„Nieder mit dem Kanzler von G. Geniève! – Ho! He! Meister Joachim Ladehors! Ho! He! Louis Dahuille! Lambert Hoctement! – Der Teufel erwürge den Prokurator der deutschen Nation! – und die Kapläne der Sainte-Chapelle mit ihren grauen Pelzen! – Seu de pellibus grisis furratis!* – Hallo! He! Die Meister in den Künsten! Alle schönen schwarzen und alle schönen roten Kappen! – Der Rektor hat an ihnen einen schönen Schweif. – Jehan, die Kanonici von S. Genoveva!“ –
* Lateinisch: Oder in ihren grauen Pelzmänteln.
„Wie glücklich sind doch jene, alles zu sehen“, sagte seufzend Johannes de Molendino, noch immer auf dem Kapitäl sitzend.
Endlich neigte sich der geschworene Buchhändler der Universität, Meister Andry Musnier, zum Ohre des Kürschners der Kleider des Königs mit den Worten:
„Ich sage Euch, Herr, das Ende der Welt ist nahe. Man sah nie solche Ausgelassenheit der Studenden. Die verfluchten Erfindungen des Jahrhunderts richten alles zugrunde, die Kanonen, Serpentinen, Bombarden und vor allem die Buchdruckerkunst, diese andere Pest aus Deutschland. Keine Manuskripte! Keine Bücher! Der Druck tötet den Buchhandel! Das Ende der Welt ist nah.“
„Das sehe ich auch am Absatz der Sammetstoffe“, sagte der Kürschner.
In dem Augenblick schlug die Glocke zwölf Uhr. Die ganze Masse stieß mit einer Stimme ein „Ah“ aus. Die Studenten schwiegen. Plötzlich entstand eine große Umwandlung, eine große Bewegung der Hände und Füße, ein allgemeines Donnern von Schnupfen und Husten, alles stellte sich zurecht, reckte, richtete und gruppierte sich. Dann herrschte tiefes Schweigen, alle Hälse blieben ausgestreckt, jeder Mund stand offen, alle Blicke wurden zur Marmortafel gerichtet – nichts erschien. Die vier Sergeanten des Bailli standen starr, unbeweglich, wie vier mit Farbe bestrichene Statuen, da. Alle Augen richteten sich hierauf zu der den flamländischen Gesandten zurückbehaltenen Estrade. Die Tür blieb verschlossen. Die Estrade leer. Seit dem Morgen erwartete die Volksmenge drei Dinge, den Mittag, die flamländische Gesandtschaft, das Mysterium. Nur der Mittag hatte sich pünktlich eingestellt.
Das war zuviel auf einmal. Man wartete eine, zwei, drei, vier, fünf Minuten, eine Viertelstunde. Nichts kam zum Vorschein. Der Ungeduld folgte Zorn. Heftige Reden gingen herum, allerdings nur mit leiser Stimme. – „Das Mysterium, das Mysterium!“ murmelte man dumpf. Die Köpfe gerieten in Gärung. – Ein Sturm, der freilich nur dumpf brüllte, schwebte über der Volksmasse. Jehan de Moulin schlug die ersten Funken.
„Das Mysterium! Zum Teufel mit den Flamländern!“ rief er mit aller Kraft seiner Lungen, indem er sich wie eine Schlange um das Kapitäl wand.
Das Volk klatschte mit den Händen. „Das Mysterium!“ rief es ihm nach, „und Flandern hole der Teufel!“
„Das Mysterium! Zum Teufel mit den Flamländern“, schrie er aufs neue, „oder mir scheint es zweckmäßig, zum Ersatz und anstatt der Komödie und Moralität den Bailli des Palais zu hängen.“ –
„Schön gesagt“, schrie das Volk, „beginnen wir das Hängen mit den Sergeanten!“
Es folgte ein lauter Zuruf. Die vier armen Teufel wurden blaß und sahen einander an. Die Volksmenge setzte sich gegen sie in Bewegung, und sie sahen schon, wie das gebrechliche hölzerne Geländer, das sie von ihr trennte, sich bog und unter dem Druck der Masse zu brechen schien.
Der Augenblick war kritisch. „Nieder mit ihnen! Nieder mit ihnen!“ rief man von allen Seiten.
In dem Augenblick erhob sich der Vorhang des Ankleidezimmers, das wir oben beschrieben haben, eine Person trat hervor, deren Anblick allein plötzlich die Menge aufhielt und wie durch einen Zauber ihren Zorn in Neugier verwandelte.
„Still! – Still!“ –
Die Person trat, an allen Gliedern zitternd und ohne das geringste Zeichen von Gemütsruhe, mit vielen Verbeugungen, die, je mehr sie vortrat, desto mehr Kniebeugungen glichen, bis an den Rand der Marmortafel. Unterdes hatte die Ruhe sich allmählich wieder eingefunden.
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