. ja, und dann haben wir uns mit Prunkhorstens zum Essen
bestellt und Otto und Bertha sind bei so was immer so reizend
pünktlich und das verpflichtet uns doch zu Gleichem – tu
doch nicht so, Kurt! (Sie
verschwindet.)
Boll (zögert, für sich): Die Luft hats in sich,
die Luft holts her und die Luft gibts heraus. (Folgt ihr.)
Holtfreter und Grüntal begegnen sich.
Grüntal: Jemine, Onkel
Holtfreter!
Holtfreter: Kuck an, Grüntal,
denk mal, Grüntal!
Grüntal: Und nu – was
nu?
Holtfreter: Ja, was ist dabei zu
machen, Grüntal, laß bloß alles gut sein. Ist die
Grete dir weggelaufen, kommt die Grete auch woll retur, laß
man gut sein! Ja, sie ist bei mir gewesen, ist gekommen und hat
geweint und geweint und
geweint . . . . .
Grüntal: Denn is alles in
Ordnung – kannst gleich mitkommen, Onkel Holtfreter und
daß ich sie bei dir abhol' – müssen nach Parum
zurück, denk bloß, was die Kinder durcheinander
bölken!
Holtfreter: Sieh allein zu, ob du
Grete findest. Als ich wegging, saß sie nicht mehr zu weinen.
Onkel, sagt sie, 11 geh man aus, Onkel, ich will auch ausgehen, sagt
sie – was ist denn diesmal wieder nicht grade in ihr, hat sie
wieder ihre Gedanken? Gedanken, Grüntal, sind Dinge, die du
nicht kennst – kennst du nicht. Ist sie diesmal auch wieder
übers Fleisch zu Gange?
Grüntal: Kannst dich auf
verlassen – nichts als Fleisch is ihr im Wege. Weg mit
Fleisch, sagt sie oft zu den Kindern – Speck und Schinken und
Würste, sagt sie, wollen euch zu Speck und Wurst machen. Seid
ihr Wänste, oder was seid ihr? Und denn so hält sie sich
die Ohren zu und fragt: hörst du nicht, was sie sagen und
meint die Kinder, und wenn ich frage, sagt sie, sei still, laß
sie jammern, laß sie schreien – sollen ihren Willen
haben. So gehts bei uns her, siehst du.
Holtfreter: Ja, das seh ich.
Grüntal: Was, sagt sie –
Fettwerden ist Guttun von aller Art Mastvieh, so gehörts zum
Ehrenwandel der Schweine, aber sind Kinder Schweine? Weg mit
Fleisch, sagt sie, der Paster hat ganz Recht, der sagt das auch, da
kam sie grade aus der Kirche. – – Und nu wollt'
sie ausgehen, warum hast sie nicht eingeschlossen, Onkel
Holtfreter?
Holtfreter (unruhig); Da kommt der Bürgermeister, grad auf
uns los; geh weg, Grüntal, ich muß mit Herr
Bürgermeister reden – Herr Bürgermeister!
Grüntal wartet. Bürgermeister kommt eilig um die Ecke,
grüßt zurück und will weiter.
12
Holtfreter (vertritt ihm gelassen den Weg): Herr
Bürgermeister, das ist doch nicht in Ordnung!
Bürgermeister: Seien Sie nur
zufrieden, Herr . . . Herr . . . sind
Sie nicht Herr Schuhmachermeister Holtfreter? Ich muß zur
Sitzung, Herr Holtfreter.
Holtfreter: . . . gar nicht in
Ordnung, Herr Bürgermeister!
Bürgermeister: Kommen Sie mit,
Herr Holtfreter, wir haben einen Weg, Sie wollen offenbar auf die
Polizei, ich geh ins Rathaus. Haben Sie nicht auch gesehen –
war da nicht eben Herr Gutsbesitzer Boll mit seiner Frau und gingen
zusammen in den Laden? Ich habe ein paar Worte nötig mit ihm
zu reden.
Holtfreter: Boll kauft ein, hat das
Geld und nimmt sich Zeit dazu. Sie nennen ihn hier den blauen
Boll.
Bürgermeister: Ich weiß
– aber . . . .
Holtfreter: Aber wenn er sein Leben
so liebt, wie er es liebt, na, denn muß er es pflegen, solang
er es hat. Wohltun trägt Zinsen und wenn er sich weiter so
wohl tut wie bisher, so verzinst es sich mit 'm Baller, Herr
Bürgermeister, nämlich mit 'm Schlag.
Bürgermeister: Ich kann doch
nicht so lange warten, bis er fertig ist – adjö, Herr
Holtfreter.
Holtfreter (streng): Wenn Herr Bürgermeister keine Zeit
haben, auf Herr Gutsbesitzer Boll zu warten, kann ein Bürger
dieser Stadt natürlich Herr Bürgermeister seine Zeit
weder in ihr rechtes noch in ihr linkes Ohr liegen.
Bürgermeister: Ach, Sie
wollten mir etwas 13 vortragen, Herr Holtfreter, sagen Sie's nur
– was ist es denn?
Grüntal (will sprechen).
Holtfreter: Sei still,
Grüntal, was kann das auch Herr Bürgermeister
kränken, daß dir deine Frau wegläuft. (Zum Bürgermeister) Er ist mein Schwager
nämlich und Schweinehirt von Parum, weiter nichts. –
Herr Bürgermeister, vor drei, vier Tagen kommt ein Herr zu mir
in meine Werkstatt – ich wohne Grünwinkel.
Bürgermeister (gefaßt): Schön – weiter.
Holtfreter: . . . . kommt die
Treppe rauf, wo ich überm Schweinsstall arbeite – rauf,
wie soll ich sagen: gehüpft oder gefedert oder getanzt –
einerlei. Bestellt für seinen rechten Fuß, Klumpfuß,
Herr Bürgermeister, echter Klumpfuß, wonicht
Pferdefuß – bestellt Schuhwerk – bestellt,
läßt den Fuß mitsamt Bein zur Stelle, setzt den Hut
auf und hüpft oder federt oder tanzt die Treppe, wo ich
überm Schweinsstall im Grünwinkel meine Werkstatt hab
– herunter, weg ist er.
Bürgermeister: So ordne ich
hiermit an, daß Sie das Bein unverzüglich im Bureau des
Oberwachtmeisters deponieren.
Holtfreter: Das Bein? Nee, Herr
Bürgermeister, das ist es ja grade, darum laufe ich hier durch
die Straßen und finde keine Ordnung dabei, denn das Bein ist
aus meiner Werkstatt entsprungen wie ein richtiges Tanzbein,
springfedrig, unverschämt lustig, mit einem richtigen
Satanshinterviertel daran – also, daß das Bein
galoppiert und daß Herr Bürgermeister
– – nee, Herr 14 Bürgermeister – es muß eine
Treibjagd vorkommen, sonst ist keine Ordnung darin.
Boll tritt aus dem Laden und
grüßt.
Boll: Paßt es, Herr
Bürgermeister, oder – ich sehe, Sie haben
Geschäfte!
Bürgermeister: Im Augenblick
– gleich, Herr Boll. (Zu
Holtfreter) Ich laß den vorgetragenen Fall untersuchen,
Herr Holtfreter, bestimmt, Sie können ruhig sein.
Grüntal: Komm man, Onkel
Holtfreter, Herr Bürgermeister hat nu genug von unsern
Familiengeschäften.
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