bauten, ihren Lohn
Auf Erden als die Frucht des Aberglaubens
Und blinden Eifers schon empfingen, nichts
Als nur das Lob der andern Menschen suchend:
Sie fanden hier Belohnung, die so nichtig
Wie ihre Thaten ist. Auch alle Werke,
Die unvollendet die Natur erschuf
Als unreif, mißgeformt und ungeschickt
Sie fließen, auf der Erden aufgelöst,
Hieher und wandern hier, bis sie verschwinden,
Nicht in den nahen Mond, wie manche träumen:
Denn diese Silberfelder hegen sicher
Bewohner höhern Rangs, versetzte Heil'ge,
Und Geister, die halb Engel sind und Mensch.
Von daher kam vor Zeiten ein Geschlecht
Zur Erde, das aus übelm Liebesbund
Entsprossen: jene Riesen, die berühmt
Durch manch ein eitles Unternehmen wurden.
Dann auch die Schaar, die auf der Ebene
Von Sennar Babel baute, die auch jetzt
Mit dem gehörigen Stoff zu eitelm Zweck
Manch neues Babel noch erbauen würde!
Noch andre kamen einzeln, der bekannte
Empedokles, der um als Gott zu gelten
Begeistert in des Aetna Flammen sprang;
Sodann Cleombrotus, der in den See
Sich stürzte, Plato's Eden zu genießen.
Noch andre, ganze Rudel: Embryonen,
Idioten, Mönche, Klausner, schwarz und weiß
Und grau, mit ihrem niedrigen Betrug.
Hier wallen Pilger, die sich so verirrt,
Daß sie auf Golgatha bei Todten suchten
Ihn, der im Himmel lebt; und dann auch solche,
Die sterbend, um das Paradies zu erben,
Des Dominik Gewand sich umgethan,
Auch sie, die in dem Franziskaner Kleid
Dort Einlaß hoffen. Sie durchwandeln dann
Die Sieben der Planeten, fixe Sterne,
Die Sphäre von Krystall, die in dem Schweben
Der Himmelskörper Zittern erst begründet.
Dort wartet Petrus mit den Himmelsschlüsseln
Bereits auf sie, und sie erheben schon
Den Fuß, die Himmelsstiege zu betreten,
Als plötzlich ungestümer Wirbelwind
Sie Häuptlings tausend Meilen in die Luft
Hinaus versprengt; dort sieht man Kappen, Kutten,
Sammt ihren Trägern in den Lumpen flattern,
Reliquien, Rosenkränz' und Ablaßbriefe
Und Bullen sind der leichten Winde Spiel;
Dies Alles fliegt in Wirbel fernehin
Von dieser Welt in einen breiten Schlund,
Den später man das Paradies der Narren
Genannt hat, das so Manchem ward bekannt,
Das aber jetzt noch öd' und unbevölkert.
Die dunkle Kugel fand der böse Feind
Und wallte lang, bis endlich Dämmerglanz
Die müden Füße hastig eilen hieß.
Er sieht von fern ein hohes Prachtgebäu,
Das allgemach sich zu dem Himmelswall
Erhob, wo droben wie ein Königsthor
Ein Werk erschien, doch noch weit prächtiger,
Den Giebel schmückte Gold und Diamant,
Die Thore funkelten von Ostens Gemmen,
Nicht gleichen Bau kann je die Erde schaffen,
Noch ihn des Pinsels Licht und Schatten malen.
Die Stufen glichen denen, worauf Jacob
Die Engel auf- und niedersteigen sah,
Als er nach Padan-Aram floh vor Esau,
Und Nachts dann unter freiem Himmel träumte
Im Felde Luz, daß er erwachend rief:
»Dies ist des Himmels Pforte!« – Jede Stufe
Besaß geheimnißvollen Sinn, und wechselnd
Ward dieser hohe Bau dem Aug' entrückt
Zum Himmel aufgezogen. Dann floß drunter
Ein lichtes Meer von Jaspis oder auch
Von flüss'gen Perlen, worauf alle Jene,
Die von der Erde kamen, segelten,
Von Engeln sanft gehoben, oder sie
Gelangten auch in einem Wagen rasch
Mit Feuerrossen, über jenen See.
Die Stufen waren just herabgelassen,
Um Satan zu dem Steigen anzuspornen,
Und seinen Bann, die Ausschließung vom Thor
Der Seligkeit mehr fühlen ihn zu lassen.
Tief unten, jenen Stufen gegenüber,
Just über jenem holden Paradies,
Eröffnet sich ein Weg hinab zur Erde,
Ein weiter Weg, viel weiter als der Pfad,
Der später über Zions Berg geführt,
Als jener auch, der zum gelobten Land,
Dem Gott so lieben Lande leitete,
Worauf, die sel'gen Stämme zu besuchen,
Die Engel auf Befehl des höchsten Herrn,
Dann auf- und niederstiegen: Von dem Quell
Des Jordans, Panea, bis Berseba
Besuchte selbst sein Blick sie, wo die Grenze
Des heil'gen Landes liegt, die an Egypten
Und an Arabien stößt. So weit erschien
Die Oeffnung, wo die Finsterniß zu Ende,
Wie an dem Strand der Ocean. Von hier
Erblickte Satan an der letzten Stufe
Der goldnen Stiege, die zum Himmel führt,
Verwundert plötzlich diese ganze Welt.
Wie ein Spion, wenn er die lange Nacht
Bahnlose Wege mit Gefahr geschlichen,
Und endlich bei dem holden Tageslicht
Den Gipfel eines hohen Bergs erreicht,
Der unerwartet ihm die Aussicht plötzlich
In fremdes Land gewährt, das nie er sah,
Auch wol in eine reiche, mächt'ge Stadt,
Mit Thürmen und mit Zinnen rings geziert,
Die in der Morgensonne golden glänzen:
Solch Staunen überkam den bösen Geist.
Obwol er schon den Himmel selbst gesehn,
Ergriff ihn doch nur ärger noch der Neid,
Als er die Schönheit dieser Welt gewahrte.
