»Eine höhere Gewalt verfolgt mich. Allwissenheit schwebt um mich. Ein unsichtbares Wesen, dem ich nicht entfliehen kann, bewacht alle meine Schritte. Ich muß den Armenier aufsuchen und muß Licht von ihm haben.«

Die Sonne neigte sich zum Untergang, als wir vor dem Lusthause ankamen, wo das Abendessen serviert war. Der Name des Prinzen hatte unsere Gesellschaft bis zu sechzehn Personen vergrößert. Außer den oben erwähnten waren noch ein Virtuose aus Rom, einige Schweizer und ein Avantürier aus Palermo, der Uniform trug und sich für einen Kapitän ausgab, zu uns gestoßen. Es ward beschlossen, den ganzen Abend hier zuzubringen und mit Fackeln nach Hause zu fahren. Die Unterhaltung bei Tische war sehr lebhaft, und der Prinz konnte nicht umhin, die Begebenheit mit dem Schlüssel zu erzählen, welche eine allgemeine Verwunderung erregte. Es wurde heftig über diese Materie gestritten. Die meisten aus der Gesellschaft behaupteten dreist weg, daß alle diese geheimen Künste auf eine Taschenspielerei hinausliefen; der Abbé, der schon viel Wein bei sich hatte, forderte das ganze Geisterreich in die Schranken heraus; der Engländer sagte Blasphemien; der Musikus machte das Kreuz vor dem Teufel. Wenige, worunter der Prinz war, hielten dafür, daß man sein Urteil über diese Dinge zurückhalten müsse; während dessen unterhielt sich der russische Offizier mit den Frauenzimmern und schien das ganze Gespräch nicht zu achten. In der Hitze des Streits hatte man nicht bemerkt, daß der Sizilianer hinausgegangen war. Nach Verfluß einer kleinen halben Stunde kam er wieder, in einen Mantel gehüllt, und stellte sich hinter den Stuhl des Franzosen. »Sie haben vorhin die Bravour geäußert, es mit allen Geistern aufzunehmen – wollen Sie es mit einem versuchen?«

»Topp!« sagte der Abbé – »wenn Sie es auf sich nehmen wollen, mir einen herbei zu schaffen.«

»Das will ich,« antwortete der Sizilianer (indem er sich gegen uns kehrte), »wenn diese Herren und Damen uns werden verlassen haben.«

»Warum das?« rief der Engländer. »Ein herzhafter Geist fürchtet sich vor keiner lustigen Gesellschaft.«

»Ich stehe nicht für den Ausgang,« sagte der Sizilianer.

»Um des Himmels willen! Nein!« schrien die Frauenzimmer an dem Tische und fuhren erschrocken von ihren Stühlen.

»Lassen Sie ihren Geist kommen,« sagte der Abbé trotzig; »aber warnen Sie ihn vorher, daß es hier spitzige Klingen gibt« (indem er einen von den Gästen um seinen Degen bat).

»Das mögen Sie alsdann halten, wie Sie wollen,« antwortete der Sizilianer kalt, »wenn Sie nachher noch Lust dazu haben.« Hier kehrte er sich zum Prinzen. »Gnädigster Herr,« sagte er zu diesem, »Sie behaupten, daß Ihr Schlüssel in fremden Händen gewesen. – Können Sie vermuten, in welchen?«

»Nein.«

»Raten Sie auch auf niemand?«

»Ich hatte freilich einen Gedanken – –«

»Würden Sie die Person erkennen, wenn Sie sie vor sich sähen?«

»Ohne Zweifel.«

Hier schlug der Sizilianer seinen Mantel zurück und zog einen Spiegel hervor, den er dem Prinzen vor die Augen hielt.

»Ist es diese?«

Der Prinz trat mit Schrecken zurück.

»Was haben Sie gesehen?« fragte ich.

»Den Armenier.«

Der Sizilianer verbarg seinen Spiegel wieder unter dem Mantel. »War es dieselbe Person, die Sie meinen?« fragte die ganze Gesellschaft den Prinzen.

»Die nämliche.«

Hier veränderte sich jedes Gesicht, man hörte auf zu lachen. Alle Augen hingen neugierig an dem Sizilianer.

»Monsieur l'Abbé, das Ding wird ernsthaft,« sagte der Engländer; »ich riet Ihnen, auf den Rückzug zu denken.«

»Der Kerl hat den Teufel im Leibe,« schrie der Franzose und lief aus dem Hause, die Frauenzimmer stürzten mit Geschrei aus dem Saal, der Virtuose folgte ihnen, der deutsche Domherr schnarchte in einem Sessel, der Russe blieb wie bisher gleichgültig sitzen.

»Sie wollten vielleicht nur einen Großsprecher zum Gelächter machen,« fing der Prinz wieder an, nachdem jene hinaus waren – »oder hätten Sie wohl Lust, uns Wort zu halten?«

»Es ist wahr,« sagte der Sizilianer. »Mit dem Abbé war es mein Ernst nicht, ich tat ihm den Antrag nur, weil ich wohl wußte, daß die Memme mich nicht beim Wort nehmen würde. – Die Sache selbst ist übrigens zu ernsthaft, um bloß einen Scherz damit auszuführen.«

»Sie räumen also doch ein, daß sie in Ihrer Gewalt ist?«

Der Magier schwieg eine lange Zeit und schien den Prinzen sorgfältig mit den Augen zu prüfen.

»Ja,« antwortete er endlich.

Die Neugierde des Prinzen war bereits auf den höchsten Grad gespannt. Mit der Geisterwelt in Verbindung zu stehen, war ehedem seine Lieblingsschwärmerei gewesen, und seit jener ersten Erscheinung des Armeniers hatten sich alle Ideen wieder bei ihm gemeldet, die seine reifere Vernunft so lange abgewiesen hatte. Er ging mit dem Sizilianer beiseite, und ich hörte ihn sehr angelegentlich mit ihm unterhandeln.

»Sie haben hier einen Mann vor sich,« fuhr er fort, »der von Ungeduld brennt, in dieser wichtigen Materie es zu einer Überzeugung zu bringen. Ich würde denjenigen als meinen Wohltäter, als meinen ersten Freund umarmen, der hier meine Zweifel zerstreute und die Decke von meinen Augen zöge – Wollen Sie sich dieses große Verdienst um mich erwerben?«

»Was verlangen Sie von mir?« sagte der Magier mit Bedenken.

»Vor jetzt nur eine Probe Ihrer Kunst. Lassen Sie mich eine Erscheinung sehen.«

»Wozu soll das führen?«

»Dann mögen Sie aus meiner nähern Bekanntschaft urteilen, ob ich eines höhern Unterrichts wert bin.«

»Ich schätze Sie über alles, gnädigster Prinz. Eine geheime Gewalt in Ihrem Angesichte, die Sie selbst noch nicht kennen, hat mich beim ersten Anblick an Sie gebunden. Sie sind mächtiger, als Sie selbst wissen. Sie haben unumschränkt über meine ganze Gewalt zu gebieten – aber –«

»Also lassen Sie mich eine Erscheinung sehen.«

»Aber ich muß erst gewiß sein, daß Sie diese Forderung nicht aus Neugierde an mich machen. Wenn gleich die unsichtbaren Kräfte mir einigermaßen zu Willen sind, so ist es unter der heiligen Bedingung, daß ich die heiligen Geheimnisse nicht profaniere, daß ich meine Gewalt nicht mißbrauche.«

»Meine Absichten sind die reinsten. Ich will Wahrheit.«

Hier verließen sie ihren Platz und traten zu einem entfernten Fenster, wo ich sie nicht weiter hören konnte.