Unter anderem habe ich eben diese braunen Schuhe gekauft – sechs Dollar habe ich dafür gezahlt –, und der eine wird mir dann gestohlen, noch ehe ich sie getragen habe.«

»Es kommt mir völlig sinnlos vor, einen Schuh zu stehlen«, sagte Sherlock Holmes. »Ich muß sagen, ich teile Dr. Mortimers Vermutung, daß sich der verlorene Schuh bald finden wird.«

»Und nun, Gentlemen«, sagte der Baronet bestimmt, »scheint es mir, daß ich genug über das wenige, das ich weiß, gesprochen habe. Es wird Zeit, daß Sie Ihr Versprechen erfüllen und mir ausführlich erzählen, was das alles soll.«

»Ein sehr vernünftiges Verlangen«, erwiderte Holmes. »Dr. Mortimer, ich glaube, Sie können nichts Besseres tun, als die Geschichte so zu erzählen, wie Sie sie uns erzählt haben.«

So ermutigt zog unser wissenschaftlicher Freund seine Papiere aus der Tasche und trug den ganzen Fall vor, wie er ihn uns am Tage zuvor geschildert hatte. Sir Henry Baskerville lauschte mit gespannter Aufmerksamkeit und gelegentlichen Ausrufen des Erstaunens.

»Na, ich scheine ja da in eine angenehme Erbschaft hineingeraten zu sein«, sagte er, als die lange Erzählung beendet war. »Natürlich habe ich schon als Kind von diesem Hund gehört. Es ist die Lieblingsgeschichte der Familie, allerdings habe ich bis jetzt niemals daran gedacht, sie ernst zu nehmen. Was den Tod meines Onkels betrifft – na, in meinem Kopf geht alles drunter und drüber, ich kriege das noch nicht klar. Sie scheinen sich auch noch nicht entschieden zu haben, ob es ein Fall für einen Polizisten oder einen Geistlichen ist.«

»Stimmt.«

»Und nun kommt noch diese Sache mit dem Brief an mich im Hotel dazu. Ich nehme an, daß das hineinpaßt.«

»Es scheint jedenfalls der Beweis dafür, daß es jemanden gibt, der besser als wir weiß, was auf dem Moor vorgeht«, sagte Dr. Mortimer.

»Und außerdem«, sagte Holmes, »daß jemand Ihnen nicht übel will, da man Sie vor Gefahr warnt.«

»Oder daß mich jemand in eigenem Interesse abschrecken will.«

»Ja, das ist natürlich auch möglich. Ich bin Ihnen sehr dankbar, Dr. Mortimer, daß Sie mich vor ein Problem gestellt haben, das mehrere interessante Möglichkeiten bietet. Aber was wir nun praktischerweise zu beschließen haben, Sir Henry, ist, ob es für Sie ratsam wäre oder nicht, nach Baskerville Hall zu fahren.«

»Warum sollte ich nicht hinfahren?«

»Es scheint gefährlich zu sein.«

»Meinen Sie wegen dieses Familienungeheuers oder wegen menschlicher Wesen?«

»Das müßten wir eben herausfinden.«

»Was es auch sei – meine Antwort steht fest. Es gibt keinen Teufel in der Hölle, Mr. Holmes, und keinen Menschen auf der Erde, der mich daran hindern könnte, das Heim meiner Vorfahren zu betreten, und das können Sie als meine endgültige Antwort ansehen.« Während er so sprach, stieg ihm das Blut zu Kopf, und er runzelte die dunklen Brauen. Offensichtlich war das feurige Temperament der Baskervilles in diesem, ihrem letzten Sproß nicht erloschen. »Bei all dem«, fuhr er fort, »habe ich kaum Zeit gehabt, das alles zu überlegen. Es ist schwer, diese Sache gleichzeitig zu verstehen und entscheiden zu müssen. Ich möchte eine Stunde Zeit und Ruhe haben, um allein zu einem Entschluß zu kommen. Hören Sie, Mr. Holmes, jetzt ist es halb zwölf, und ich gehe gleich in mein Hotel zurück. Wie wäre es, wenn Sie und Ihr Freund Dr. Watson um zwei Uhr mit uns essen würden? Ich kann Ihnen dann besser sagen, was ich von der Sache halte.«

»Paßt Ihnen das, Watson?«

»Vollkommen.«

»Dann können Sie uns erwarten. Soll ich einen Wagen rufen lassen?«

»Ich möchte lieber zu Fuß gehen; das alles hat mich ziemlich verwirrt.«

»Ich gehe mit Vergnügen mit«, sagte sein Begleiter.

»Dann treffen wir uns um zwei Uhr wieder. Au revoir und guten Morgen.«

Wir hörten die Schritte unserer Besucher die Treppe hinabgehen und die Haustür ins Schloß fallen. Im Nu hatte sich Sherlock Holmes aus einem matten Träumer in einen Mann der Tat verwandelt.

»Hut und Schuhe, Watson, schnell! Wir haben keine Minute zu verlieren!« Er stürzte im Schlafrock in sein Zimmer und kehrte wenige Sekunden später im Gehrock zurück. Wir eilten die Treppe hinunter und auf die Straße.