Rundum besieht er sie (er konnte dies,
Da über des Gewölbes Rund er stand,
Worin die Nacht die Schatten breitete)
Vom Punkt der Wage, die im Osten steht,
Bis hin zum Vliesgestirn, das weithinaus
Fern übern Horizont und Ocean
Andromeda'n geführt. Dann überblickt
Von Pol zu Pol er unsrer Erde Breite,
Und stürzt sich ohne langes Zögern dann
Grad in die erste Region hinab,
Behaglich streicht er durch die reine Luft
Und zwischen Sternen mitten durch, die nur
Von weitem Sterne, näher aber Welten:
Eilande der Glückseligkeit, wie jene
Hesperischen Gärten; segensvolle Fluren
Und Wälder, Au'n und blumenreiche Thale,
O drei Mal sel'ge Felder! wer dort wohnt,
Erforschte Satan nicht! – Die goldne Sonne,
An Glanz dem Himmel wol am ähnlichsten,
Entzückt zumeist sein Auge; dahin geht
Sein Flug (ob aufwärts oder niederwärts,
Ob von, ob nach dem Centrum, weiß ich nicht)
Durch's Firmament, wo jener wundergroße
Lichtball von fern der kleinern Sternenschaar,
Die seinem Herrscherauge nie sich naht,
Den Strahlenglanz verleiht. In Harmonie
Bewegt sich dieser Sterne Tanz, wonach
Sich Tag und Monat, so wie Jahr bestimmt,
Um diese Glutenampel, die das All
Belebt, und wendet immer sich nach ihrem
Magnetischen Strahl, wenn sie die Welt erwärmt,
Und unsichtbar das Innre selbst durchdringt,
Der Tiefe selbst die Wunderkräfte spendend.
So wunderbar ist ihre Strahlenstellung!
Dort landet endlich an der böse Geist,
Solch einen Flecken sah kein Astronom
Je in der Sonne mit bewehrtem Auge.
Den Ort fand er so unaussprechlich hell,
Wie kein Metall, kein Stein auf Erden glänzt.
Nicht waren alle Theil' einander gleich,
Doch alle gleich vom Strahlenglanz erfüllt,
Wie glühend Eisen es vom Feuer ist.
War dies Metall, so schien ein Theil von Gold,
Ein andrer lichtes Silber; war es Stein,
So war's Karfunkel, Chrysolith, Rubin
Und auch Topas, wol jenen zwölfen gleich,
Die Arons Schild geziert; vielleicht auch der,
Den öfter man geträumt, doch nie gesehn,
Der Stein, den Weise nur vergebens suchten,
Die doch durch ihrer Künste reiche Macht
Den flüchtigen Mercur zu binden wissen,
Und auch den seegebornen Proteus selbst
In mannichfache Formen aufgelöst,
Die Urform anzunehmen nöthigen.
Was Wunder drum, daß Feld und Wälder hier
Ein reines Elixir in Lüfte hauchen,
Und trinkbar selbst das Gold in Strömen fließt,
Da doch als Urchemie der Sonnenball,
So fern von uns durch kräftige Berührung
Mit Erdenfeuchte hier im Dunkeln manches
Kleinod in Farben und an Kraft erzeugt?
Hier fand der Satan neuen Stoff zum Schaun,
Und ohne Blendung schweift sein Aug' umher;
Kein Hemmniß fand sein Blick und keinen Schatten,
Rundum nur Sonnenschein, so wie er Mittags
Ganz senkrecht vom Aequator niederfällt,
So schoß er jetzo immer senkrecht auf,
Weshalb ringsum von einem dunkeln Körper
Kein Schatten fallen kann; die Luft, die nirgends
Wol sonst so helle, schärfte seinen Blick
Für weite Ferne. So erblickt er bald
In dem Gesichtskreis einen hehren Engel,
Den nämlichen, den später in der Sonne
Johannes sah; er kehrt dem Satan zwar
Den Rücken zu, jedoch sein Glanz war schimmernd;
Ein goldnes Diadem von Sonnenstrahlen
Umschloß sein Haupt, nicht minder leuchtete
Der Glanz der Locken, welche reichlich wallend
Auf die beschwingten Schultern niederflossen.
Zu einem großen Werk schien er berufen,
Und wie in tiefes Sinnen ganz versenkt.
Frohlockend stand der Satan in der Hoffnung,
Den Geist in ihm zu finden, der den Pfad
Zur Paradiesesflur ihm zeigen könnte,
Der Menschheit Eden, seiner Reise Ziel
Und unsres Elends schmählicher Beginn.
Zuerst verwandelt er nun die Gestalt,
Die ihm Verzug und Unheil schaffen könnte,
Und naht als jugendlicher Cherub sich,
Wenn auch vom ersten Range nicht, doch so,
Daß Himmelsjugend auf dem Antlitz lachte,
Auf alle Glieder Anmuth sich ergoß;
So täuschend hatte Satan sich verstellt!
Sein flatternd Haar umspielt in krausen Locken
Und unter einem Kranz die Wangen ihm;
Buntfarbige Flügel trug er, goldgestreifte,
Sein leicht Gewand war aufgeschürzt zur Eile,
Und hüllte seinen anmuthvollen Gang
In eine Silberwand! – Kaum naht' er sich,
Hört' ihn der Engel auch, und wandte rasch
Sein strahlend Antlitz, durch sein Ohr gemahnt.
Satan erkannt' ihn bald als Uriel,
Der sieben Engel einen, die vor Gottes
Antlitz zunächst an seinem Throne stehn;
Gewärtig seines Winks, sein Augenlicht,
Das durch die Himmel eilt und auf die Erde
Die schnelle Botschaft über Meer und Land
Hernieder trägt. Zu ihm sprach Satanas:
»Uriel, der Du – der sieben Geister Einer –
Vor Gottes hohem Throne leuchtend stehst,
Und als der Erste seinen großen Willen
Als Herold durch den höchsten Himmel trägst,
Wo Deiner Botschaft seine Söhne harren;
Du bist wol auf Befehl des Höchsten hier,
Um gleich geehrt zu sein und als sein Auge
Der neuen Schöpfung Runde zu besuchen;
Unsäglich Sehnen, seine Wunderwerke
Zu schaun, jedoch zu allermeist den Menschen,
Der seine Wonn' und Lust, für welchen er
All diese Werke wunderbar erschuf,
Trieb aus den Chören mich der Cherubim
Hieher, wo ich so einsam wandernd irre.
