Kommt, Freunde, wir wollen jetzt die durchtriebenen Mingos auf eine falsche Spur locken.«

Der Major, dem mit einemmal seine große Verantwortung drückend auf die Seele fiel, fühlte sich gleichsam von aller menschlichen Hilfe abgeschnitten. Seine aufgeregte Phantasie, durch das zweifelhafte Licht getäuscht, verwandelte jedes sich bewegende Gebüsch, jeden umgestürzten Baum in menschliche Gestalten, und mehrere Male glaubte er die furchtbaren Gesichter lauernder Feinde zu erkennen. Er sah empor und bemerkte, daß der letzte Glanz der Abendsonne am Himmel in schnellem Schwinden war. Er konnte den Strom, der hier dicht vorüberfloß, nur an den dunkel bewaldeten Ufern erkennen.

»Was ist nun zu tun?« sagte er hilflos. »Verlaßt mich nicht, um Gottes willen! Bleibt, um uns zu helfen. Jede Belohnung ist euch sicher.«

Die drei Freunde, die sich abseits besprachen, beachteten ihn nicht. Schließlich aber redete ihn der Kundschafter, fast wie im Selbstgespräch, auf englisch an: »Unkas hat recht! Es wäre keine männliche Handlung, diese harmlosen Geschöpfe ihrem Schicksal zu überlassen. - Wollen Sie diese zarten Blumen vor dem Biß der schlimmsten Schlangen bewahren, Herr, so haben Sie keine Zeit zu verlieren, und müssen rasch einen Entschluß fassen! Diese Mohikaner und ich wollen tun, was in unseren Kräften steht, um die schönen Blumen zu bewahren. Wir wollen dafür keinen anderen Lohn als den, den Gott rechtschaffenen Handlungen immer verleiht. Zuvor aber müssen Sie mir zwei Dinge versprechen, sowohl in Ihrem als in Ihrer Freunde Namen, sonst könnten wir, ohne euch zu dienen, uns selbst schaden.«

»Nennt diese Bedingungen.«

»Die eine ist, euch so still zu verhalten wie diese schweigenden Wälder, was auch immer sich ereignen möge. Die zweite, den Ort, wohin wir euch führen wollen, auf ewig vor jedem Menschen geheimzuhalten.«

»Wir wollen unser mögliches tun, diese beiden Bedingungen zu erfüllen.«

»So folgt mir, denn die Minuten, die wir verlieren, sind kostbar.«

Heyward konnte durch die wachsenden Schatten der Nacht die ungeduldige Gebärde des Kundschafters unterscheiden und folgte schnell. Als er zu den wartenden, besorgten Frauen trat, machte er sie kurz mit dem Begehren ihres neuen Führers bekannt. Die Schwestern erschraken über seine beunruhigende Mitteilung, nahmen sich aber vor der drohenden Gefahr mutig zusammen. Sie stiegen sofort schweigend von ihren Pferden und gingen schnell zum Ufer des Stromes hinab.

»Was fangen wir nun mit diesen stummen Geschöpfen an?« flüsterte Falkenauge, auf dem die ganze Verantwortung zu lasten schien. »Es wäre Zeitverlust, ihnen die Kehlen durchzuschneiden und sie in den Strom zu stürzen. Lassen wir sie aber hier, so wissen die Mingos, daß wir in der Nähe sind.«

»Die Tiere könnten ja frei in die Wälder laufen«, meinte Heyward.

»Nein, wir müssen die Satansbrut irreführen. Die Feinde sollen glauben, flüchtende Reiter vor sich zu haben.«

Die Indianer zögerten jetzt keinen Augenblick. Sie ergriffen die Zügel und führten die erschreckten, widerstrebenden Pferde in das Flußbett hinab.

Nicht weit vom Ufer wandten sie sich und verschwanden bald stromauf hinter einem vorspringenden Felsen. Unterdessen zog Falkenauge einen Kahn von Baumrinde aus einem Versteck unter dem Ufergebüsch und nötigte schweigend die Frauen einzusteigen. Sie folgten ohne Zögern, warfen nur ängstliche Blicke in das wachsende Dunkel, das wie eine schwarze Mauer am Ufer des Stromes lag.

Als Cora und Alice sich gesetzt hatten, ließ der Späher den jungen Heyward die eine Seite des schwachen Bootes halten, er selbst stellte sich an die andere Seite, und langsam brachten sie das Fahrzeug gegen den Strom hinauf, begleitet von dem niedergeschlagenen Psalmensänger. So fuhren sie eine große Strecke schweigend. Nur das Plätschern des Wassers oder das leise Geräusch, das ihre eigenen behutsamen Schritte verursachten, war zu hören. Heyward überließ die Lenkung des Kahns dem Kundschafter, der sich dem Ufer näherte oder sich wieder entfernte, um die Felsklippen oder tiefere Stellen des Stromes zu vermeiden. Er schien den Weg zu kennen. Dann und wann blieb er stehen, und mitten in der atemlosen Stille, die noch durch das dumpfe anwachsende Rauschen des Wasserfalls unterstrichen wurde, lauschte er mit gespannter Aufmerksamkeit auf jedes Geräusch, auf jeden Ton in den schlummernden Wäldern. Wenn Falkenauge sich überzeugt hatte, daß alles ruhig und anscheinend kein Feind in der Nähe war, fuhr er wieder langsam und vorsichtig weiter. Endlich erreichten sie eine Stelle im Strom, an der Heyward eine Gruppe von schwarzen Schatten bemerkte, die sich an einer Stelle zusammendrängten. Zögernd machte er seinen Begleiter darauf aufmerksam.

»Die Indianer haben dort die Tiere verborgen«, erwiderte ruhig der Kundschafter. »Das Wasser läßt keine Spur zurück, und selbst das Auge einer Eule wird in dieser Dunkelheit nichts erkennen.«

Bald fanden sich alle wieder zusammen, und der Jäger und seine Gefährten berieten aufs neue. Der Strom war hier von hohen schroffen Felsen eingeschlossen und schien durch ein enges Tal zu führen.