Ich dank schön für 'n guten Rat, aber ich denk, das gang mir alles so nah, daß ich erst selber da nachschau'n müßt – dann steht's noch allweil bei mir, ob ich geh oder bleib! Ich weiß nit, warum du dich gar so drum annimmst?

GROSSKNECHT. Was 's mich verint'ressiert, meinst? – Ich bin deiner Mutter – Gott hab s' selig – ihr rechter Freund g'wesen, 's hat s' keiner so gern g'habt als wie ich! Ich hab's heut noch nicht verwunden, was sie an mir getan hat, und doch is mir's ums Herz ganz b'sonders, wann ich an sie denk, und 's is mir noch koan' zweite kämma wie sie, und kommt a keine! Sieh ich dich so vor mir stehn, da glaub ich, sie dürft's sein, mein' Seel', das is a ihr trutzig' Tun und Wesen – du hast's ganz von ihr; aber leg's ab, amal hat's mir selber an ihr g'fall'n, aber, Vroni, tu's ab, schlag dir s' aus 'm Sinn, die Gedanken, wie hoch als a 'naus woll'n, sei die arm', ehrlich', brav' Dirn, die dein' Mutter war, wie ich mit ihr von Ottenschlag weg bin, tu der Mutter die Schand' nit an ins Grab hinein, daß d' nix von ihr g'lernt hab'n willst, daß ihr' hart' Arbeit und ihr sauer elend' Leben für dich ohne Nutz und Lehr' war! Glockengeläute. Sie läuten schon in die zweit' Mess', ich muß jetzt gehn. Ich hab eh mehr g'red't, als der Pfarrer in der Kirch' heut fürbringen kann – und hab da alle alten G'schichten in mir aufg'mischt. – Mein Gott! 's is mir aber doch lieber, als es kommt nachtig über mich – wie's g'wesen is und wie's sein könnt! – Aber am Sonntag, da fecht mich nix an, da hab ich mein Betbüchl und hör d' Orgel spiel'n! Vertraulich, indem er ein in ein Tuch geschlagenes Gebetbuch sorgfältig aus der Rocktasche zieht. Siehst, Vroni, damit setz ich mich mitt'n unter die Leut' mit g'flickte Röck' zur zweit' Mess' in ein Kirchbankeck hin – Öffnet behutsam die Schließen und halb die Blätter. Da is a Veigerl vom Bach, wo wir 's erst' Mal vertraulich miteinand' g'red't hab'n, und paar Blatteln weiter von dem Strauch auf ihr'm Grab die wilde Rosen, die ich mir einmal von Ottenschlag g'holt hab! Schließt das Buch und birgt es sorgfältig an dem früheren Orte. Und wenn ich das Buch so in der Kirch' vor mich hinleg, da siech ich s' ordentlich vor mir lieg'n, dö Örter, wo ich meine Täg zu'bracht hab – da liegt tief im Grund das kleine Ottenschlag und hoch oben das nette Wirtshaus »Zur Grenz'« – klein wie a Schwalbennest –, weiter im Land, nur zwei Stund', liegt der Kreuzweghof und noch zwei Stund' weiter Altranning – und da verwundr' ich mich, daß man auf nur vier Stund' Umkreis im Land so viel derleb'n kann, und da steht alles vor mir, als ob's gestern g'wesen wär – und da setzt die Orgel ein – und da denk ich so in mir, daß amol im Leb'n a jeder sein' Kreuzweghof g'habt hat, wo ihm's grimmig schlecht gangen is, daß aber auch mit Gotts Hilf' jeder amol sein Altranning find't, wo er Großknecht werd'n kann! – Und da frag ich mich selber, ob mir's recht wär, wann ich all das nit derlebt hätt und 's sollt alles anders sein, wie's is – da schau ich auf meine zwei Bleamerln und sag: »Nein!« Und da wird mir's so warm unterm Brustfleck und da inwendig in mir ganz stad! – Dös sein meine Sunntäg! – Jetzt b'hüt dich Gott, Vroni, und überleg dir mein' Red'! Ab.

 

Dritte Szene.