Drum künde, lichter Seraph, mir, auf welcher
Von diesen Kugeln ist des Menschen Sitz;
Und wechselt er den Wohnsitz gar vielleicht,
Hat er die Wahl von diesen Strahlenbällen?
O sprich, wie find' ich, dem ich heimliche
Bewundrung oder offne zollen kann?
An den der große Schöpfer Welten schenkte,
Auf den er alle diese Gnaden goß,
Daß wir in ihm und Allem, wie sich's ziemt,
Den allgemeinen Meister preisen können,
Der die empörte Feindesschaar mit Recht
Zur tiefsten Hölle stieß und den Verlust
Dann zu ersetzen, dieses selige
Geschlecht der Menschen schuf, damit dies besser
Ihm diene. Weise sind all' seine Wege!« –
So sprach der falsche Heuchler unerkannt,
Denn weder Mensch noch Engel kann durchschaun
Die Heuchelei, der Uebel einziges,
Das Gott allein erkennt, jedoch nicht hindert,
Das Erd' und Himmel unsichtbar durchschleicht.
Und oft, wenn auch die Weisheit wachsam, schläft
Verdacht am Thor der Weisheit, überlassend
Sein Amt der Einfalt, deren Güte nie
Das Arge sieht, wo nicht das Arge scheint.
So ward auch einmal Uriel jetzt betrogen,
Obwohl er als der Fürst der Sonne stets
Für den umsichtigsten der Geister gilt,
Er gab dem schnöden trügerischen Feind
In offenherziger Rede die Erwiderung:
»Holdsel'ger Engel, Deiner Sehnsucht Drang,
Die Werke Gottes preisend zu erkennen,
Führt nicht zu tadelhafter Uebertretung,
Verdient vielmehr, je mehr es Uebertretung,
Nur größer Lob, da Du allein hieher
Geeilt, um eignen Auges anzuschaun,
Wovon den Andern die Erwähnung gnügt;
Denn wunderbar sind alle seine Werke,
Entzückend ewig ihrer zu gedenken.
Doch welcher Geist kann ihre Zahl ermessen,
Die Weisheit, welche diese Welten schuf,
Und ihren Zweck so tief verborgen hält?
Ich sah, wie auf sein Wort der Stoff der Welt,
Die Masse formenlos sich sammelte;
Es hörte die Verwirrung seine Stimme,
Das wilde Toben ward gezähmt, und Schranken
Begrenzten den unendlich leeren Raum.
Ein zweiter Ruf – und sieh! die Nacht entwich,
Licht ward, und Ordnung aus der Unordnung.
Die Elemente, Wasser, Erde, Luft
Und Feuer eilten schnell in ihre Grenzen;
Die beste Kraft des Himmels aber flog
In mancherlei Gebilden in die Höh,
Die kugelförmig sich zu Sternen rollten,
Die, wie Du siehst, unzählig dort sich regen:
Doch Jedem ward bestimmte Bahn und Schranke,
Das Uebrige wallt um das große Weltall.
Sieh unten jene Kugel, deren Seite
Nach uns gekehrt, vom Lichte hell erglänzt,
Das hier entlehnt ist und zurück nur prallt.
Es ist der Sitz des Menschenstamms, die Erde;
Ihr Tag ist dieses Licht, denn außerdem
Wär' Nacht, wie auf der andern Erdenhälfte,
Jedoch auch die bescheint zur rechten Zeit
Der nahe Mond, (so heißt der Stern genüber)
Der seinen Rundlauf monatlich beendet,
Und mitten durch den Himmel stets erneut;
Mit dem von hier entlehnten Lichte füllt
Dreiförmig er sein Aeußres, was er dann
Auch wieder leert, die Erde zu beleuchten,
Und mit dem blassen Schein die Nacht zu bannen.
Dort jener Flecken ist das Paradies,
Die Wohnung Adams, und der hohe Schatten
Ist seine Laube. Sieh nun selber zu,
Dein Weg liegt offen, doch mich ruft der meine.«
Er sprach's, und wandte sich; der Satan neigte
Sich tief, wie's schuldig höhern Himmelsgeistern,
Bei denen nie man Hochachtung vergißt.
Abschied dann nehmend eilt' er nach der Erde,
Die Sonnenbahn verlassend, hoffnungsvoll:
Im Fluge schlug er manches luft'ge Rad,
Bis er auf des Niphates Gipfel stand.
Vierter Gesang.
O! hätte jetzt doch jene Warnungsstimme,
Die auch der Offenbarung Jünger hörte
Im Himmel einst, als der zum zweiten Mal
Gestürzte Drache wüthend niederschoß
Am Menschen sich zu rächen, jene Stimme
»Weh, weh euch Erdensöhnen,« noch zur Zeit
Die ersten Eltern vor der Ankunft ihres
Geheimen Feind's gewarnt, daß sie den Schlingen
Des Todes glücklich so entronnen wären;
Denn Satan kam, entflammt von wilder Wuth
Herab erst als Versucher, dann als Kläger
Des menschlichen Geschlechts, um den Verlust
Der ersten Schlacht, die ihn zur Hölle trieb,
Nun an des Menschen Schwäche frech zu rächen.
