Der Meineidbauer

Anzengruber, Ludwig

Der Meineidbauer

 

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Ludwig Anzengruber

Der Meineidbauer

 

 

Personen.

Matthias Ferner, der Kreuzweghofbauer

 

Crescenz,

Franz, , seine Kinder

 

Andreas Höllerer, der Adamshofbauer

 

Toni, sein Sohn

 

Der Großknecht

 

Burgei,

Mirzl,

Waberl,

Annerl,

Gretl, , Mägde am Adamshofe

 

Muckerl, Kühjunge

 

Die alte Burgerliese

 

Jakob,

Vroni, , ihre Enkel

 

Levy, ein Hausierer

 

Die Baumahm

 

Rosl,

Kathrein, , ihre Nichten

 

Der Bader von Ottenschlag

 

Erster Schwärzer

 

Zweiter Schwärzer

 

Schwärzer, Landleute vom Kreuzweghof, von Altranning und Ottenschlag.

Uraufführung am 9. Dezember 1871 im Theater an der Wien

 

 

Erster Akt

 

Hofraum eines Bauerngehöftes.

Hintergrund offene Scheuer, durch welche man in den Garten sieht. Rechts und links ebenerdige Gebäude. Links Herrenhaus, schließt sich an die Scheuer. Rechts Gesindehaus, das nur bis zur letzten Kulisse läuft, hinter welcher alle Personen, die von der Straße kommen, auftreten. Vorne rechts ein Ziehbrunnen, vor welchem eine Bank zum Daraufstellen des heraufgewundenen Eimers und der zu füllenden Gefäße; unmittelbar vor dem Brunnen liegen ein leerer Eimer und eine Gießkanne.

 

Erste Szene.

GROSSKNECHT aus dem Hause rechts. Wie alle Personen in diesem Akt im Sonntagsstaat, Fünfziger, graumeliertes Haar, gebräunte, markierte Züge, schlägt Feuer für seine kurze Pfeife und kommt dabei vor, bis wo Gießkanne und Eimer liegen, wo er stehenbleibt, leicht mit dem Fuße dagegen stoßend. Holla! Da hat's wieder eine gnädig g'habt, daß s' ja die erste Mess' nit versäumt! Glaubet einer, wie ihnen um den Kirchgang is und wie frumm die Dirndl sein! Ja, den Buben z'lieb geh'n s' hin! Dö Grasteufeln macheten unsern Herrgott selbst zum Kuppler! – Bei mir muß die Kirch' ruhig sein, dös jung G'fliederwerk kann ich drein nit brauchen, ich nimm allweil mit der zweit' Mess' vorlieb, dö erst', die Großherrn- und Verliebt-Leut'- Mess', wo sie sich in die Kirchstühl' breit machen und im Kirchgang an die Vortuchbandeln zupfen und auf d' Füß' treten, dö paß ich allmal ab! Setzt sich auf die Brunnenbank, schlägt wieder Feuer. Naß is er word'n, der Sakra, und will nit brennen! Schmaucht.

 

 

Zweite Szene.

Voriger. Vroni, Sonntagsstaat, nur eine blaue Schutzschürze vor, tritt, eine Gießkanne ausschwenkend, durch den Garten auf, sie hat in der Linken eine Nelke, die sie nach dem Lied ins Mieder steckt.

 

Auftrittslied

Zwei Nagerln an oan Stingel,

dös bin ich und mein Schatz,

und da find't koan dritter

dazwischen oan Platz!

 

Mei Mahm hat mich ausg'lacht!

»Warst dös du und dein Schatz,

da findet leicht a Knösperl

z'neb'n enk zwa no Platz!«

 

Ah, sag ich, beileib net,

ich bin no sei Weib net! –

Ich bin koan hitzige Mirl.

Was mer braucht, muß mer hon!

Der Nagerlstock a Garteng'schirrl

und a rechte Dirn' oan' Mon!

 

Jodler.

