"Die Armbanduhr, ist vor kurzem gereinigt worden, was mir die aufschlußreichsten Fakten nimmt."
"Sie haben recht," antwortete ich. "Sie wurde gereinigt, bevor sie zu mir geschickt wurde." Tief im Innern beschuldigte ich meinen Gefährten, mir eine lahme und leere Entschuldigung anzubieten, nur um seinen Mißerfolg zu verschleiern. Welche Fakten könnte er von einer ungereinigten Armbanduhr erwarten?
"Obwohl unbefriedigend, ist meine Forschung nicht völlig unfruchtbar gewesen," bemerkte er und starrte mit verträumten Augen an die Decke. "Korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege, aber ich nehme an, daß die Armbanduhr Ihrem älteren Bruder gehörte, der sie von Ihrem Vater erbte."
"Was Sie ohne Zweifel dem H. W. auf der Rückseite entnehmen"?
"So ist es. Das W. deutet auf Ihren eigenen Namen hin. Das Datum auf der Armbanduhr ist beinahe fünfzig Jahre her, und die Initialen sind so alt wie die Armbanduhr: deshalb wurde es für die vorige Generation gemacht. Schmuck fällt normalerweise dem ältesten Sohn zu, und es ist sehr wahrscheinlich, daß er den gleichen Namen wie der Vater hat. Ihr Vater ist seit vielen Jahren tot, wenn ich mich recht erinnere. Die Uhr ist deshalb in den Händen Ihres ältesten Bruders gewesen."
"So weit, so gut," sagte ich. "Sonst noch etwas?"
"Er war ein Mann von unordentlichen Angewohnheiten -- sehr unordentlich und nachlässig. Er wurde mit guten Aussichten von der Familie ausgestattet, aber er warf seine Chancen weg. Er lebte einige Zeit in Armut, unterbrochen von kurzen Intervallen von Reichtum. Schließlich starb er an seiner Trunksucht. Das ist alles, was ich zusammenbekommen kann."
Ich sprang von meinem Stuhl und humpelte ungeduldig im Zimmer umher und fühlte eine beträchtliche Bitterkeit im Herzen.
"Dies ist Ihrer unwürdig, Holmes," sagte ich." Ich kann nicht glauben, daß Sie sich so tief sinken lassen. Sie haben sich nach der Geschichte meines unglücklichen Bruders erkundigt, und jetzt Sie geben vor, dieses Wissen auf irgendeine phantasiereiche Weise geschlußfolgert zu haben. Sie können nicht erwarten, daß ich glaube, daß Sie all dieses von seiner alten Armbanduhr abgelesen haben! Es ist unehrlich, und um es deutlich zu sagen, es hat einen Anflug von Scharlatanismus."
"Mein lieber Doktor," sagte er freundlich, " bitte nehmen Sie meine Entschuldigung an. Die Sache als ein abstraktes Problem betrachtend, hatte ich vergessen, wie persönlich und schmerzhaft diese Sache für Sie sein könnte. Ich versichere Ihnen aber, daß ich nicht wußte, daß Sie einen Bruder hatten, bis Sie mir die Armbanduhr gaben."
"Dann, wie um alle Welt, bekamen Sie diese Tatsachen? Sie sind in jeder Beziehung richtig."
"Ah, das war Glück. Ich kann nur sagen, es war das Gleichgewicht der Wahrscheinlichkeit. Ich hatte nicht erwartet, so genau zu sein."
"Aber war es nicht ein bloßes Raten?"
" Nein, nein: Ich rate nie. Es ist eine schockierende Angewohnheit -- zerstörerisch für die logischen Fähigkeiten. Es erscheint Ihnen nur seltsam, weil Sie meinem Gedankengang nicht folgen oder die kleinen Tatsachen beobachten können, von denen große Schlußfolgerungen vielleicht abhängen. Zum Beispiel fing ich an, indem ich angab, daß Ihr Bruder nachlässig war. Wenn Sie den einfachen Teil dieses Uhrgehäuses beobachten, merken Sie, daß er nicht nur an zwei Stellen eingebeult ist. Das Gehäuse ist völlig von der Gewohnheit gezeichnet, zusammen mit anderen harte Gegenständen aufbewahrt zu werden, wie Münzen oder Schlüsseln, die in die gleiche Tasche wandern. Bestimmt ist es keine große Leistung anzunehmen, daß ein Mann ein nachlässiger Mann sein muß, der eine fünfzig-Guinee-Armbanduhr so sorglos behandelt. Auch ist es keine sehr weit hergeholte Schlußfolgerung, daß ein Mann, der einen Artikel solchen Wertes erbt, auch sonst gut ausgestattet ist.
Ich nickte um zu zeigen, daß ich seinem logische Denken folgte.
"Es ist für Pfandleiher in England sehr üblich, die Nummer des Pfandscheins mit einer Nadel in das Gehäuse einzuritzen, wenn sie eine Armbanduhr annehmen.
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