Doch war er nicht ob seiner Eile froh,
Wiewol er furchtlos in der Ferne war;
Auch ohne Prahlerei beginnt er nun
Den greulichen Versuch, der jetzt gereift
In seinem stürmischen Busen wogt und siedet
Und auf ihn selbst ein höllisches Geschoß
Zurückprallt. Zweifel, Schreck verstören jetzt
Sein düst'res Brüten, und erregen wild
In ihm die Hölle, denn er trägt die Hölle
In sich und um sich her, nicht einen Schritt
Kann er durch Ortesänderung so wenig
Der Höll' entfliehen, als sich selbst. Es weckt
Verzweiflung jetzt sein schlummerndes Gewissen;
Weckt die Erinnerung dessen, was er war
Und was er ist, und ärgres werden muß,
Denn ärgere Leiden zeugt die schlimmre That.
Zuweilen blickt auf Eden er betrübt,
Das anmuthvoll vor seinen Augen lag.
Zum Himmel auch und zu der Strahlensonne,
Die hoch auf ihrer Mittagszinne saß,
Dann viel bedenkend sprach er unter Seufzen:
»O Du, die mit dem höchsten Glanz gekrönt
Von Deinem einz'gen Reich hernieder schaust,
Wie Gott auf diese unerschaffne Welt,
Vor deren Anblick ihr entschwindend Haupt
Die Sterne rings verhüllen, Dir, ja Dir,
Ruf' ich, doch nicht mit freundlich milder Stimme,
Und nenne Dich o Sonne, Dir zu sagen,
Wie arg ich Deine Strahlen hasse, die
Mich des verlornen Stand's auf's Neu erinnern,
Als herrlich ich noch über Deiner Sphäre,
Wo Stolz und schlimmer Hochmuth mich gestürzt,
Als ich im Himmel wider ihn gekämpft,
Der unvergleichbar König ist im Himmel.
Ach und warum? verdiente jener doch
Den Undank nicht von mir, den er erschuf
Zu hohem Glanz, und dem er seine Güte
Nie vorgerückt; auch war ja leicht sein Dienst,
Genug war, als Vergeltung ihn zu preisen
Und ihm gebührend Dank und Lob zu zollen!
Ach! all' sein Gutes ward in mir zum Bösen
Und schuf nur Bosheit, denn so hoch erhöht,
Verschmäht ich Unterwürfigkeit und meinte,
Noch höhre Stufe mache mich zum Höchsten,
Befreie mich in einem Augenblick
Von jener Schuld endloser Dankbarkeit,
Die lästig ist zu zahlen wie zu schulden.
Vergaß ich doch, was ich von ihm empfing,
Und sah nicht ein, daß dankerfüllte Herzen,
Die ihre Schuld bekennen, nimmer schulden,
Nein zahlen stets und sich der Schuld entladen.
Was war die Bürde drum? O hätte nur
Sein mächtig Schicksal mich zu niedrem Engel
Bestimmt, ich wäre glücklich doch geblieben,
Unmäßige Hoffnung hätte nimmer dann
Ehrgeiz in mir erweckt. Jedoch warum nicht?
Ein andrer Geist, vielleicht mir gleich an Macht,
Empörte sich, und hätte mich zugleich
Den niedrern Engel in den Kampf gezogen;
Doch andre Geister, die so groß wie ich,
Sind nicht gefallen, innen so wie außen
Gewaffnet gegen der Versuchung Reiz; –
Und hattest Du nicht auch den freien Willen,
Die Kraft zu stehn? Du hattest sie zu gut.
Wen oder Was vermagst Du anzuklagen,
Als nur die freie Liebe, wie sie Allen
Vom Himmel gleich ertheilt? Sie sei verflucht,
Weil Liebe, so wie Haß, die beide gleich
Ein ewiges Weh und Leiden mir ertheilt.
Nein, sei Du selbst verflucht! weil wider seinen
Dein Will' erwählte, was Du jetzt beklagst.
O ich Verdammter! wie soll ich dem Zorn
Der ewigen Verzweiflung je entfliehn?
Wohin ich fliehe, kommt die Hölle ja,
Die Hölle bin ich selbst, im tiefsten Grunde
Eröffnet eine tiefre Tiefe sich,
Und droht mich zu verschlingen, daß die Hölle,
Die ich erdulde, mir ein Himmel scheint.
O werde milder endlich, ist kein Raum
Für Reu' gelassen, für Vergebung keiner?
O keiner, als durch Unterwerfung nur,
Und dieses Wort verbietet mir mein Stolz
Und Furcht der Scham bei jenen Geistern drunten,
Die durch Versprechen und durch Prahlen ich
Verführt, als könnt' ich dem Allmächt'gen trotzen.
Weh mir, sie ahnen nicht, wie schwer ich büße
Dies eitle Prahlen, unter welcher Pein
Mein Busen stöhnt, indeß sie auf dem Thron
Der Hölle mich verehren. Hoch gestellt
Mit Diadem und Scepter, sink ich doch
Nur tiefer, zwar der Höchste doch – im Elend!
Das ist die Wollust, die dem Hochmuth wird.
Doch könnt' ich auch bereun, auf's Neu' durch Gnade
Den frühern Stand erlangen, würde bald
Die Höhe wieder mir Gedanken wecken,
Die hochaufwallend widerrufen würden,
Was ich verstellt in Unterwerfungsschwur.
Die Wonne würde die Gelübde bald,
Im Schmerz gethan, ungültig widerrufen,
Denn nicht zeigt die Versöhnung sich als wahr,
Wo Todeshaß so tiefe Wunden schlug;
Es führte nur zu ärgerm Treuebruch
Und schwerem Sturz, ich würde doppelt hoch
Mit Schmerzen eine kurze Pause kaufen;
Dies weiß mein Rächer, drum gewährt er mir
So wenig Frieden, als ich ihn erbitte.
So ist nun alle Hoffnung ausgeschlossen,
Statt uns Verworfner und Verbannter schuf
Er sich zu seiner neuen Lust die Menschen
Und diese Welt für sie! Fahr' wohl, o Hoffnung,
Fahr' wohl, o Furcht, und fahre wohl auch Reue!
