Seine gewöhnliche Weise war, ein Geschäft anzufangen, und dann die Maßregeln von seiner Laune oder vom Zufall zu nehmen. So pflegten die witzigen Schriftsteller seiner Zeit ihre Bücher zu machen.
Er hatte ein paar vortreffliche Männer in seinem Divan. Er kannte und ehrte ihre Klugheit, ihre Einsichten, ihre Redlichkeit; aber zum Unglück konnte er ihre Miene nicht leiden. Sie besaßen eine gründliche Kenntnis der Regierungskunst und des Staats; aber sie hatten wenig Geschmack; sie konnten nicht scherzen; sie waren zu nichts als zu ernsthaften Geschäften zu gebrauchen, und Schach-Gebal liebte keine ernsthaften Geschäfte. Warum hatten die ehrlichen Männer die Gabe nicht, der Weisheit ein lachendes Ansehen zu geben? – Oder konnten sie sich nur nicht entschließen, ihr zuweilen die Schellenkappe aufzusetzen? Desto schlimmer für sie und den Staat! Schach-Gebal unternahm zwar selten etwas ohne ihren Rat; aber er folgte ihm während seiner ganzen Regierung nur zweimal, und beide Mal – da es zu spät war.
Es war eine seiner Lieblingsgrillen, daß er durch sich selbst regieren wollte. Die Könige, welche sich durch einen Minister, einen Verschnittenen, einen Derwischen, oder eine Mätresse regieren ließen, waren der tägliche Gegenstand seiner Spöttereien. Gleichwohl versichern uns die geheimen Nachrichten dieser Zeit, daß sein erster Iman, und eine gewisse schwarzaugige Tschirkassierin, die ihm unentbehrlich geworden war, alles was sie gewollt aus ihm gemacht hätten. Wir würden es für Verleumdungen halten, wenn wir seine Regierung nicht mit Handlungen bezeichnet sähen, wovon der Entwurf nur in der Zirbeldrüse eines Imans oder in der Phantasie einer schwarzaugigen Tschirkassierin entstehen konnte.
Schach-Gebal war kein kriegerischer Fürst: aber er sah seine Leibwache gern schön geputzt, hörte seine Emirn gern von Feldzügen und Belagerungen reden, und las die Oden nicht ungern, worin ihn seine Poeten über die Cyrus und Alexander erhoben, wenn er bei Gelegenheit eine Festung ihrem Kommendanten abgekauft, oder seine Truppen einen zweideutigen Sieg über Feinde, die noch feiger, oder noch schlechter angeführt waren als sie selbst, erhalten hatten. Es war eine von seinen großen Maximen: ein guter Fürst müsse Frieden halten, solange die Ehre seiner Krone nicht schlechterdings erfodere, daß er die Waffen ergreife. Aber das half seinen Untertanen wenig: er hatte nichts desto weniger immer Krieg. Denn der Mann im Monde hätte mit dem Mann im Polarstern in einen Zwist geraten können; Schach-Gebal mit Hülfe seines Itimadulet4 würde Mittel gefunden haben, die Ehre seiner Krone dabei betroffen zu glauben.
Niemals hat ein Fürst mehr weggeschenkt als Gebal. Aber da er sich die Mühe nicht nehmen wollte, zu untersuchen, oder nur eine Minute lang zu überlegen, wer an seine Wohltaten das meiste Recht haben möchte: so fielen sie immer auf diejenigen, die zunächst um ihn waren, und zum Unglück konnten sie gemeiniglich nicht schlechter fallen.
