Das weite Land
Schnitzler, Arthur
Das weite Land
Arthur Schnitzler
Das weite Land
Tragikomödie in fünf Akten
Personen.
Friedrich Hofreiter, Fabrikant.
Genia, seine Frau.
Anna Meinhold-Aigner, Schauspielerin.
Otto, ihr Sohn, Marine-Fähnrich.
Doktor von Aigner, der geschiedene Gatte der Frau Meinhold.
Frau Wahl.
Gustav,
Erna, , ihre Kinder.
Natter, Bankier.
Adele, seine Frau.
Doktor Franz Mauer, Arzt.
Demeter Stanzides, Oberleutnant.
Paul Kreindl.
Albertus Rhon, Schriftsteller.
Marie, seine Frau.
Serknitz.
Doktor Meyer.
Erster,
Zweiter, , Tourist.
Rosenstock, Portier im Hotel am Völser Weiber.
Eine Engländerin.
Eine Französin.
Eine Spanierin.
Penn, Führer.
Die zwei Kinder der Frau Natter.
Die Miss.
Stubenmädchen bei Hofreiter.
Touristen, Hotelgäste, Kellner, Boys usw.
Ort der Handlung: Baden bei Wien; nur im dritten Akt das Hotel am Völser Weiber.
Erster Akt
Veranda der Villa Hofreiter und Garten.
Rechts die Veranda, geräumig, mit Balustrade, die auch beiderseits längs der sechs in den Vorgarten führenden Stufen weiterläuft. Doppeltür von der Veranda zum Gartensalon steht offen. – Vor der Veranda Rasenplatz mit Rosensträuchern in Blüte. – Ein grüner, ziemlich hoher Holzzaun schließt den Garten ein, der Zaun biegt rückwärts im rechten Winkel um und läuft hinter der Villa weiter. Fußweg außen längs des Zauns. Fahrstraße parallel dem Fußweg. Innen, längs des Zauns Buschwerk. Die Gartentüre, links, Mitte, der Veranda gegenüber, steht offen. Rings um den Rasenplatz Bänke: eine vorn dem Zuschauerraum gegenüber, eine der Gartentür gegenüber, eine dritte jenseits des Rasens, also mit der Lehne zum Zuschauerraum. Auf der Veranda ein länglicher Tisch mit sechs Sesseln. In der Ecke hinten hinten Oleanderbaum. Die Veranda ist durch eine rotweiß gestreifte Markise überdeckt. Eine elektrische Lampe auf dem Tisch. Ein Wandarm rechts von der Türe. Auf dem Tisch Teegeschirr. Später Nachmittag, nach einem Gewitterregen. Wiesen und Blätter feucht. Lange Schatten der Gitterstäbe fallen in den Garten.
FRAU GENIA 31 Jahre, einfach-vornehm gekleidet; dunkelgrauer Rock, violette Seidenbluse, sitzt am Tisch der Veranda auf dem Sessel an der Schmalseite, die dem Publikum zugekehrt ist. Sie stellt eben die Teetasse hin, sieht einen Augenblick vor sich hin, steht auf, rückt den Sessel fort, sieht nach hinten über die Balustrade in den Garten, dann geht sie über die Stufen in den Garten hinab, die Hände auf dem Rücken, wie es ihre Gewohnheit ist.
DAS STUBENMÄDCHEN kommt aus dem Gartensalon auf die Veranda mit einer großen Tasse, will das Teegeschirr abräumen, zögert.
GENIA noch auf den Stufen, wendet sich nach ihr um. Servieren Sie nur ab. Der gnädige Herr wird wohl in der Stadt Tee getrunken haben.
Nach einer kleinen Pause, in der sie den Himmel betrachtet.
Übrigens könnten Sie aufziehen.
STUBENMÄDCHEN während sie das Servierbrett hinstellt und die Markise hochzieht. Soll ich der gnädigen Frau nicht was zum Umnehmen bringen? Es ist kühl geworden.
GENIA. Ja. Den weißen Mantel. Sie riecht an einer Rose am Strauch, dann setzt sie ihren Spazierrgang fort, längs der Veranda nach hinten.
STUBENMÄDCHEN hat die Markise ganz aufgezogen, räumt ab und entfernt sich mit dem Teegeschirr.
FRAU WAHL UND ERNA kommen auf der Straße von rückwärts, längs des Zauns und nähern sich dem Eingang.
GENIA weiter gehend längs der Wiese, nähert sich gleichfalls dem Eingang.
FRAU WAHL UND ERNA grüßen schon von draußen durch Kopfnicken.
GENIA winkt leicht mit der Hand, beschleunigt ihre Schritte ein wenig, und trifft am Tor mit beiden zusammen.
FRAU WAHL UND ERNA beide in dunkeln englischen Kostümen mit Jacke bleiben stehn.
FRAU WAHL schlank, beweglich, etwa 45 Jahre, von einer gewissen lässigen, aber sehr bewußten Vornehmheit. Sie näselt ein wenig, spricht ein nicht ganz echtes aristokratisch-wienerisch. Blick und Redeweise bald zu müde, bald zu lebhaft. Während sie spricht, schaut sie meist an ihrem Partner vorbei und erst, wenn sie zu Ende geredet hat, betrachtet sie ihr Gegenüber freundlich-forschend, wie um sich beruhigt zu finden.
ERNA größer als ihre Mutter, schlank, bestimmt und gradheraus bis zur Unbedenklichkeit, ohne vorlaut zu wirken. Fester, unbefangener Blick.
GENIA reicht beiden freundlich die Hand. Wohlbehalten aus der Stadt zurück?
FRAU WAHL.
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