Für mich ist alles Gute hier verloren,
Das Böse sei mein Gutes! Denn durch Dich
Hab ich des Reiches Hälfte doch, das ich
Mit dem Allmächtigen theile; ja durch Dich
Werd' ich vielleicht noch mehr als halb regieren,
Was bald der Mensch der neuen Welt erfahre.«
Wie er so sprach, verdunkelt Leidenschaft
Drei Mal sein Antlitz, Zorn, Verzweiflung, Neid,
Entstellten sein verworfnes Angesicht,
Verriethen als Betrüger ihn dem Auge,
Denn himmlische Gemüther sind von solchen
Schwachheiten frei. Er nahm sich bald in Acht
Und dämpfte jede Wallung rasch mit Ruhe,
Ein Meister des Betrugs, der Erste wol,
Der Falschheit unter Heil'genschein geübt,
Um racheschwang're Bosheit zu verbergen:
Doch nicht genug war er darin gewandt,
Den schon gewarnten Uriel zu betrügen,
Deß Auge jedem seiner Wege folgte,
Auf dem Assyrer Berg entstellt ihn sah,
Wie kaum ein Geist der glücklichen sich zeigt;
Er sah die wilden Mienen und sein Toben,
Denn, Satan glaubte sich ganz ungesehn.
So wallt er fort, und kommt zu Edens Grenze,
Dem holden Paradiese näher nun,
Das mit den grünen Hecken rings das Haupt
Der Wildniß wie mit einem Walle krönt,
An dessen Seiten rauhe Büsche wuchsen,
Und sonderbar und wild den Zugang hemmten.
Hoch oben wuchs in unermeßner Höhe
Erhabner Schatten, Ceder, Tann' und Föhre,
Bei zackigen Palmen, eine Waldesscene,
Wo Schatten sich auf Schatten reihenweis
Empor als schönste Waldesbühne hoben.
Doch höher noch als ihre Gipfel ragt
Des Paradieses grüner Wall empor,
Der unserm Ahnherrn einen Blick verlieh
Auf's niedre Reich in seiner Nachbarschaft;
Und höher als der Wall, hob sich ein Kreis
Der besten Bäume, reich an schönen Früchten,
Goldfarbig glänzte Blüthe d'ran wie Frucht
Im bunten Farbenschmelz, worauf die Sonne
Nur schöner ihre Strahlen niedergoß,
Als auf die Abendwolken und den Bogen,
Der feuchte sich gebildet, wann der Herr
Der Erde Regenschauer sendete.
So reizend war die Landschaft, reinste Luft
Wie keine mehr umhaucht den Nahenden,
Die Frühlingsluft in alle Herzen träuft,
Den Gram verscheucht, nur die Verzweiflung nicht;
Gelinde Lüftchen mit den duft'gen Schwingen,
Verspenden Wohlgerüche, leise flüsternd,
Wo sie den heimischen Balsamduft geraubt.
Wie Jenen, die das Cap der guten Hoffnung
Umschifft, und Mosambique vorüber sind,
Von dem Nordost sabäischer Wohlgeruch
Vom würzereichen Strand des glücklichen
Arabiens wunderbar entgegenweht
Und sie, ob solchen Aufenthalts erfreut,
Die Fahrt verlängern, und auf viele Meilen
Der Ocean am Duft sich lächelnd labt;
So auch behagte dieser Wohlgeruch
Dem bösen Feind, der als ihr Gift sich naht.
Obwol er mehr sich labt, als Asmodeus
Am Dampf der Fische, der ihn rasch verscheucht,
Wie sehr er auch verliebt war, von der Braut
Des Sohnes von Tobias, und aus Medien
Gewaltsam nach Egypten ihn verbannte.
Nunmehr war Satan langsam und bedächtig
Den steilen, wilden Berg hinangestiegen,
Doch fand im Dickicht er den Weg nicht weiter,
Denn eine Hecke hatte mit Gebüsch
Und Streifen sich verflochten, und den Menschen
Und Thieren hier den rauhen Pfad versperrt.
Es war nur eine Pforte, welche seitwärts
Gen Osten sah; als Satan sie erblickte,
Verschmäht den Eingang er, und sprang verächtlich
Mit leichtem Sprung hoch über alle Grenzen,
Den höchsten Berg und Wald so überhüpfend,
Stand plötzlich er auf festem Fuße drin.
So wie ein Wolf, den Hunger treibt auf Raub
In neue Fluren, lauernd, wo die Schäfer
Des Abends auf dem Feld in sichre Hürden
Die Heerden pferchen, über die Umzäunung
Behend dann springt; auch wie ein list'ger Dieb,
Der eines Bürgers Wohnung plündern will,
Deß dichte Thür verriegelt und verrammelt,
Nicht die Gewalt des Einbruchs fürchten würde,
Zum Fenster oder Dach hinein sich schwingt:
So stieg auch dieser erste große Dieb
In Gottes Hürde; so erklimmt auch noch
Manch frecher Söldner seine Kirche jetzt.
Dann hob er sich und schwang sich wie ein Rabe
Urplötzlich auf den Baum des ewigen Lebens,
Den mittelsten und höchsten, der hier wuchs;
Doch wahres Leben ward ihm nicht zu Theil,
Er sann auf Tod nur für die Lebenden,
Der Kraft nicht denkend, die der Baum gewährt;
Zur Umsicht braucht er ihn, statt daß er sonst
Ein Pfand ihm der Unsterblichkeit geworden.
So wenig weiß ein Jeder außer Gott
Das Gute recht zu schätzen, das er sieht,
Ja! er verkehrt die besten Dinge selbst
Zum schnöden Mißbrauch und geringsten Dienst.
Jetzt sieht der Satan staunend unter sich
Den ganzen Reichthum der Natur, erschaffen
Zur höchsten Lust des menschlichen Geschlecht's,
Ja noch mehr, einen Himmel auf der Erde,
Denn Gottes Garten ward das Paradies,
Den er im Osten Edens angepflanzt,
Denn Eden streckte seine Grenzen ostwärts
Von Aron bis zum königlichen Thurm
Seleucia's, erbaut von griechischen Fürsten,
Wo Edens Söhne lange schon zuvor
Im Land Telassar wohnten. Es erschuf
Der Höchste seinen Garten holder noch
Auf diesem holden Boden. Denn es trug
Die edelsten der Bäume dieser Boden,
Entzückend für Geschmack, Geruch und Auge,
Und mitten drunter stand des Lebens Baum,
Hochragend mit ambrosiasüßer Frucht
Wie wachsend Gold, und nah am Lebensbaum
Wuchs der Erkenntniß Baum, der unser Tod,
Indem des Guten Kenntniß theuer nur
Um die des Bösen zu erkaufen war.
