Er sah eine Wiese vor sich, darüber einen waldbedeckten Hügel, darüber die untergehende Sonne; die Erde war gebogen wie der Rücken eines Riesen. In seiner Kehle juckte es.

Er setzte sich hin und schrieb auf ein Blatt, das er aus einem der Schulhefte gerissen hatte: »Es geht vieles vor, ich denke viel über alles nach. Gräßlich, daß ich Dich nicht mal kenne. Wo bist Du eigentlich? Es kann sein, daß ich mich eines Tages auf die Eisenbahn setze und zu Dir hinfahre. In den Ferien vielleicht. Du lachst vielleicht über den Schulbubenplan. Natürlich, wenn ich von dem Vorsatz was verlauten ließe, wär's aus. Warum? frag ich. Es sind überhaupt eine Menge Fragen zu beantworten. Ein Mensch in meinem Alter ist wie an Händen und Füßen mit Stricken gebunden. Wer weiß, wenn die Stricke mal zerschnitten werden, ist man am Ende schon lahm und zahm! Das ist wohl der Zweck. Zahm soll man werden. Haben sie Dich auch zahm gemacht? Kannst Du mir nicht sagen, was ich tun soll, damit wir uns sehen können? Ich tue, was Du willst, nur muß es geheim bleiben. Du verstehst. Er erfährt immer alles. Dieser Brief muß unbedingt geheim bleiben. Ich werde ja älter mit der Zeit. Es ist aber zum Verzweifeln, wie langsam es geht. Es wird ihnen nicht gelingen, mit dem Zahmmachen. Weißt Du, wie ich den Brief im Vorzimmer sah, war's, als hätte der Blitz in mein Hirn eingeschlagen. Gern möcht ich wissen, was da los ist. Du verstehst mich schon. Ich habe das Gefühl, daß man Dir ein Unrecht zugefügt hat. Stimmt das? Ich muß Dir überhaupt sagen, was man so tagtäglich von Ungerechtigkeiten hört, ist ganz schauderhaft. Du mußt wissen, daß mir Ungerechtigkeit das Allerentsetzlichste auf der Welt ist. Ich kann Dir gar nicht schildern, wie mir zumut ist, wenn ich Ungerechtigkeit erlebe, an mir oder an andern, ganz gleich. Es geht mir durch und durch. Leib und Seele tun mir weh, es ist, als hätte man mir den Mund voll Sand geschüttet und ich müßte auf der Stelle ersticken . . .«

Er hielt inne.