Sein Kamerad setzte sich zu ihm und flüsterte ihm zu:

»Schon wieder Streit? Nimm dich in acht! Unser stilles Handwerk erfordert Vorsicht. Zehn Freunde können uns nicht so viel nützen, wie ein einziger Feind uns zu schaden vermag.«

»Schweig! Dieser alte Schwätzer kann uns gar nicht schaden. Sag mir lieber, was du erfahren hast!«

Sie sprachen natürlich so leise miteinander, daß sie von den übrigen Gästen nicht gehört werden konnten. Trotzdem blickte der andre sich vorsichtig um, und als er sah, daß jetzt niemand auf sie achtete, sagte er:

»Er ist's wirklich, ganz gewiß. Und wenn ich noch darüber im Zweifel gewesen wäre, hätte derselbe schwinden müssen, als ich sah, bei wem er wohnt.«

»Nun, wo?«

»Bei Salido, dem Bankier.«

»Todos demonios! Bei Salido? Wer hätte das geahnt l Das ist ja ganz und gar gefährlich für uns!«

»Leider! Er wird ihm alles erzählen.«

»Natürlich! Aus welchem andern Grunde könnte er gerade ihn aufgesucht haben.«

»Bist du überzeugt, daß er dich wieder erkannt hat?«

»Ich möchte darauf schwören. Warum gab er sich für einen andern aus, als er ist? Doch nur, um mich in Sicherheit zu wiegen.«

»So müssen wir nach einem Mittel suchen, ihn zum Schweigen zu bringen.«

»Das müssen wir, und zwar schnell.«

»Wird Geld helfen?«

»Nein, denn dieser kleine Halunke ist reich genug.«

»So gibt es nur noch eins.«

»Was?«

»Frage doch nicht! Du weißt es selbst so gut wie ich.«

»Hm! Ich verstehe dich: ein Stich mit dem Messer oder eine Kugel in den Kopf. Und zwar darf keine Zeit verloren werden. Morgen früh wäre es vielleicht schon zu spät. Er darf gar nicht bis vor die Polizei kommen. Wenn man erfahren könnte, welches Zimmer er bewohnt!«

»Ich weiß es.«

»Nun?«

»Ich wartete, bis er in das Haus getreten war, und stieg dann über den Zaun in den Garten. Glücklicherweise hat die Quinta keine Höfe und Mauern; sie steht mitten im Garten, so daß man rund um sie gehen kann. Bald nachdem er in der Thür verschwunden war, wurde auf der hintern Seite des Hauses ein oberes Zimmer hell. Er hatte seine Lampe angebrannt.«

»Das kann auch eine andre Person gewesen sein.«

»Nein, denn er kam an das offene

Fenster, um es zu verschließen. Ich sah ihn deutlich stehen.«

»Wie viele Fenster hatte das Zimmer?«

»Zwei.«

»Ließ er die Rouleaux herab?«

»Nein.«

»Ob irgendwo eine Leiter in der Nähe ist?«

»Auch daran habe ich gedacht und sah mich nach einer solchen um. In der Ecke des Gartens steht ein Baum, welcher verschnitten worden ist; die Leiter lehnte noch an demselben. Sie ist lang genug, um an das Fenster zu reichen.«

»Schön, sehr schön! Leider aber können wir jetzt noch nicht an das Werk gehen. Es ist zu früh. Die Straßen sind noch zu belebt. Man könnte uns sehen.«

»Wir müssen bis gegen Mitternacht warten.«

»Aber ob er dann noch wach sein wird!«

»Wach oder nicht, das bleibt sich gleich. Er darf den morgenden Tag nicht sehen. Ist er noch wach, so bekommt er durch das Fenster eine Kugel. Schläft er schon, so steigen wir ein. Jetzt aber wollen wir gehen. Es gefällt mir hier nicht.«

Perillo bezahlte das Eis, welches er genossen hatte, und dann entfernten sich die beiden Menschen, welche so leichten Herzens bereit waren, ein Menschenleben zu zerstören, um die Entdeckung eines frühern Verbrechens zu verhüten.

Die Straßen und öffentlichen Lokale waren heute länger belebt als sonst. Der Bewohner von Buenos Ayres ist häuslich gewöhnt und legt sich gewöhnlich zeitig schlafen; heut aber hatte es elf Uhr geschlagen, als der letzte der Gäste das Café de Paris verließ. Der deutsche Lohnkellner erhielt sein Tagessalär und konnte gehen. Draußen vor der Thür blieb er stehen. Es gab noch Passanten in den Straßen. Wenige Laternen brannten, denn im Kalender stand Vollmond. Es war anfangs Dezember, ein schöner, lauer Frühlingsabend.