Das wird dir genügen.«
»Das genügt mir keineswegs, sondern bringt eine ganz andere Wirkung hervor, als du beabsichtigt hast. Der Vizekönig ist ebenso wie der Reïs Effendina in meinen Augen nichts, und es fällt mir nicht ein, mich nach ihnen zu richten.«
Jetzt kannte ich seine Verhältnisse nicht; später erfuhr ich freilich, weshalb er sich dieses unehrerbietigen, ja geringschätzenden Ausdruckes bedient hatte. Für einige Zeit Steuerbeamter gewesen, hatte er sich gezwungen gesehen, sein Amt niederzulegen, und war Sklavenhändler geworden. Das wußte ich jetzt freilich nicht, antwortete ihm aber doch mit überlegenem Lächeln:
»Du wirst dich aber dennoch nach ihnen richten, indem du dich nach mir richtest, der ich ihre Befehle auszuführen habe.«
»Du wirst sogleich sehen, wie ich diese Befehle achte.«
Er zog sein Messer und bückte sich zu Abd Asl nieder.
»Halt!« gebot ich ihm. »Was willst du thun?«
»Diesen meinen Freund von seinen Fesseln befreien.«
»Das erlaube ich nicht.«
»Was frage ich nach deiner Erlaubnis!«
Er legte das Messer an den Riemen; ich aber legte auch, nämlich beide Hände von hinten und oben an seine Hüften, hob ihn aus seiner gebückten Haltung empor und warf ihn mehrere Schritte weit über die Gruppe der Gefangenen, bei denen Abd Asl lag, hinüber. Er hatte sein Messer festgehalten, raffte sich rasch wieder auf, erhob die Hand zum Stoße und drang auf mich mit den Worten ein:
»Du wagst, dich an dem Fakir el Fukara zu vergreifen? Da, nimm!«
Es fiel mir gar nicht ein, mich einer Waffe zu bedienen. Auch keinem der Asaker kam es bei, mir beizuspringen; nur Ben Nil fuhr mit der Hand in den Gürtel, blieb aber an seinem Platze stehen; sie wußten, daß ich mit dem Angreifer fertig werden würde. Ich gab ihm mit der Faust von unten her einen Stoß in die Achselhöhle des erhobenen Armes, und diese Parade war so kräftig, daß sie ihn aushob und wieder zu Boden warf. Jetzt zog ich den Revolver; als er wieder aufsprang, um mich von neuem anzugreifen, hielt ich ihm denselben entgegen und rief:
»Noch einen Schritt weiter, und ich schieße dich nieder!«
»Bleib stehen, sonst schießt er wirklich, denn er ist ein Giaur!« warnte ihn Abd Asl.
Der Fakir el Fukara zog den bereits erhobenen Fuß wieder zurück, ob aus Furcht vor meiner Waffe oder aus Betroffenheit darüber, mich einen Giaur nennen zu hören, das weiß ich nicht - wohl aus beiden Gründen zugleich, und fragte:
»Ein Giaur? Er ist kein Moslem?«
»Nein, sondern ein christlicher Effendi,« antwortete der Alte.
»Und dieser Hund wagt es, mich - -«
Im Nu stand Ben Nil mit der erhobenen Peitsche hinter ihm und fragte mich.
