Holmes, er war davon ehrlich überzeugt, daß ein schreckliches Unheil über seiner Familie hing; und die Geschichten, die er mir von seinen Vorfahren erzählte, waren ganz und gar nicht ermunternd. Die Vorstellung eines gespenstischen Wesens hat ihn unablässig heimgesucht, und mehr als einmal hat er mich gefragt, ob ich auf meinen nächtlichen Arztvisiten nie eine sonderbare Kreatur gesehen oder das Bellen eines Hundes gehört hätte. Letztere Frage hat er mir mehrfach gestellt, und immer mit einer vor Erregung bebenden Stimme.
Ich erinnere mich genau, wie ich, ungefähr drei Wochen vor dem Unglückstag, abends zu seinem Haus fuhr. Zufällig befand er sich im Portal der Hall. Ich war aus meinem Wagen ausgestiegen und stand ihm gegenüber, als ich plötzlich sah, wie seine Augen über meine Schulter hinwegstarrten, mit einem Ausdruck entsetzlichen Grauens. Ich habe mich rasch umgedreht und gerade noch etwas gesehen, das mir wie ein großes schwarzes Kalb vorkam und das am Ende der Zufahrt vorüberging. Er war so aufgeregt und verängstigt, daß ich zu der Stelle, wo das Tier gewesen war, zurückgehen mußte, um es zu suchen. Es war aber verschwunden, und der Zwischenfall schien einen entsetzlichen Eindruck auf ihn gemacht zu haben. Ich bin den ganzen Abend bei ihm geblieben, und bei dieser Gelegenheit war es, daß er, um seine Erregung zu erklären, mir zu treuen Händen das Dokument übergab, das ich Ihnen soeben vorgelesen habe. Ich erwähne diese Begebenheit, weil sie in Anbetracht der nachfolgenden Tragödie an Wichtigkeit gewinnt, aber damals war ich davon überzeugt, daß die Sache ganz harmlos sei und seine Aufregung darüber vollkommen unberechtigt.
Auf meinen Rat hin war Sir Charles im Begriff, nach London zu reisen. Ich wußte, daß sein Herz angegriffen war, und die stete Angst, in der er lebte, so chimärisch auch deren Ursache sein mochte, war offensichtlich ernsthaft schädlich für seine Gesundheit. Ich dachte, einige Monate in der Stadt mit ihren Zerstreuungen würden einen anderen Menschen aus ihm machen. Mr. Stapleton, ein gemeinsamer Freund, der sich große Sorgen um Sir Charles’ Gesundheit machte, war derselben Meinung. Im letzten Augenblick kam es dann zu dieser entsetzlichen Katastrophe.
In der Nacht von Sir Charles’ Tod schickte Barrymore den Reitknecht Perkins zu Pferde zu mir. Da ich noch wach war, konnte ich Baskerville Hall eine Stunde nach dem Unglück erreichen. Ich habe alle Einzelheiten, die später bei der Untersuchung erwähnt wurden, überprüft und bestätigt. Ich bin den Fußspuren durch die Eibenallee gefolgt, habe die Stelle neben dem Tor zum Moor gesehen, wo er anscheinend gewartet hat; ich habe die Veränderung der Fußabdrücke von dort an bemerkt, ich habe gesehen, daß es außer denen von Barrymore keine anderen Fußspuren auf dem weichen kiesbedeckten Boden gab, und schließlich habe ich sorgfältig die Leiche untersucht, die bis zu meiner Ankunft nicht berührt worden war. Sir Charles lag mit ausgebreiteten Armen auf dem Gesicht, seine Finger waren in den Boden gekrallt und seine Züge von gewaltiger Erregung so verzerrt, daß ich seine Identität kaum hätte beschwören können. Ganz sicher gab es keinerlei körperlichen Schaden. Aber eine der Angaben, die Barrymore bei der Untersuchung gemacht hat, ist falsch. Er hat gesagt, um die Leiche herum seien keinerlei Spuren auf dem Boden gewesen. Er hatte keine gesehen. Aber ich. Sie waren wohl etwas weiter entfernt, aber frisch und deutlich sichtbar.«
»Fußspuren?«
»Fußspuren.«
»Von einem Mann oder von einer Frau?«
Dr. Mortimer blickte uns einen Augenblick lang sonderbar an, und seine Stimme sank zu einem Flüstern herab, als er antwortete:
»Mr. Holmes, es waren die Fußspuren eines gigantischen Hundes!«
3. Das Problem
Ich gestehe, daß es mich bei diesen Worten durchschauerte. Die bebende Stimme des Arztes zeigte, wie sehr er selbst von dem, was er uns erzählt hatte, erschüttert war. Holmes beugte sich erregt vor, und seine Augen bekamen den harten, trockenen Glanz, der aus ihnen sprühte, wenn er äußerst interessiert war.
»Sie haben die Spuren wirklich gesehen?«
»So deutlich, wie ich Sie jetzt sehe.«
»Und Sie haben nichts gesagt?«
»Was hätte es für einen Sinn gehabt?«
»Wie kommt es, daß sonst niemand sie gesehen hat?«
»Die Spuren waren etwa zwanzig Yards von der Leiche entfernt, und niemand hat darauf achtgegeben.
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