Seine Unpünktlichkeit und Zerfahrenheit hatten in der letzten Zeit vielfachen Grund zur Klage gegeben. Man hatte es Etzel angedeutet. Es hatte keinen Eindruck auf ihn gemacht.

»Schade«, sagte Dr. Raff, während er mit Thielemann im Schulkorridor auf und ab ging. »Ich würde ungern zu Maßregeln greifen. Ich liebe nicht Maßregeln. Was ist los mit ihm? Wissen Sie es nicht?«

Thielemanns Kinn stieß wie ein Schnabel über den verbogenen Stehkragen vor. Die Erkundigung schmeichelte ihm; daß er keine Erklärung geben konnte, ärgerte ihn. Etzel wich ihm seit ungefähr einer Woche ebenso aus wie allen Mitschülern. Er gestand es nur zögernd. »Ich dränge mich nicht auf«, bellte er, »meinetwegen tut er, was er will. Vielleicht bin ich ihm nicht vornehm genug, und er hat zu Hause entsprechenden Befehl gekriegt.«

»Pfui, Thielemann«, sagte Camill Raff.

Der schlaksige Junge fuhr mit allen zehn Fingern durch seinen roten Schopf. Seine zänkische Geringschätzung sollte nur seine Verletztheit bemänteln. »Möglicherweise hat sein alter Herr Wind bekommen, daß ich politisch, na, wie sag ich nur schnell, nicht ganz zimmerrein bin. Das heißt, für die Nase des Herrn Barons.«

Dr. Raff unterdrückte ein ironisches Lächeln. Du guter Gott, unsere Marats und Saint-Justs! dachte er. »Es tut mir recht leid«, beteuerte er wieder in seiner alemannischen Dialektfärbung, »recht leid. Ich dachte, er hätte ein bißchen Vertrauen zu mir. Er war immer sehr freimütig gegen mich. Das hat sich geändert. Man müßte zu erfahren suchen, warum. Vielleicht holen Sie ihn bei Gelegenheit ein wenig aus. Nur keinen Trotz, Thielemann. Momentan sind Sie in der besseren Position, weil er im Unrecht ist. Halten Sie ihm den Weg offen.« Er nickte Thielemann zu und entfernte sich. Von hinten sah er aus, als ob er selbst noch Schüler wäre, klein, schlank, geschmeidig. Thielemann schaute ihm verdrießlich nach. Keinen Trotz, das gibt er gut, knurrte er vor sich hin, soll ich mich ihm etwa an den Hals werfen; Ihn kniefällig bitten, daß ich zu ihm kommen darf? Da kann er lang warten, er mitsamt seinem Andergast, an dem er scheint's einen Narren gefressen hat.

Es gibt in diesem Lebensalter unverrückbare Konventionen des Verkehrs. Sie werden um so strenger eingehalten, als sie sich ohne Worte und Abmachungen gebildet haben.