Südwärts durch Eden floß ein breiter Fluß,
Der seine Richtung nimmer änderte,
Durch jene waldigen Hügel weiter drang,
Wo er verschwand. Denn Gott warf dies Gebirg
Als Gartengrund auf diesen schnellen Strom,
Der durch die Adern der erweichten Erde
Sanft aufgesogen ward und lieblich dann
Als frischer Quell emporstieg, und den Garten
Mit manchem Bache wässernd, dann vereint
Bergabwärts fiel und sich dem Flusse mischte,
Der aus dem finstern Durchgang wiederkommt
Und in verschied'ne Ströme dann sich theilt,
Manch' rühmlich Land und Königreich durchwandert,
Die jetzt mein Lied nicht zu verkünden braucht,
Doch künden soll es, wenn es Kunst vermag,
Wie aus dem Saphirquell die Bäche kräuselnd
Auf Goldsand und auf Perlen weiter rollend
Sich unter Büschen schlängeln und wie Nektar
Die Pflanzen tränkt und Blumen, würdig Edens,
Die nicht die Kunst in dichte Beete pflanzte,
Nein, wie die gütige Natur auf Bergen,
Im Thal und auf der Flur sie ausgesä't,
Wohin die Morgensonne warme Strahlen
Zuerst gesendet und zur Mittagszeit
Die Lauben rings ein dichter Schatten bräunt;
So war der Ort ein ländlich sel'ger Sitz
Mit mannichfacher Aussicht voller Wälder,
Aus deren Bäumen duft'ge Harze troffen,
Wo Früchte glänzten mit der goldnen Schaale,
So lieblich, daß Hesperiens Fabeln hier
Zur Wahrheit wurden, köstlich an Geschmack.
Dazwischen lagen Au'n und holde Matten,
Die für die Heerden zarte Kräuter boten;
Auch Palmenhügel, wo im tiefern Thal
Den besten Schatz ein Blumenbusen streut,
Und Blüthen jeder Farbe sich erwiesen
Und ohne Dorn die Rose selbst erblüht.
Jenseits dann waren Grotten, deren Schatten
Die kühlsten Sitze hegte, drüberhin
Der Weinstock seine Purpurtrauben rankt,
Und üppig wachsend, sanft empor sich schlingt,
Indeß die Wasser von den Hügeln rauschen,
Sich bald im Wasser, bald im See sich einen,
Der dem geschmückten myrthumkrönten Strand
Krystallne Spiegel zum Beschauen beut.
Die Vögel schmettern Chöre voll Musik,
Und Frühlingsluft, gewürzt vom süßen Duft
Der Au'n und Wälder, stimmen allgemein
Die zitternden Blätter, da indessen Pan
Mit Grazien und Horen leichten Tanzes
Den ewigen Frühling nah und näher führt.
Nicht Enna's holdes Feld, wo Blumen pflückend
Proserpina, die allerschönste Blume,
Vom dunkeln Dis gepflückt ward, was die Ceres
Sie in der ganzen Welt dann suchen ließ,
Noch Daphnes traute Waldung am Orontes,
Noch die castalische Quelle könnte je
Mit diesem Paradies in Eden eifern;
Noch auch des Niseus Insel, die umringt
Vom Flusse Triton, wo vor Zeiten Cham,
Von Heiden Ammon, Lydiens Zeus genannt,
Die Amalthea und den schmucken Sohn,
Den jungen Bacchus, vor den Augen Rhea's,
Die ihm Stiefmutter war, verborgen hatte;
Noch Amara, der Berg, wo jener Stamm
Der Abassiden herrscht, das Paradies
Der Moslemiten, an dem Haupt des Nils,
Umringt von Klippen, Tagereisen hoch,
Doch weit entlegen von dem Garten Assurs;
Wo Satan mißvergnügt die ganze Luft
Der lebenden Geschöpfe, für ihn fremd
Und neu, erblickte; zwei von ihnen edler,
Emporgerichtet und erhabnen Leibes,
Göttlich erhaben, in angeborner Größe:
Sie schienen Herrn in nackter Majestät,
Auch schienen sie dies werth, denn aus den Augen
Erglänzte göttlich ihres Schöpfers Bild,
Wahrheit und Weisheit, reine Heiligkeit,
(Die kindlich sich in ihrer Freiheit zeigt)
Worin des Menschen wahre Hoheit liegt.
Doch waren Beide nicht einander gleich,
Wie auch der äußern Bildung nach verschieden.
Des Einen Bild war Kraft und Ueberlegung,
Der Andern Bild Anmuth und süße Huld,
Er schien ein Gott allein, doch sie in ihm.
Die hohe Stirn und der erhabne Blick
Bezeugten seiner Herrscherkraft Gewalt;
Die hyacinthnen Locken hingen ringelnd
Ihm vom getheilten Scheitel dicht herab,
Jedoch an Breite nur den Schultern gleich.
Sie trug die goldnen Haare frei und luftig,
Ein Schleier, der zur Hüfte niederwallt
In losen Ringeln, wie die vollen Ranken
Sich an dem Weinstock kräuseln und sich dehnen.
Ihr ganzes Wesen sprach von Unterwerfung,
Von solcher, die mit Sanftmuth wird erheischt,
Von ihr gezollt und liebreich aufgenommen,
Die züchtig mit bescheidnem Stolz sich fügt,
Mit sanftem, liebevollem Widerstreben.
