„Ich bitt Euch nur: tausend Pariser Livres für eine Messe! Und noch obendrein auf den Pacht der Halle der Seefische in Paris.“

„Still, Alte!“ beschwichtigte ein dicker gewichtiger Mann, der an der Seite einer Fischverkäuferin sich die Nase zuhielt. „Das war ganz in der Ordnung, die Messe zu stiften. Oder wollt Ihr, daß der König in seine Krankheit zurückfallen sollte?“

„Brav gesprochen, Meister Gilles Lecornu, königlicher Hofkürschner“, schrie der kleine Student, der sich am Kapitäl angeklammert hielt. Ein lautes Gelächter aller Studenten bewillkommnete den verdrießlichen Namen des armen Kürschners der Röcke des Königs.

„Lecornu! (Der Gehörnte.) Gilles Lecornu!“ riefen die einen. – „Cornutus et hirsutus!“* sagte ein anderer. – „Ja gewiß!“ begann der kleine Teufel des Kapitäls aufs neue. „Was lacht ihr? Das ist der ehrsame Mann Gilles Lecornu, Prévot vom Hotel des Königs, Sohn des Meisters Mahiet Lecornu, ersten Hüters des Waldes Vincennes, sämtlich Bürger von Paris, sämtlich vom Vater bis auf den Sohn verheiratet.“

* Lateinisch: Der Gehörnte und der Struppige

Das Gelächter ward verdoppelt. Ohne ein Wort zu erwidern, bemühte sich der dicke Kürschner, sich den von allen Seiten auf ihn gerichteten Blicken zu entziehen; allein er schwitzte und schnaubte vergeblich; er glich einem Keil, der ins Holz getrieben wird; alle seine Bemühungen befestigten nur um so mehr sein breites, apoplektisches, von Ärger und Zorn glühendes Gesicht zwischen den Schultern seiner Nachbarn. Endlich kam einer von diesen, ebenso dick, kurz und ehrwürdig wie er selbst, ihm zu Hilfe.

„Verflucht! Studenten sprechen so unverschämt mit Bürgern! Zu meiner Zeit hätte man sie mit Knütteln geprügelt und dann auf den Prügeln verbrannt!“

Der ganze Haufe brach in Gelächter aus.

„Holla! He! Wer plärrt dieses Lied? Wer ist der Uhu des Unheils? – Wart, ich erkenne dich! Du bist Meister Andry Musnier. – Weil er einer von den vier geschworenen Buchhändlern der Universität ist. – In seiner Bude ist überall die Zahl vier. Vier Nationen, vier Fakultäten, vier Feste, vier Prokuratoren, vier Wähler, vier Buchhändler. – Ja, ja“, fiel Jehan Frollo ein, „wir müssen Ihnen vier Teufel auf den Hals schicken. Musnier, wir verbrennen deine Bücher, – Musnier, wir prügeln deinen Bedienten, – Musnier, wir zerzausen deine Frau – die gute dicke Oudarde – die so frisch und munter ist, als wäre sie schon Witwe.“

„Der Teufel mag Euch holen“, brummte Meister Andry Musnier.

„Meister Andry, schweig“, fiel Jehan ein, der noch immer auf dem Kapitäl hing, „oder ich falle dir auf den Kopf.“

Meister Andry schlug die Augen auf, schien einen Augenblick lang die Höhe des Pfeilers und die Schwere des Schelms zu messen, multiplizierte diese Schwere mit dem Quadrat ihrer Geschwindigkeit und schwieg.

Jehan fuhr triumphierend fort, als Herr des Schlachtfeldes: „Ja, ja, das tu ich, ob ich auch der Bruder eines Archidiakonus bin.“

„Schöne Herren, unsere Oberen in der Universität! Sie machen nicht einmal an einem Tage, wie heute, unsre Privilegien geltend! Maibaum und Freudenfeuer in der Stadt, Mysterien, Narrenpapst und flamländische Gesandte in der Altstadt, in der Universität nichts!“

„Der Platz Maubert ist ja groß genug“, bemerkte einer der Schreiber, über das Fensterbrett gebeugt. – „Nieder mit dem Rektor, den Wählern und Prokuratoren!“ rief Johannes. – „Heute abend“, fiel ein anderer ein, „muß man auf dem Champ-Gaillard von den Büchern des Meisters Andry ein Freudenfeuer machen! – und mit den Pulten der Schreiber! – und mit den Stäben der Pedelle! – und mit den Spucknäpfen der Dekane – und mit den Schränken der Prokuratoren – und mit den Backtrögen der Wähler! – und den Fußschemeln des Rektors!“

„Nieder mit ihnen!“ begann der kleine Jehan aufs neue kreischend, „nieder mit Meister Andry! Nieder mit den Pedellen und Schreibern, Theologen, Ärzten und Dekretisten! Nieder mit den Prokuratoren, Wählern und dem Rektor!“

„Das Ende der Welt ist nah“, brummte Meister Andry, sich die Ohren verstopfend. – „Beiläufig gesagt, da kommt der Rektor über den Platz“, rief einer von denen, die am Fenster saßen.

Alle wandten sich dem Platze zu. – „Ist es wahrhaftig unser ehrwürdiger Rektor, Meister Thibaut?“ fragte Jehan Frollo de Moulin, der, an einen Pfeiler im Innern geklammert, nicht sehen konnte, was außerhalb vorging.

„Ja, ja“, erwiderten alle andern, „er ist’s, Meister Thibaut, der Rektor.“ Wirklich war es der Rektor mit allen Würdenträgern der Universität, die in Prozession der Gesandtschaft entgegengingen und in dem Augenblick über den Platz des Palais kamen. Die in das Fenster gedrängten Studenten empfingen sie im Vorbeigehen mit Spott und ironischem Beifallgeklatsch. Der Rektor, der an der Spitze marschierte, erhielt die erste Lage. Sie war heftig. „Guten Tag, Herr Rektor! Hallo! He! Guten Tag! – Der alte Spieler, wie kommt’s, daß er hier ist! Er hat seine Würfel verlassen können! – Wie er auf dem Maultier trottet! Dies hat nicht so große Ohren, wie er selbst. – Hallo! He! Guten Tag, Herr Rektor! Tybalde aleator! Alter Pinsel! Alter Pinsel! Gott schütze dich hast du oft gestern nacht die doppelte Sechs geworfen? – Wohin, Thibaut? Was drehst du der Universität den Rücken und trottest zur Stadt?“ – „Gewiß sucht er eine Wohnung in der Straße Thibautodé!“ rief Jehan de Moulin. Die ganze Bande wiederholte den Witz mit Donnerstimme und wütendem Händeklatschen.

Dann kam die Reihe an die übrigen Würdenträger. „Nieder mit den Pedellen, nieder mit den Stabträgern! – Sage doch, Robin Poussepain, wer ist doch der da? – Gilbert de Suilly, Gilbertus de Soliaco, Kanzler des Kollegiums von Autun. – Hier ist mein Schuh; du hast einen besseren Platz, als ich, schmeiß ihn dem da an den Kopf. – Nieder mit den sechs Theologen und ihren weißen Oberkleidern! – Das sind Theologen? „Ich dachte, es wären sechs weiße Gänse! – Nieder mit den Ärzten! – Nieder mit den Kardinal- und Quodlibetar-Disputationen! – Da! Ein Kopfputz von mir, Kanzler von G. Geniève; du hast mir unrecht getan. – Ja, ja. Er gab meine Stelle in der Normandie dem kleinen Ascanio Falzaspada, der zur Provinz Bourges gehört, weil er Italiener ist.“ – „Das ist nicht recht!“ riefen alle Studenten.