Da sahen sie das Kamel liegen; es war in das rechte Hinterbein geschossen. Nun war es mit der Angst der Asaker plötzlich vorüber. Sie drängten sich herbei und brachen in ein schallendes Gelächter aus.

»Welch ein Löwe, welch ein grausiges Untier!« rief einer von ihnen. »Hätte die Kugel des Fessarah ihn nicht niedergestreckt, so würde dieser Menschenfresser uns alle verschlingen. Ja, der Fessarah hat uns aus einer entsetzlichen Gefahr befreit; er hat uns allen das Leben gerettet; er ist der berühmteste Löwenjäger im ganzen Lande. Erhebt eure Stimmen, ihr Männer, um ihn zu preisen! Ruft dreimal Heil, Heil, Heil über ihn!«

»Heil, Heil, Heil!« lachten und jubelten sie.

Der Gepriesene antwortete nicht und entzog sich den weiteren Huldigungen, indem er davonrannte und sich in das Gebüsch versteckte. Das Kamel konnte nicht auf, denn der rechte Schenkelknochen war ihm zerschmettert; es mußte getötet werden. Eben kehrte sein Besitzer, der Fakir el Fukara, aus dem Walde zurück. Er kam zu mir, gab mir die Hand und sagte, so daß alle es hörten:

»Effendi, verzeihe mir, daß ich dich stehen ließ, ohne dir zu danken! Es war zu schrecklich. Ich hatte zu viel gewagt. Meine Glieder klapperten, und meine Seele zitterte mir im Leibe. Der Fresser hatte es auf mich abgesehen, und ohne dich wäre ich von ihm zerrissen worden. Das Entsetzen hatte mir die Sprache geraubt, so daß ich dir kein Wort sagen konnte. Ich entwich in das Dunkel des Waldes, um im stillen Allah zu preisen. Nun kann ich wieder reden und sage dir Dank. Du bist mein Freund und Bruder; die Feindschaft, mit welcher ich dich betrachtete, ist verschwunden, und ich wünsche, dir den Beweis geben zu können, daß meine Gesinnung gegen dich sich vollständig umgewandelt hat. Willst du mir verzeihen?«

»Gern,« antwortete ich, indem ich ihm die Hand schüttelte.

»So sage mir, wie ich dir dienen und dir einen großen Gefallen erweisen kann!«

»Dessen bedarf es nicht. Du wußtest es nicht, was es heißt, von dem Herrn mit dem dicken Kopfe angegriffen zu werden; ich habe es dir gezeigt und bin nun befriedigt. Würdest du es noch einmal wagen, dich einem Löwen entgegenzustellen?«

»Niemals, nie! Bei seinem Anblicke erstarrt einem das Blut im Leibe, und es ist, als ob einem alles Fleisch von den Knochen falle.«

»Das ist die Furcht, die Angst. Warum bin denn ich ganz ruhig geblieben? Hätte auch ich mich gefürchtet, so wäre es sehr schlimm geworden.«

»Ja, Effendi, es ist mir unbegreiflich, wie du es wagen konntest, den Löwen zu veranlassen, sich von mir zu wenden, um sich auf dich zu werfen und obendrein, nachdem ich mich so feindselig gegen dich verhalten hatte! Schreibt dir das etwa dein Glaube vor?«

»Nein, ein guter Christ wird allerdings seinem ärgsten Gegner gern verzeihen, denn Christus, der Sohn Gottes, hat uns sogar geboten, unsere Feinde zu lieben; aber daß ich, um einem Moslem das Leben zu retten, mich selbst von dem Löwen zerreißen lassen soll, das gebietet mir mein Glaube nicht. Ich habe hier weniger als Christ als vielmehr als Mann gehandelt, als ein Schütze, ein Jäger, den selbst der Würger der Herden nicht aus der Fassung bringen kann. Als unerschrockener Mann habe ich den Löwen erschossen; als Christ bin ich bereit, mich mit dir zu versöhnen. Das ist es.«

»Es bleibt sich gleich, ob du mich als Mensch oder als Christ errettet hast. Ich habe dir das Leben zu verdanken und bitte dich, mir zu sagen, wie ich diese große Schuld wenigstens einigermaßen abtragen kann.«

»Es ist von keiner Schuld die Rede. Ich hätte das Tier auf alle Fälle erlegt; daß ich es von dir ablenken mußte, um gut zum Schuß zu kommen, das war nur ein Zufall, welcher dich zu nichts verpflichtet. Ich werde mir das Fell des Löwen nehmen und bin mit diesem Lohne vollständig zufrieden.«

»Das ist mir nur dann begreiflich, wenn ich annehme, daß du nur aus Stolz den Dank eines Mannes, welcher dich beleidigt hat, verschmähst. Aber auch ich habe mein Ehrgefühl, welches mir verbietet, mich gänzlich abweisen zu lassen. Ich werde nachdenken und hoffe, eine Gelegenheit zu finden, dir einen Dienst zu leisten, den du anzunehmen gezwungen bist. Du weißt noch gar nicht, wen du gerettet hast. Später, wenn du weiteres von mir hörst, wirst du erkennen, daß dir All-Islam und der ganze Orient verbunden ist.