Auch war der Leibesform geheimer Theil
Noch unverhüllt; die Scham trug keine Schuld;
Scham, die nicht für Naturgebilde paßt,
Ehrlose Scham, von Sünde nur erzeugt,
Wie hast Du doch das menschliche Geschlecht
Mit leerem Schein der Reinheit arg verblendet,
Und aus dem Menschenleben allen Segen,
Der Einfalt und der Unschuld Glück verbannt! –
Sie gingen nackt einher, und scheuten nicht
Das Auge Gottes noch der Engel Blick;
Denn Arges nimmer denkend, gingen sie,
Das liebevollste Pärchen, Hand in Hand,
Wie nimmer eines wieder sich umarmt:
Adam, der schönste von der Männerschaar,
Eva, die lieblichste von allen Frau'n!
Sie setzten unter laubigem Schattendach,
Das sanft auf grünem Felde säuselte,
Bei einem kühlen Brunnenquell sich nieder;
Nachdem sie mit dem holden Garten sich
So viel gemüht, als nöthig, um der Ruhe,
Des West's Erquickung reiner zu genießen,
Und Durst und Hunger süßer zu befried'gen:
Vereinte sie der Nektar-Früchte Mahl,
Die ihnen freundlich tief die Zweige boten,
Als sie sich auf die Rasenbank gelehnt,
Die rings umgürtet war mit duft'gen Blumen.
Sie labten sich am saftig süßen Fleisch,
Und schöpften Wasser aus dem Quell mit Schalen,
Auch fehlte nicht der Jugend Tändelei,
Des Lächelns und des Kosens Zärtlichkeit,
Wie's einem schönen Liebespärchen ziemt,
Das ganz allein im Ehebunde lebt.
Es spielten um sie scherzend alle Thiere,
Die jetzo wild in Wald und Wüsten sich,
In Forst und Höhlen bergen. Tändelnd spielte
Der Löwe mit dem Lämmchen in der Klaue,
Es sprangen Bären, Tiger, Panther, Unzen
Um sie herum; der Elephant versucht,
Trotz seiner Tücke, Freude zu bereiten
Und krümmte seinen Rüssel mächtiglich;
Die kluge Schlange ringelt mit dem Schweif
Einschmeichelnd gordische Knoten, unbedacht
Von ihrer argen List Beweise gebend.
Noch andre legten sich in's Gras und ruhten
Gesättigt aus, auch gingen wiederkäuend
Zum Lager ein'ge; denn die Sonne schied
Und eilte schnell zum Ocean hinab;
Am Himmel flammten Stern' und kündeten
Den Abend schon, als Satan staunend noch
Wie Anfangs stand und endlich ganz betrübt
Die fast verlorne Sprache wieder fand:
»O Hölle! was erblick' ich hier mit Gram?
In unserm Wonnesitz so hoch erhöht
Geschöpfe, die aus anderm Stoff gemacht,
Vielleicht aus Erde, die nicht Geister sind,
Und doch so himmlisch wie die Geister strahlen,
Die ich in tiefem Sinnen nur bewundern
Und lieben könnte, da die Göttlichkeit
Aus ihnen leuchtet, und auf die Gestalt
Des Schöpfers Hand den höchsten Liebreiz goß!
Du holdes Paar, Du ahnest nicht, wie nah
Der Wechsel schon, wo alle diese Freuden
Verwehn und Dich dem Jammer überlassen,
Nur größerm Jammer nach so großer Freude.
Glückselig seid ihr, doch auf lange nicht
Ward euer Glück bestimmt, denn euer Himmel
Ist als ein Himmel übel nur geschirmt,
Um Feinde so wie mich davon zu wehren.
Doch nah ich nicht mit Absicht euch als Feind,
Weil Mitleid ich für so Verlassene
Doch hegen könnte, wenn ich selber auch
Kein Mitleid noch erhielt; die Freundschaft nur
Such' ich mit euch und wechselseit'gen Bund;
So eng, daß unter euch ich wohnen muß,
Wo nicht, daß ihr bei mir verweilen müßt.
Mein Wohnort schmeichelt euch vielleicht nicht so,
Wie dieses schöne Paradies; doch nehmt
Ihn nur als Werk von euerm Schöpfer an.
Er gab ihn mir; und euch geb' ich ihn willig!
Euch zu ergötzen, soll der Hölle Thor
Sich weit eröffnen und all' ihre Fürsten
Dann euch entgegensenden; dort ist Raum,
Nicht diesen engen Grenzen gleich, so viel,
Um eurer Söhne reiche Zahl zu fassen;
Und ist der Ort nicht besser, dankt es ihm,
Der wider Willen mich zur Rache treibt
An euch, die nimmer mich beleidigten,
Anstatt an ihm, der Unrecht mir erwies.
Und rührt' auch eurer Unschuld Zauber mich,
So zwingt mich jetzo Ehre doch und Reich,
Um diese neue Welt mir zu erobern,
Daß ich aus Rache thue, was ich sonst,
Obwol ich ein Verdammter, würde scheun.«
So sprach der Satan und entschuldigte,
Wie stets Tyrannen, mit Nothwendigkeit
Das böse Thun. Dann stieg er von dem Baum
Zur muntern Schaar vierfüß'ger Thiere nieder;
Und wandelt' sich in eines um das andre,
Wie die Gestalt am dienlichsten ihm schien,
Um unentdeckt auf seinen Raub zu lauern,
Ihr Wesen recht in Wort und That zu kennen.