Überhaupt liebte er den Aufwand. Sein Hof war unstreitig der prächtigste in Asien. Er hatte die besten Tänzerinnen, die besten Gaukler, die besten Jagdpferde, die besten Köche, die witzigsten Hofnarren, die schönsten Pagen und Sklavinnen, die größten Trabanten und die kleinsten Zwerge, die jemals ein Sultan gehabt hat; und seine Akademie der Wissenschaften war unter allen diejenige, worin man die sinnreichsten Antrittsreden und die höflichsten Danksagungen hielt. Es gehörte ohne Zweifel zu seinen rühmlichen Eigenschaften, daß er alle schöne Künste liebte; aber es ist auch nicht zu leugnen, daß er dieser Neigung mehr nachhing als mit dem Besten seines Reiches bestehen konnte. Man will ausgerechnet haben, daß er eine seiner schönsten Provinzen zur Einöde gemacht, um eine gewisse Wildnis, welche allen Anstrengungen der Kunst Trotz zu bieten schien, in eine bezauberte Gegend zu verwandeln, und daß es ihm wenigstens hunderttausend Menschen gekostet habe, um seine Gärten mit Statuen zu bevölkern. Berge wurden versetzt, Flüsse abgeleitet, und unzählige Hände von nützlichern Arbeiten weggenommen, um einen Plan auszuführen, wobei die Natur nicht zu Rate gezogen worden war. Die Fremden, welche dieses Wunder der Welt anzuschauen kamen, reiseten durch übel angebaute und entvölkerte Provinzen, durch Städte, deren Mauern einzufallen drohten, auf deren Gassen Gerippe von Pferden graseten, und worin die Wohnungen den Ruinen einer ehmaligen Stadt, und die Einwohner Gespenstern glichen, die in diesen verödeten Gemäuern spükten. Aber wie angenehm wurden diese Fremden auf einmal von dem Anblicke der künstlichen Schöpfungen überrascht, welche Schach-Gebal, seinem Stolz und den schönen Augen seiner Tschirkassierin zu Gefallen, wie aus nichts hatte hervor gehen heißen! Ganze Gegenden, durch welche sie gekommen waren, lagen verödet; aber hier glaubten sie, in einem entzückenden Traum, in die Zaubergärten der Peris versetzt zu sein. Man konnte nichts Schlechteres sehen als die Landstraßen, auf denen sie oft ihr Leben hatten wagen müssen; aber wie reichlich wurde ihnen dieses Ungemach ersetzt! Die Wege zu seinem Lustschlosse waren mit kleinen bunten Steinen eingelegt.
Bei allem diesem sprach Schach-Gebal gern von Ökonomie; und die beste unter allen möglichen Einrichtungen des Finanzwesens war eine Sache, worüber er seine ganze Regierung durch raffinierte, und die ihm wirklich mehr kostete, als wenn er den Stein der Weisen gesucht hätte. Eine neue Spekulation war der kürzeste Weg sich bei ihm in Gnade zu setzen; auch bekam er deren binnen wenig Jahren so viele, daß sie schichtenweise in seinem Kabinett aufgetürmt lagen, wo er sich zuweilen die Zeit vertrieb, die Titel und die Vorberichte davon zu überlesen. Alle Jahre wurde ein neues System eingeführt, oder doch irgend eine nützliche Veränderung gemacht (das ist, eine Veränderung, die wenigstens einigen, welche die Hand dabei hatten, nützlich war), und die Früchte davon zeigten sich augenscheinlich. Kein Monarch in der Welt hatte mehr Einkünfte auf dem Papier und weniger Geld in der Kasse. Dies kann, unter gewissen Bedingungen, das Meisterstück einer weisen Administration sein: aber in Schach-Gebals seiner war es wohl ein Fehler; denn der größte Teil seiner Untertanen befand sich nicht desto besser dabei. Indessen war er nicht dazu aufgelegt, durch seine Fehler klüger zu werden; denn er betrog sich immer in den Ursachen. Der erste, der mit einem neuen Projekt aufzog, beredete ihn er wisse es besser als seine Vorgänger; und so nahm das Übel immer zu, ohne daß Gebal jemals dazu gelangen konnte die Quelle davon zu entdecken.
Wenn man diese Züge des Charakters und der Regierung des Sultans Gebal zusammen nimmt, so könnte man auf die Gedanken geraten, das Glück seiner Untertanen müsse, im ganzen betrachtet, nur sehr mittelmäßig gewesen sein. In der Tat ist dies auch das gelindeste, was man davon sagen kann. Allein seine Untertanen wurden mehr als zu sehr dadurch gerochen, daß ihr Sultan bei aller seiner Herrlichkeit nicht glücklicher war als der unzufriedenste unter ihnen.
Diese Erfahrung war für ihn ein Problem, worüber er oft in tiefes Nachsinnen geriet, ohne jemals die Auflösung davon finden zu können. Auf dem Wege, wo er sie suchte, hätte er sie ewig vergebens suchen mögen. Denn der Einfall, sie in sich selbst zu suchen, war gerade der einzige, der ihm unter allen möglichen nie zu Sinne kam.
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