»Effendi, soll ich ihm die Haut in Streifen schlagen, da er dir den Namen eines verachteten Tieres giebt?«
»Dies eine Mal soll ihm verziehen sein, weil er in der Aufregung gesprochen hat,« antwortete ich. »Wenn er mich aber noch ein einziges Mal beleidigt, so erhält er die Bastonnade, daß er hier liegen bleiben und elend verkommen muß!«
»Allah! Mir die Bastonnade!« knirschte der Mann. »Von einem Christen! Welch ein Frevel, welch eine Kühnheit!«
»Von Kühnheit kann dir gegenüber keine Rede sein,« lachte ich ihm in das Gesicht. »Ich würde mich nicht fürchten, wenn ich zehn Personen deinesgleichen gegenüber stände; hier aber bist du allein und hast außer mir noch zwanzig Asaker gegen dich.«
»Aber sie sind doch Moslemin?!«
»Das sind sie allerdings.«
»So müssen sie doch für mich und nicht für dich sein! Wie kann ein Moslem dulden, daß einem andern Rechtgläubigen von einem Christen mit der Bastonnade gedroht wird, ja, daß dieser sich sogar an ihm vergreift und ihn zu Boden wirft?«
Da stellte sich Ben Nil vor ihn hin und antwortete an meiner Stelle:
»Höre, wir haben diesen unsern Effendi von Herzen lieb und sind bereit, für ihn gegen jedermann zu kämpfen. Zehn und hundert Fakire el Fukara wiegen ihn in unserer Achtung nicht auf, und ich sage dir, daß du nicht der erste wärst, der, weil er ihn beleidigte, die Peitsche bekommen hat. Nimm dich also sehr in acht! Die Bastonnade schwebt über deinem Haupte, und bei Allah, wenn du deinen Mund nicht hütest, senkt sie sich augenblicklich auf dich nieder!«
»Knabe!« fuhr ihn der Fakir an. »Hüte du selbst deine Zunge! Was bist du und was sind zwanzig Asaker gegen die Anhänger, welche zu mir eilen, wenn ich meine Stimme erhebe!«
»Erhebe Sie! Wir werden sehen, ob der Wald lebendig wird!«
»Das darfst zu sagen, weil ich heute niemand bei mir habe; später aber kann ich euch zerquetschen, wie man Würmer mit dem Fuße zertritt!«
Die Soldaten ließen ein zorniges Murmeln hören; er aber kehrte sich nicht daran und fuhr fort:
»Indem ihr einem Christen gegen diese Moslemin dient, verleugnet ihr den Propheten. Habt ihr ein Recht, diese Rechtgläubigen gefangen zu halten? Wenn sie Sklaven gefangen haben, wo steht denn im Kuran, daß der Sklavenhandel verboten ist?«
Seine Absicht war, die Asaker gegen mich aufzuwiegeln, und er glaubte vielleicht, daß ihm dies gelingen werde. Ich hatte gar nicht nötig, ihn durch Zwischenreden in der Ausführung dieses Vorhabens zu hindern, denn Ben Nil, welcher das Wort nun einmal für die andern ergriffen hatte, antwortete ihm:
»Du kennst die Lage der Sache nicht. Ibn Asl, der Sohn dieses alten Fakirs, hat die Beni Fessarah überfallen, viele von ihnen getötet und die jungen Frauen und Töchter davongeführt, um sie in die Sklaverei zu verkaufen. Wir aber haben sie ihm abgenommen und wieder in ihre Heimat geleitet. Aus Zorn und Rache darüber hat er uns seinen Vater mit diesen Männern entgegengesandt. Sie sollten uns hier auflauern und ermorden; dem Effendi aber sollten die Zunge und auch die Hände abgeschnitten werden. Ist es erlaubt, Rechtgläubige zu rauben und zu Sklaven zu machen?«
»Nein,« gestand der Fakir.
»Sind die Beni Fessarah Rechtgläubige oder Giaurs?«
»Rechtgläubige.«
»So hat sich Ibn Asl also einer Todsünde schuldig gemacht, und diese Menschen hier sind seine Mitschuldigen. Sie müssen dafür bestraft werden, gar nicht davon zu sprechen, daß sie Mörder sind, da sie das beabsichtigten, was ich dir mitgeteilt habe.«
Diese Mitteilung des Jünglings verfehlte ihren Eindruck nicht. Der Fakir el Fukara wendete sich an den alten Fakir Abd Asl und fragte:
»Ist das wirklich so, wie ich es jetzt gehört habe?«
»Man mag uns beweisen, daß wir diese Asaker töten wollten,« antwortete der Gefragte. »Es ist eine schändliche Lüge!«
»Leugne es nicht!« herrschte ich ihn an. »Ich habe es mit meinen Ohren gehört. Ich lag, um euch auszukundschaften, hinter dem Gesträuch, vor welchem du mit deinem angeblichen Dschelabi im Gespräch saßest.«
»Du hast dich geirrt,« meinte der Fakir el Fukara zu mir.
Ach habe richtig gehört, und es sind auch noch andere Beweise vorhanden.«
»Welche? Ich muß sie hören.«
»Du mußt? Wer hat dich zum Richter über mich gesetzt? Ich muß bloß das, was ich will, und meinen Willen werde ich dir sofort mitteilen. Ich will nämlich, daß du dich nicht weiter um diese Angelegenheit bekümmerst. Du hast dir in derselben die Hände schon so verbrannt, daß ich dir rate, dich vom Feuer fern zu halten. Du bist hier, ohne mich zu kennen, aufgetreten wie ein Gebieter.
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