Als Löwe schreitet er mit Feuerblick,
Als Tiger dann, der wie durch blosen Zufall
Zwei zarte Reh' in einem Wald erblickt,
Die mit einander spielen, der sich näher
Herangeschlichen, streckt und dann erhebt,
Und lauschend seine Lagerstatt verändert,
Wie Einer, der bequemen Punkt erspäht,
Von wo aufspringend er am sichersten
Sie Beide mit den Tatzen packen kann:
Als Adam sprach, der erste Mann, zu Eva,
Der ersten Frau, daß Satan gierig lauschte,
Um dieser neuen Sprache Reiz zu hören:
»Die Du allein mit mir die Freuden theilst,
Du, theurer mir als Alles, jene Macht,
Die uns erschuf und diese Welt für uns,
Muß sicherlich unendlich gütig sein,
Und wie unendlich, so freigebig auch,
Da sie uns aus dem Staub erhob, und hier
In alle diese Seligkeit versetzte,
Die wir doch Nichts verdient, und Nichts vermögen,
Womit wir ihr zu Dienste könnten stehn;
Die ein Gebot zu halten nur verlangt,
Dem wir so leicht Gehorsam leisten können,
Von allen Bäumen hier im Paradies,
Die so verschiedne süße Früchte tragen,
Von diesem einz'gen Baume nicht zu kosten,
Dem Baume der Erkenntniß, der so nah
Bei jenem Baum des Lebens hingepflanzt;
So nahe wächst beim Leben dort der Tod,
Was Tod auch sei, gewiß ein schrecklich Ding!
Den, wie Du weißt, hat Gott mit Tod bedroht,
Wer von dem Baume kostet; dies allein
Ließ er als des Gehorsams Unterpfand,
Bei diesen vielen Zeichen von Gewalt,
Die er uns über alle Wesen gab
Auf Erden und im Meer und in der Luft.
Drum nennen wir solch leicht Verbot nicht schwer,
Da Freiheit uns für jeglichen Genuß,
Und unbeschränkte Wahl für Freuden blieb.
Laß uns vielmehr ihn preisen und erheben,
Indem wir unser Tagewerk vollbringen,
Die Pflanzen säubern und der Blumen pflegen,
Was, wenn auch mühsam, sich bei Dir versüßt!«
Darauf sprach Eva: »Du, für den ich lebe,
Aus dem ich wurde, Fleisch von Deinem Fleisch,
Und ohne Den ich zwecklos wäre, Du
Mein Haupt und Führer! Was Du mir gesagt,
Ist gut und recht, ihm schulden wir fürwahr
Tagtäglich Lob und Dank, vorzüglich ich,
Da ich ein glücklicher Geschick genieße,
Indem ich Dich genieße, der durch manchen
Vorzug hervorragt, während Du ein Wesen,
Dir selber gleichend, nirgends finden kannst!
Oft denk' ich jenes Tags, als ich zuerst
Vom Schlaf erwachend unter Blumenschatten
Mich liegen fand, verwundert, was ich wäre,
Woher, und wo und wie ich hingekommen.
Nicht weit davon ergoß aus einer Grotte
Sich murmelnd eine Quelle, die sich dann
In einer flüssigen Ebne breitete,
Und unbewegt, klar wie der Himmel, stand.
Dort ging ich hin mit unerfahrnem Sinn
Und legte mich am grünen Strande nieder,
Um in den hellen glatten See zu schaun,
Der als ein zweiter Himmel mir erschien.
Als ich hineinzusehn mich niederbeugte,
Erschien just gegenüber mir im Wasser
Ein Bild, das mich zu sehn sich niederbeugte,
Ich fuhr zurück, auch jenes wich zurück;
Doch wandt' ich bald vergnügt mich wieder hin,
Und ebenso wandt' jenes sich zu mir
Voll Mitgefühl und Liebe; ja mein Auge
Wär' schmachtend dort geblieben, sehnsuchtvoll,
Wenn eine Stimme mich nicht so gewarnt:
Was Du erblickst hier, liebliches Gebild,
Das bist Du selbst; es kam und geht mit Dir;
Doch folge mir; ich bringe Dich dahin,
Wo nicht ein Schatten Deines Kommens harrt,
Ihn, dessen Ebenbild Du bist, ihn sollst
Untrennbar Du als Deinigen genießen,
Und viele Deines Gleichen ihm gebären,
Die Mutter sein des menschlichen Geschlechts.
Was konnt' ich thun, als unverzüglich folgen,
So unsichtbar geführt! Bald sah ich Dich
Zwar schlank und schön dort im Platanenschatten,
Doch minder schön und minder sanft und hold,
Als jenes Wasserbild; ich wandte mich,
Du folgend riefest laut: O Eva komm!
Wen fliehst Du? Bist Du selber doch von ihm,
Den jetzt Du fliehst! von gleichem Fleisch und Bein;
Dich zu erschaffen, lieh ich Dir den Stoff
Aus meiner Seite, nahe meinem Herzen,
Um Dich an meine Seite stets zu fesseln,
Als untheilbarer, ewig theurer Trost;
Ich suche Dich als meiner Seele Theil,
Und fordre Dich als meine zweite Hälfte!
Da faßte Deine holde Hand die meine;
Ich gab mich drein, und sehe seit der Zeit,
Wie Schönheit von des Mannes Reiz und Weisheit
Weit überragt wird, da nur diese schön!«
So redet' unser Aller liebe Mutter;
Und schmiegte sich mit Blicken zärtlicher
Eh'licher Lieb' und Demuth halb umarmend
An unsern ersten Vater. Ihre Brust
Hob sich und traf die seine, wo das Gold
Von ihren freien Locken niederfloß.
Adam, von ihrer Huld und ihrem Reiz
Entzückt, sah lächelnd auf das liebe Weib
Und liebevoller noch als Zeus auf Juno,
Wenn er die hohen Wolken fruchtbar macht,
Die auf den Auen Frühlingsblumen netzen.
Er drückt den reinsten Kuß auf Frauenlippen;
Da wandt' der Teufel neidisch sich hinweg,
Doch hämisch, eifersüchtig blickt er noch
Sie seitwärts an, und klagte tief in sich:
»Verhaßter Anblick! voll von Qual und Pein!
So selig Eines in des Andern Armen,
Ein glücklicheres Eden, sollen diese
Der Seligkeiten höchste Lust genießen,
Indessen ich zur Hölle bin verdammt,
Wo weder Lust noch Liebe, sondern nur
Glutvolle Wünsche, die sammt andern Qualen
Die Pein der Sehnsucht, unerfüllt, erwecken!
Doch werd' ich nicht vergessen, was ich jetzt
Aus ihrem Mund vernahm.
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