VRONI allein. »Überleg dir mein' Red'!« und »laß dein trutzig' Wesen sein!« Wie g'ring sein der Leut' Wort', wann s' auch 's Schwerste von ein'm verlangen. – Mein liaber Großknecht, wann's wahr wär, was du sag'st, was gabet's da zum Überlegen? In d' weit' Welt müßt ich laufen, daß s' mir nit von morgen an im Ort zum alten all neu' Schimpf und Schand an den Kopf werfen! Und was bleibet mir denn, daß ich's ertraget, so daz'stehn vor mir selber, wann nit der Trutz als mein einzig' und ältester Freund, der mit mir aufg'wachsen is? – Ich sollt 'n ableg'n? – Kann ich leicht anders sein, als ich bin? – Und hab'n s' nit alle dran g'arbeit', daß ich so word'n bin? Hab'n nit damals die andern Kinder im Ort mit Finger auf mich deut'? »Oi, schaut's dö an, dö hat kein Vatern nit!« Lass'n mir's nit alle bis heuttags noch g'spür'n, daß ich eigentlich nit auf der Welt sein sollt', weil mein Kämma neamand a Freud' und mein Bleiben nur Ung'legenheit g'macht hat? – Da bin ich aber amol! Und is Vaters oder Mutters Schuld, die mein' g'wiß nit, und hat's unser Herrgott zulassen, so werd ich ihm grad so lieb sein wie ös, dö 's sakramentalisch auf d' Welt kämma seid's! Lacht und fährt mit beiden Händen über Stirn und Scheitel. Narrische Mirl! Ich komm da in d' Hitz z'wegen ein' G'red' und muß sich's erst weisen, was daran wahr is. Der Toni soll mir's nur selber sagen, was an der G'schicht' is. Macht sich mit Eimer und Gießkanne zu schaffen.

 

Vierte Szene.

Vorige, von rechts treten auf Toni und Crescenz, Ferner und Höllerer, und zwar zuerst Toni, der Crescenz an der Hand führt, voraus, und dann, während diese beiden in den Vordergrund kommen, erscheinen im Hintergrund die beiden Bauern.

 

CRESCENZ im Auftreten. Nit, daß ich drauf versessen wär, wann's dir nit ansteht, aber der Leut' weg'n möcht ich, daß d' jetzt all' Tag zu uns auf 'n Kreuzweghof kämst, daß s' doch sehn, wir mög'n uns leiden. Is dir's leicht z' viel, daß d' 's G'fährt einspannen laßt?

TONI. Bewahr! Wann du's so willst, so soll's auch so sein.

VRONI. Toni!! Faßt sich, tritt auf ihn zu, streicht sich die Haare aus der Stirn und sagt bitter lächelnd. Gut'n Morg'n, Toni. Ich hab heut im Garten g'wart wie sonst, warum bist denn nit kommen?

CRESCENZ. Was will denn die?

TONI läßt Crescenz' Hand fahren und tritt zu Vroni – leise. Du weißt's schon, was s' mit mir vorhab'n? – Sei g'scheit, Vroni! Ich muß mit dir noch in der G'heim drüber red'n. Tritt rasch zur Crescenz zurück.

VRONI laut. Du mußt mit mir noch in der G'heim red'n? Könnt' sein, daß das, was du mir z'sag'n hast – Auf Crescenz. vor derer da nit leicht gang', aber es is auch gar nimmer nötig, daß du red'st; dageg'n, was ich dir jetzt sagen werd, das kann alle Welt hören.

 

Ferner und Höllerer sind vorgekommen.

 

FERNER gedrungene Figur, mit abgelebten Zügen, hat einen großen Rosenkranz und ein großes Gebetbuch in der Hand; dazwischentretend. Halt's Maul, Dirn!

TONI. Misch dich da nit drein!

FERNER strenge. Geh du mit der Crescenz in' Garten, a Wartlerei mit derer da schickt sich vor dein' künftig Weib nit.

TONI. War's nit der Crescenz z'lieb –

VRONI bitter. Geh nur zu, d' kimmst wohlfeil davon.

 

Toni und Crescenz durch die Scheuer ab.

 

FERNER stellt sich vor Vroni hin. Jetzt red ich da im G'höft, und wir werd'n gleich fertig sein miteinander.

VRONI tritt ihm aufrecht entgegen.