 

GROSSKNECHT. Du bist's, Vroni? Und noch derheim? Hätt mir's denken können!

VRONI. Ich war im Garten, gießen!

GROSSKNECHT. Ich weiß's! Wer was derwart', macht sich gern was z'schaffen, 's vergeht die Zeit dabei.

VRONI schnippisch. Kann schon sein!

GROSSKNECHT nickt rauchend. Is eh so!

VRONI rückt ihm mit der Gießkanne auf den Leib. Geh, ruck lieber vom Bankel weg, daß ich mein' Gießkanne füll'n kann.

GROSSKNECHT bewegt sich nicht. Hast du aber Eil'! – Du kommst mir grad' g'leg'n – ich hätt mit dir z'red'n!

VRONI mit spöttischem Knicks. Jesses, die Ehr'! Der Großknecht, von dem koan' Dirn' im G'höft jahraus, jahrein ein anders Wörtl noch g'hört hat als »gut'n Moring« und »gute Nacht« – du vergibst dir aber viel, wann d' mit mir, dem jüngsten, g'ringsten Dirndl da im Dienst, red'st!

GROSSKNECHT sieht sie groß an. Wann du auch, was ich schon lang weiß, kein' Respekt vor mir hast, so könnt'st doch die Faxen sein lassen; dös sein dumme G'spaß! – Du kannst's a nie g'raten, wenn nach 'm Tischgebet alles still is und ich mein' Löffel sauber putz, bevor ich als erster in die Schüssel lang, zu deine jüngern Kameradinnen nüber z'blinzeln, und das is dann a Getupf mit die Ellbög'n unterm Tisch, und da wischt ihr euch 's Maul, bevor ihr noch ein Bissen drein habt's! – Alle können doch nit z'gleich in die Schüssel langen, einer muß der erste sein, und dös is mein Recht, dafür bin i Großknecht – merk dir's!

VRONI. D' Welt fallet a nit z'samm, wann 's Essen als ein ang'richtes auf 'n Tisch kommet und jeder sein' eignen Teller hätt!

GROSSKNECHT. Dös weiß ich, daß du was Extras haben möcht'st, dös liegt im Blut, so war deine Mutter auch!

VRONI. Du wirst auch viel wissen, wie mein' Mutter – Gott hab s' selig – g'wesen is.

GROSSKNECHT. Ich glaub doch und eben derentweg'n will ich mit dir reden, eh's z' spät is! – Wir zwei, ich und sie, sein drüben in Ottenschlag miteinander aufgewachsen und in die Schul' gangen. – Dein Ahnl – die noch jetzt dort hoch im Gebirg ihr' Schenkwirtschaft »Zur Grenz'« betreibt – kennt mich als klein' Bub'n. Ich war kaum so – Zeigt es. wie sie g'heirat hat. – Dein' Mutter is a Jahr drauf auf d' Welt kommen, und grad wie ich in der letzten Klass' mit 'n Esel um 'n Hals rausg'standen bin, hat sie in der Taferlklass' ihren ersten Tatzen kriegt. Später sein wir z' gleicher Zeit von Ottenschlag weg und sein alle zwei beim Kreuzwegbauer in Dienst treten. – Bekannt von klein auf, unter wildfremde Leut' in ein Dienst, hab'n wir uns tröst', wenn uns a Heimweh ang'fall'n hat, und uns gegenseitig in Schutz g'nommen, wann d' andern wie brütige Gans' über eins von uns herg'fallen sein! Kein Wunder, daß ich – damal a frischer Bursch – in sie g'schossen bin, freundlich is s' g'west mit mir – und a bildsaubre Dirn! – Du bist ihr wie aus 'm G'sicht g'schnitten, gleichwohl war s' noch säubrer wie du! Läßt, in ihr Anschauen versunken, die Hand mit der Pfeife sinken und sagt vor sich hin. Sauber war s' – bildsauber!

 

Kleine Pause.

 

VRONI hat den Eimer umgestülpt und sich auf denselben gesetzt.