Dahinter war ein großer Schacht, in dem einige Seile herauf und herunter zu laufen schienen. Ein großer Kasten kam von unten herauf, das Gitter wurde zurückgezogen. Jemand sagte: »Bitte aufwärts«, er war in dem Kasten und schwebte wie ein Vogel in die Höhe hinauf.
Oben begegnete er vielen Menschen, die um große Tische voll von Tellern, Vasen, Gläsern, Gefäßen herumstanden oder sich in den Gängen zwischen einer Reihe von Podien bewegten, auf denen wie ein Feld gläserner Blumen schlanke Kristalle, Leuchter oder bunte Lampen aus gemaltem Porzellan prangten. An der Wand, entlang an diesen Kostbarkeiten, lief, um eine kurze Treppe erhöht, eine schmale Galerie hin.
Er wand sich durch die Massen hindurch, er kam über die Treppe auf die Galerie hinauf. Er lehnte sich an das Geländer, unten sah er die Menschen hinströmen, die wie unzählige schwarze Fliegen mit ihren Köpfen, Beinen und Armen in ewiger Bewegung ein ewiges Summen hervorzubringen schienen. Und eingeschläfert von der Monotonie dieser Geräusche, betäubt von der Schwüle des Nachmittags, krank von den Exaltationen dieses Tages schloß er seine Augen.
Er war ein großer weißer Vogel über einem großen einsamen Meer, gewiegt von einer ewigen Helle, hoch im Blauen. Sein Haupt stieß an die weißen Wolken, er war Nachbar der Sonne, die über seinem Haupte den Himmel füllte, eine große goldene Schale, die gewaltig zu dröhnen begann.
Seine Schwingen, weißer als ein Schneemeer, stark, mit Achsen wie Baumstämme klafterten über den Horizont, unten tief in der Flut schienen purpurne Inseln zu schwimmen, großen rosigen Muscheln gleich. Ein unendlicher Friede, eine ewige Ruhe zitterte unter diesem ewigen Himmel.
Er wußte nicht, flog er so schnell, oder wurde das Meer unter ihm fortgezogen. Das war also das Meer.
Wenn er das den andern erzählen würde in der Anstalt, heute abend in den Schlafsälen, die würden schön neidisch sein. Darüber freute er sich eigentlich am meisten. Aber dem Doktor wollte er lieber gar nichts erzählen, der würde wieder sagen: »So, so.« Aber der glaubte doch nichts. Das war so ein Halunke. Wenn er auch immer sagte, er glaubte alles.
Unten im Meere schwamm ein großer weißer Kahn mit langsamen Segeln. »Wie einer aus dem Humboldthafen«, dachte er, »aber größer.«
Teufel, was war es doch schön, ein Vogel zu sein. Warum war er nicht schon lange ein Vogel geworden, Und er rollte seine Arme in der Luft herum.
Unter ihm wurden ein paar Frauen auf ihn aufmerksam. Sie lachten. Andere kamen, es entstand ein Gedränge, Ladenmädchen rannten nach dem Geschäftsführer.
Er stieg auf die Brüstung, richtete sich auf und schien oben über der Menge zu schweben.
Unter ihm in dem Ozean war ein riesiges Licht. Er mußte jetzt herabtauchen, jetzt war es Zeit, auf das Meer zu sinken.
Aber da war etwas Schwarzes, etwas Feindliches, das störte ihn, das wollte ihn nicht hinunterlassen. Aber er wird das schon kriegen, er ist ja so stark.
Und er holt aus und springt von der Balustrade mitten in die japanischen Gläser, in die chinesischen Lackmalereien, in die Kristalle von Tiffany. Da ist das Schwarze, da ist das, – und er reißt ein Ladenmädchen zu sich herauf, legt ihr die Hände um die Kehle und drückt zu.
Und die Menge flieht durch die Gänge, stürzt die Treppen übereinander herab, gellendes Geschrei erfüllt das ganze Haus. »Feuer, Feuer«, wird geschrien. In einem Augenblicke ist die ganze Etage leer. Nur ein paar kleine Kinder liegen vor der Treppentür, totgetreten oder erdrückt.
Er kniet auf seinem Opfer und drückt es langsam zu Tode.
Um ihn herum ist das große goldene Meer, das seine Wogen zu beiden Seiten wie gewaltige schimmernde Dächer türmt. Er reitet auf einem schwarzen Fisch, er umarmt seinen Kopf mit den Armen. Ist der aber dick, denkt er. Tief unter ihm sieht er in der grünen Tiefe, verloren in ein paar zitternden Sonnenstrahlen, grüne Schlösser, grüne Gärten in einer ewigen Tiefe. Wie weit mögen die sein, Wenn er doch einmal da hinunter könnte, dort unten.
Die Schlösser rücken immer tiefer, die Gärten scheinen immer tiefer zu sinken.
Er weint, er wird ja niemals dahinkommen. Er ist nur ein armes Aas. Und der Fisch unter ihm wird auch frech, der zappelt noch, dem Biest wird er es schon besorgen, und er drückt ihm den Hals ab.
Hinter der Tür erschien ein Mann, legte ein Gewehr an die Backe, zielte. Der Schuß traf den Wahnsinnigen in den Hinterkopf.
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